Redner(in): Angela Merkel
Datum: 27.05.2009

Untertitel: in Berlin
Anrede: Sehr geehrter Herr Falke, meine Damen und Herren!
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Rede/2009/05/2009-05-27-merkel-markenverband,layoutVariant=Druckansicht.html


Ich begrüße auch meine Kollegen aus dem Deutschen Bundestag!

Ich freue mich, heute wieder bei Ihnen zu sein. Sie haben mich darauf hingewiesen, dass es über fünf Jahre her sein soll, dass ich bei Ihnen war. Mir kommt es vor wie gestern. Jedenfalls freue ich mich, wieder bei Ihnen zu sein. Wir waren damals, wenn ich mich recht erinnere, im Schlüterhof. Sie haben offensichtlich nicht nur ein Gespür für Marken, sondern auch ein Gespür für gute und spannende Orte.

Da die Bundesrepublik Deutschland am Samstag Geburtstag gefeiert hat und wir in diesem Jahr noch auf den Mauerfall vor 20Jahren zurückblicken können, ist vor diesem Hintergrund auch dieses Gebäude hier, das ehemalige Staatsratsgebäude, ein ganz besonderes. Mein Vorgänger, Bundeskanzler Gerhard Schröder, wollte, wie er mir einmal verraten hat, gar nicht wieder aus dem Gebäude heraus, weil man sich ganz gut eingelebt hatte, nachdem man von Bonn nach Berlin umgezogen war. Als ich noch in Ostberlin lebte, gehörte ich zu denen, die in dieses Gebäude nie einen Fuß hineingesetzt haben. Ich konnte hier das erste Mal sein, als die Wirtschaftsschule eingerichtet wurde. Ich glaube, dieses ehemalige Staatsratsgebäude ist jetzt einem sehr hervorragenden Zweck zugeführt, was auch mit Ihrer Arbeit sehr viel zu tun hat. Ich wünsche Ihnen eine gute Tagung und vor allen Dingen heute einen schönen Abend!

Wenn jemand im zwischenmenschlichen Bereich zu einem sagt "Du bist vielleicht eine Marke", weiß man nie ganz genau, ob es sich um ein Kompliment oder eine verkappte Kritik handelt. Bei der Marke als Produkt und beim Markenverband weiß man natürlich, dass es um ganz seriöse Sachen geht, aber auch um hochemotionale Dinge, wie der Film eben gezeigt hat.

Es ist so, dass wir alle mit Markenprodukten aufgewachsen sind. Die Markenprodukte aus dem Westen, die heute im Wesentlichen eine Kontinuität darstellen, sind für uns im Osten immer wieder ein Glanz an trüben Tagen gewesen, wenn das West-Paket kam und man mit guten Gerüchen und schönen Dingen konfrontiert wurde. Auch manche Marke aus der früheren DDR hat überlebt, so zum Beispiel das Kathi Kuchen-Mehl und anderes. Wenn ich ATA oder FIT sehe, muss man sich immer noch fragen: Ist es denn besser geworden oder ist da etwa noch das drin, was früher drin war? In der DDR gab es selten Waschbecken, die nach Gebrauch von ATA nicht schnell kaputt waren.

Es gibt sicherlich vieles über Marken zu erzählen. Aber Sie wollen auch in die Zukunft schauen. Es ist eben von Herrn Falke schon gesagt worden: Sie sind glücklicherweise bisher von der Krise nicht so stark betroffen. Das ist sehr gut. In Deutschland befinden sich die einzelnen Wirtschaftszweige in dieser krisenhaften Situation inzwischen in sehr unterschiedlichen Lagen.

Es ist die größte Wirtschaftskrise, die wir je in der Bundesrepublik Deutschland erlebt haben. Daran besteht gar kein Zweifel. Der größte Wirtschaftseinbruch, den es in den 60Jahren Bundesrepublik gab, belief sich in den Zeiten der Erdölkrise auf über 0, 9Prozent. Falls diejenigen, die die Prognosen erstellt haben, recht haben, erwartet uns in diesem Jahr ein Minus von sechsProzent. Das ist natürlich eine Herausforderung.

Wir wissen, dass vor allen Dingen die Exportbereiche zuerst betroffen waren so der Maschinenbau, der Ausrüstungsbereich, die Chemieindustrie und natürlich der Autobereich. Wir haben seitens der Bundesregierung versucht, alles zu tun, um gerade bei der Binnennachfrage ein Zeichen zu setzen und stabilisierend zu wirken. Es ist in der Bundesrepublik Deutschland dadurch, dass wir, wie es so schön heißt, automatische Stabilisatoren haben wir haben die sozialen Sicherungssysteme nicht eingeschränkt, praktisch zu einer weiteren Konjunkturstimulierung gekommen, die dazu führt, dass die Verbraucherkraft bislang nicht bzw. kaum gesunken ist, was wiederum zu einer Verschiebung unserer Außenhandelsbilanz zugunsten der Importe führt. Das wiederum stärkt die Kaufkraft in anderen europäischen Ländern und ist für den Exporteur Deutschland nicht nur eine karitative Tat, sondern im Grunde dann wieder eine Stabilisierung unserer Exportkraft. Wir sind damit weltweit einer der wichtigsten Faktoren im Außenhandel.

Wir selber haben neben der Bankenrettung etwas unternommen, was vor allen Dingen Brücken im Bereich des Arbeitsmarkts baut. Ich komme gleich darauf zurück. Weil wir manchmal etwas komische Diskussionen führen, will ich Ihnen zu den Bankenrettungspaketen sagen, dass ich mir eigentlich nach dem Mauerfall nicht vorgestellt hatte, dass eine ganze Wirtschaftsbranche zu mir kommen und sagen könnte: Es gibt nur noch einen, der helfen kann, und das ist der Staat. Dass das Ganze nicht nur in Deutschland, sondern vor allen Dingen in anderen Ländern, im angelsächsischen Bereich, also sozusagen in den Mutterländern marktwirtschaftlichen Verhaltens passiert ist, ist eine historische Erfahrung, bei der ich glaube, dass wir uns keine Wiederholung leisten sollten.

Das verbinde ich mit der Bitte an Sie, dass Sie, die Sie oft aus Firmen kommen, die eine ganz lange Tradition haben, die Sie in langen Linien, in Familientraditionen denken, auch durchaus Ihre Stimme erheben, wenn es um eine bessere Regulierung der Finanzmärkte geht.

Ich bin immer wieder erstaunt, dass die innerwirtschaftliche Diskussion recht friedlich oder gar nicht verläuft, jedenfalls in der Politik nicht groß ankommt. Wir können das aber nicht alleine wuppen. Was das Wachstum anbelangt, sind wir vielleicht bald am Tiefpunkt der Krise angekommen, aber damit ist die Krise noch nicht vorbei. Wir müssen wieder aus der Krise herauskommen und wieder auf das Wachstumsniveau des Jahres 2008 kommen. Wir wissen alle, dass die Arbeitslosigkeit nachholend eintritt. Wir wissen, dass mit der Arbeitslosigkeit auch eine Auswirkung auf die Konsumgewohnheiten verbunden ist. Das heißt also, es wird weltweit so sein, dass ziemlich viele Menschen völlig unschuldig in eine Notsituation geraten, weil relativ wenige Menschen gemeint haben, dass sie risikoreiche Produkte vertreiben können.

Sie wissen, dass Marken davon leben, dass man sich auf sie verlassen kann. Marken leben davon, dass sie ein hohes Maß an Transparenz haben. Sie leben davon, dass jede Art von Veränderung ein Stück weit begründet wird und sehr langsam erfolgen muss. Was wir auf den internationalen Finanzmärkten erlebt haben, ist das glatte Gegenteil davon. Es ist eine Form von Hybris gewesen, zu glauben, dass man keinerlei Kontrolle der Produkte braucht, weil die allermeisten Menschen von den neuen Methoden der Finanzmärkte nichts verstehen. Die Intransparenz ging so weit, dass die Vertreiber der Produkte zum Schluss selbst fast nicht mehr wussten, was sie enthielten also das Gegenteil der Arbeit Ihres Verbandes.

Nun will ich Sie nicht aufhetzen. Ich will nur sagen: Die Politik alleine schafft das nicht. Wir haben die Banken nicht wegen der Banken an sich oder wegen der Banker gerettet, sondern wir haben sie wegen der Unternehmen wie den Ihren gerettet. Und wir haben sie gerettet, um die Spareinlagen zu sichern. Wenn mich Mittelständler fragen, was wir nach den Milliarden für die Banken nun für den Mittelstand machen, dann antworte ich: Unser erstes großes Programm ist schon vorbei; das war die Rettung des Finanzkreislaufs.

Wenn man es bildhaft sagt, sind die Banken vielleicht nicht mehr auf der Intensivstation. Aber die Reha haben sie immer noch nicht durchlaufen. Deshalb müssen wir uns wieder mit sehr langwierigen Fragen beschäftigen, wie wir zum Beispiel schlechte Produkte in Bad Banks auslagern und sozusagen Zeit für die Banken bereitstellen können, damit die Aktivitäten wieder richtig in Gang kommen.

Deutschland als ein starker Industriestandort und sicherlich nicht als ein überstarker Bankenstandort hat ein echtes Problem, weil sich die internationalen Banken erst einmal aus ihren Kreditgeschäften und wieder auf ihre nationalen Märkte zurückziehen, weil sie zum Teil selbst verstaatlicht sind und unter Auflagen und Restriktionen arbeiten. Hinzu kommt: Es gibt im Landesbankenbereich eine schwierige Situation in Deutschland. Und wir haben durch die Fusion von Dresdner Bank und Commerzbank nicht gerade eine Erweiterung unseres Kreditvolumens erlangt. Das heißt, wir stehen vor der Herausforderung, alles zu tun, um Kreditklemmen für diejenigen zu vermeiden, die Lust haben, in die Zukunft zu investieren. Dieser Aufgabe müssen wir uns stellen.

Das ist einer der Gründe dafür, dass wir ein Bürgschaftsprogramm mit ganz klaren Regeln aufgelegt haben. Diese Regeln heißen: Das Unternehmen muss im Sommer des Jahres 2008 als gesund eingestuft worden sein sicherlich im Einzelfall nicht immer trivial und es muss eine positive Fortführungsprognose haben. Das wird nicht aus irgendeiner politischen Laune heraus oder von irgendjemandem entschieden, der gerade jemanden gut kennt, sondern wir haben einen sehr divers zusammengesetzten Bürgschaftsausschuss, dem wir die Anträge zuerst geben und dessen Votum wir sehr ernst nehmen.

Das ist mir sehr, sehr wichtig, weil jetzt Folgendes passiert: Die Namen, die man kennt, gehen jeden Tag durch alle Medien. Die Mittelständler sind außerordentlich bedrückt und fragen: Wer hilft uns Kleinen? Der Parlamentarische Staatssekretär Schauerte, der heute Abend hier ist, hat neulich eine Pressekonferenz abgehalten und hat sehr wohl sagen können, wie vielen kleineren Unternehmen wir mit Bürgschaften helfen und geholfen haben. Aber als kleine Unternehmen werden sie nicht alle landesweit bekannt sein. Deshalb müssen wir sehr aufpassen, dass sich nicht ein Gefühl von Ungerechtigkeit und politischer Willkür ausbreitet. Ich werde dem jedenfalls mit aller Macht entgegenwirken. Das möchte ich Ihnen ganz deutlich sagen.

Meine Damen und Herren, wir stemmen uns gegen diese Krise. Wir setzen auf ein Infrastrukturprogramm und auf Investitionen in die Zukunft, vor allen Dingen in die Bildung. Ich glaube, das ist richtig für unser Land, denn wir werden ab Mitte des nächsten Jahrzehnts einen starken demographischen Einbruch erleben. Meine Voraussage ist, dass die Fachkräfte in Deutschland außerordentlich rar werden. Das heißt, eine gute Bildung, eine gute Ausbildung ist für uns alle von entscheidender Bedeutung.

Es wird nicht nur die Zahl der Jüngeren abnehmen im Verhältnis zu der erfreulichen Tatsache, dass die Menschen im Schnitt älter werden. Man muss auch feststellen, dass gleichzeitig die Zahl der Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund zunimmt. Wenn es uns im Bereich der Integration nicht gelingt, gleiche Bildungschancen und Bildungserfolge zu erreichen, werden wir noch größere Mühe haben, gut ausgebildete Fachkräfte zu bekommen.

Ich denke, dass Bildung und Innovation zu den Schlüsselthemen für Deutschland in der Zukunft zählen. Deshalb ist es so wichtig, dass wir jetzt schauen, dass uns der Schatz unseres Landes die Facharbeiter, die Fachkräfte, die Ingenieure, die Meister nicht wegläuft, nicht abhanden kommt, sondern dass wir auf der einen Seite über das

Mittel der Kurzarbeit Brücken bauen und auf der anderen Seite alles tun, um in Bildung und Forschung zu investieren.

Mit den Konjunkturpaketen sind auch steuerliche Erleichterungen und Abgabenerleichterungen verbunden. Wir müssen in zwei Bereichen aktiv werden. Das eine ist bereits gelungen. Es wird Veränderungen der Unternehmensteuerreform geben, was die prozyklischen Effekte anbelangt, die gerade in der Krise besonders sichtbar werden. Ich nenne nur die Worte Zinsschranke und Mantelkäufe, dann wissen Sie wahrscheinlich alle, wovon die Rede ist.

Wir arbeiten daran das ist in Europa ein sehr dickes Brett, das zu bohren ist, dass im Bereich von BaselII die prozyklischen Effekte gedämpft werden, denn es wird so sein: Wenn bestimmte Branchen krisenartig beurteilt werden, verschlechtert sich das Rating, steigen die Eigenkapitalanforderungen, sinken die Kreditvergaben wieder und wir geraten in eine durch BaselII erzeugte Kreditklemme.

In dieser Krise wird es natürlich darauf ankommen, dass wir uns weltweit ein einigermaßen vergleichbares Wettbewerbsfeld schaffen. Amerika hat BaselII sicherheitshalber nie eingeführt. Das heißt, die Amerikaner brauchen auch nicht die prozyklischen Effekte zu bekämpfen. Wir haben brav die Richtlinien umgesetzt und müssen nun mit diesen Dingen leben. Deshalb finde ich, dass wir schon schauen müssen, wer aus dieser Krise wie wieder herauskommt.

Ich weiß, dass es in einigen Feldern Marktbereinigungen geben wird, so zum Beispiel auf dem Automobilmarkt. Das spielt am heutigen Tag auch eine gewisse Rolle. Da geht es auch um eine Marke. Sind sie bei Ihnen Mitglied? Ich glaube nicht. Aber bald könnten sie es werden, weil sie selbständig werden. Ich werde ihnen sagen: Wenn der Trennungsbeschluss vollzogen ist, sollen sie erst einmal einen Aufnahmeantrag bei Ihnen stellen.

Das war das Beispiel Automobilindustrie. Es werden weltweit in verschiedenen Bereichen Marktbereinigungen stattfinden. Aber ich habe keine Lust darauf, während wir in Deutschland relativ gute Produkte erzeugen, mit ansehen zu müssen, dass die, die erkennbar schlechtere Produkte erzeugen, nur durch unglaubliche Staatshilfen man muss sich einmal angucken, wie viele Milliarden Dollar GM und Chrysler bekommen endlich bessere Produkte erzeugen können. Wir werden alle Möglichkeiten, die die WTO bietet, nutzen, um Protektionismus und einseitige Bevorteilung zu bekämpfen, weil uns das insgesamt zurückwerfen wird.

Wir sind der Meinung, dass durch die Soziale Marktwirtschaft ein Land geschaffen wurde, das erfolgreich und trotzdem nachhaltig wirtschaften konnte. Deshalb bin ich auch der Meinung, dass die Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft weltweit mehr Verbreitung finden müssen. Das, was für Sie alle selbstverständlich ist, muss die Grundlage weltweiten Wirtschaftens werden. Deshalb bin ich der Meinung, dass wir hieran arbeiten müssen. Ich habe vorgeschlagen die G20 -Länder haben das aufgenommen, dass wir zu einer Charta für nachhaltiges Wirtschaften kommen. Das heißt, dass wir uns auf Prinzipien einigen, mit denen wir endlich lernen, nicht dauerhaft über unsere Verhältnisse zu leben.

Damit bin ich bei einem Thema, das uns in diesen Tagen politisch auch sehr beschäftigt. Das ist die so genannte Schuldenbremse. Ich denke, wir werden sie am Freitag verabschieden. Dieser Beschluss, den wir herbeigeführt haben, wäre ohne die Krise wahrscheinlich nicht gefallen. Das heißt, die Erschütterung darüber, in welcher Weise wir jetzt in die Verschuldung gehen müssen, um dieser Krise etwas entgegenzusetzen, hat zu der politischen Einsicht geführt, dass wir in wirtschaftlich normalen Zeiten wieder schnell zu einer vernünftigen Haushaltsführung zurückkommen müssen.

Wenn ich sage "schnell", ist das ein bisschen euphemistisch. Wir haben seit den 60er Jahren immer mehr ausgegeben, als wir eingenommen haben. Diese Bundesregierung hätte es geschafft, dass wir im Jahre 2011 zum ersten Mal einen ausgeglichenen Bundeshaushalt gehabt hätten. Jetzt ist diese Krise dazwischen gekommen. Und so müssen wir wieder daran arbeiten, dass es nach der Krise nicht wieder irrsinnig hohe strukturelle Defizite gibt. Das Problem ist weniger, dass wir in der Krise einmalig sehr viel ausgeben. Die Gefahr ist, dass daraus strukturelle Fragen werden, die sich wieder über Jahre und Jahrzehnte fortschleppen. Wir zahlen auf der Bundesebene jetzt schon rund 15 Cent Zinsen pro Euro an Staatseinnahmen. Wir können es unseren Kindern und Kindeskindern nicht zumuten, dass diese Zahl immer weiter steigt.

Deshalb wird die Frage, wie wir Wachstum generieren, so gestellt werden müssen, dass es nachhaltiges Wachstum ist. Wachstum darf nicht die Legitimation für immer größere Schulden und immer größere Risiken sein. Das ist eine der Ursachen dieser Krise. Darüber gibt es weltweit eine sehr spannende Diskussion: Muss ich jetzt nicht wieder Wachstum um jeden Preis erzeugen, damit ich erst einmal aus der Krise herauskomme? Oder muss ich doch den Gedanken der Nachhaltigkeit immer im Auge haben? Denn die Erfahrung lehrt, dass man auch nach Krisen nicht wieder auf einen vernünftigen Pfad zurückgekommen ist. Ich denke, dass die Erfahrung, die wir mit der Sozialen Marktwirtschaft machen sollten und können, ist, dass Nachhaltigkeit heute zu einer modernen Wirtschaft dazugehört.

Nun stehen Sie auch in Nicht-Krisenzeiten vor verschiedenen Herausforderungen. Ich will nur das Thema Produkt- und Markenpiraterie nennen. Wir glauben, dass hier jährlich mindestens ein Schaden von 25Milliarden Euro entsteht. Deshalb können wir nicht einfach tatenlos zuschauen. Das Thema "Schutz des geistigen Eigentums" ist ein ganz entscheidendes Thema. Wir haben das so genannte Durchsetzungsgesetz am 1. September 2008 in Kraft gesetzt. Es erleichtert hoffentlich den Inhabern geistigen Eigentums, ihre Rechte gerichtlich besser durchzusetzen.

Aber der sicherlich noch größere Punkt ist die weltweite Produktpiraterie. Wir verhandeln als Europäische Union zurzeit mit Amerika, Japan und anderen Handelspartnern über das weltweit erste internationale Abkommen speziell gegen Produktpiraterie. Der deutsch-chinesische Rechtsstaatsdialog hat sich zum Beispiel intensiv mit den Fragen des geistigen Eigentums und des Schutzes vor Produktpiraterie befasst. Es ist auch eine Frage des Lernens und der Kultur.

Eine Begebenheit werde ich nicht vergessen. Als wir die G8 -Präsidentschaft innehatten, hatten wir Jugendliche eingeladen. Mich hat die Vertreterin Chinas, eine junge Studentin, gefragt, ob es nicht so sei, dass man, wenn man noch nicht so reich sei, ein bisschen stibitzen darf. Sie sagte, dass das nicht so richtig Diebstahl sei und dass man dann, wenn man reicher wäre, zum Pfad der Tugend zurückkehren könne. Ich habe gesagt, dass es aus meiner Sicht nie den Punkt gibt, an dem man glaubt, dass man reich genug ist, dass man nicht mehr Piraterie betreiben muss, weshalb ich empfehle, sofort davon Abstand zu nehmen.

Es gibt in China durchaus interessante Entwicklungen, weil gerade an den Universitäten in China versucht wird, alles, was man sich denkt und erforscht, als geistiges Eigentum zu deklarieren. Dort gibt es gerade den überschießenden Effekt, dass man versucht, jede Variante von irgendetwas oder jeden neuen Gedanken in geistiges Eigentum zu gießen und daraus ein langlebiges Recht zu machen. Das ist immerhin eine Bewegung. Ich glaube, dass das ein weltweites kulturelles Verständnis werden muss, was zum Beispiel auch zu einem nachhaltigen Wirtschaften dazu gehört. Der Respekt vor dem geistigen Eigentum setzt sich fort im Urheberrecht und in vielen anderen Bereichen, wo wir im Augenblick erhebliche Kämpfe führen.

Sie brauchen nicht nur einen zuverlässigen Schutz für Ihre geistigen Entwicklungen und Ihre Marken das ist vollkommen klar, sondern Sie brauchen auch einen Schutz vor zu vielen Eingriffen und vor Gängelung des Kunden. Auch das ist ein sehr weites Feld, das wir zu beackern haben. Bald findet die Europawahl statt. Wir reden in diesen Tagen sehr viel über die Europäische Union. Ich glaube, ihre Aufgabe liegt in der Zukunft vor allen Dingen darin, uns eine Stimme bei der Umsetzung unserer Wertvorstellungen zu geben ob das beim Klimaschutz, beim freien Handel oder bei der Umsetzung der Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft ist. Ihre Aufgabe liegt weniger darin, sich nach innen unentwegt neue Richtlinien zu überlegen, mit denen man das Leben eher nicht einfacher macht.

Unser letzter siegreicher Kampf bezog sich auf die Frage von Salz und Brot. Wie viel Salz darf im Brot sein? Ist das deutsche Brot nicht schon seit Jahrhunderten ungesund? Muss man das nicht unbedingt sofort ändern? Wir haben das abwenden können. Aber Sie wissen auch, dass im Bereich der Werbung und im Bereich der Produktkennzeichnung erhebliche Probleme vor uns liegen.

Die Tatsache, dass es in Europa vornehmlich Mehrheitsentscheidungen gibt, hat den Stand Deutschlands nicht erleichtert. Manchmal ist es so, dass wir leicht Verbündete finden, wenn wir etwas wollen. Aber manchmal sehnt man sich die Veto-Möglichkeit herbei, weil man dann ganz einfach etwas aufhalten könnte.

Ich glaube, dass wir uns einig sind, dass Überregulierung bekämpft werden muss. Regelungen mit Augenmaß sind auch für die Kennzeichnung von Lebensmitteln notwendig. Jeder wird einsehen, dass zum Beispiel Allergiker bestimmte Hinweise brauchen. Aber eine erweiterte Nährwertinformation, die den Kunden mehr irritiert, als dass er davon noch etwas hätte, sollte aus meiner Sicht vermieden werden. Ich persönlich bin auch sehr, sehr skeptisch, ob man die Leute mit roten, gelben oder grünen Punkten dazu bringt, sich anders zu verhalten. Letztlich müssen wir auch ein Stück weit auf den mündigen Verbraucher setzen. Wenn der Staat jedes Risiko eindämmen will, ist auch jede Freiheit verloren. Auch das muss man sich immer wieder vor Augen führen.

Wichtig ist und das interessiert sicherlich die Menschen im 21. Jahrhundert immer mehr die Frage nach der Herkunft der Produkte, nach ihrer ökologischen Qualität und den sozialen Kosten der Produktion. Bundespräsident Horst Köhler hat das einmal das "zweite, unsichtbare Preisschild" genannt. Ich freue mich, dass die Frage von umweltschonenden Produkten und eines fairen Umgangs mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine wirklich gute Resonanz findet.

Ich bedanke mich beim Markenverband auch für die Mitwirkung bei der "Charta der Vielfalt", deren Schirmherrschaft ich übernommen habe. In diesem Bereich sind bereits über 600Unternehmen mit mehr als vier Millionen Beschäftigten beteiligt und haben damit eine Selbstverpflichtung übernommen, sich zu einer Unternehmenskultur zu bekennen, in der Vielfalt als Wettbewerbsfaktor anerkannt wird. Ich komme damit zurück zu der Frage der Integration, der Vielfalt von Älteren zusammen mit den Jüngeren, von Migrantinnen und Migranten zusammen mit denen, die schon lange hier leben.

Meine Damen und Herren, wir setzen als Bundesregierung auf Sie, weil Sie etwas können, was wir gar nicht können. Wir wollen natürlich auch als eine gut arbeitende Regierung erkannt werden. Daran arbeiten wir noch. Wir sind insoweit auch ein Markenprodukt nicht ganz so langlebig wie Ihre Marken, weil wir uns alle vier Jahre einer Wahl stellen müssen. Aber wir wissen, was bei Ihnen geleistet wird und wie Sie letztendlich durch Ihre langlebigen Marken einen Beitrag zur Tradition, zur Geschichte unseres Landes leisten.

Gerade im 60. Jahr dieser Bundesrepublik Deutschland, in der wir alle miteinander ein Stück stolz darauf sein können, was wir geschafft haben, ist Ihre Arbeit völlig unverzichtbar. Bleiben Sie weiter richtig gute Marken! Sagen Sie im markigen Ton, wenn Ihnen etwas missfällt, aber immer freundlich und kulant! Setzen Sie sich auf der Welt weiter durch, denn Sie sind mit Ihren Exportprodukten auch so etwas wie eine Visitenkarte für unser Land und damit ein Anreiz für andere, uns manchmal zu besuchen!

Herzlichen Dank, dass ich heute dabei sein durfte! Alles Gute auch in schwierigen Zeiten für Sie, für Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und immer viel Kreativität, viele Ideen, Standfestigkeit und eine tiefe Verwurzelung in der Geschichte der deutschen Marken!

Herzlichen Dank!