Redner(in): Bernd Neumann
Datum: 08.06.2009

Untertitel: "Sie sind zwei Künstlern gewidmet, die ohne jeden Zweifel zu den bedeutendsten ihrer Zunft gehören: Emil Steinberger und Vicco von Bülow".
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Rede/2009/06/2009-06-08-neumann-kabarettarchiv,layoutVariant=Druckansicht.html


als Politiker über Satire zu sprechen ist nicht einfach, zumal der Politiker sicherlich am häufigsten das Objekt der Satire ist. Bei diesem Versuch gerät man schnell in die Nähe des ehrgeizigen Amateurs, der dem Könner natürlich nicht das Wasser reichen kann. Groß ist auch die Gefahr, vollends dem von Loriot so meisterhaft gezeichneten Bild des Politikers zu gleichen und das auch noch ungnädigerweise selbst zu bemerken! Werner Finck, der hier ja auch mit einem "Stern der Satire" verewigt ist, hatte schon Recht, als er formulierte: "Die schwierigste Turnübung ist immer noch, sich selbst auf den Arm zu nehmen."

Ich will sie darum auch gar nicht versuchen, sondern lieber gleich ins ernste Fach wechseln.

Es gibt gewichtige Gründe, das Kabarett sehr ernsthaft zu würdigen. Manche nennen es "Kleinkunst" kein Begriff könnte mehr in die Irre führen! Kabarett und Satire sind mehr als bloße Unterhaltung und bringen nicht selten große Kunst hervor, Meisterwerke, die uns zutiefst berühren, wachrütteln und uns den Spiegel vorhalten, in dem wir uns mit einem lachenden und einem weinenden Auge selbst erkennen.

Das Deutsche Kabarettarchiv belegt dies überaus eindrucksvoll. Ich habe mich eben bei einem Rundgang davon überzeugen können, welche kulturhistorischen Schätze hier archiviert sind. Sie dokumentieren nicht nur die Geschichte des deutschsprachigen Kabaretts, sondern geben auch faszinierende Einblicke in die Entwicklung von Literatur, Musik und Film.

Das deutsche Kabarettarchiv ist einzigartig und deshalb von nationaler Bedeutung, so dass der Bund zu Recht maßgeblich zu seiner Finanzierung beiträgt. Das wird auch in Zukunft so bleiben!

Meine Damen und Herren,

es mir eine große Ehre, heute zwei "Sterne der Satire" stiften zu können. Sie sind zwei Künstlern gewidmet, die ohne jeden Zweifel zu den bedeutendsten ihrer Zunft gehören: Emil Steinberger und Vicco von Bülow, besser bekannt als Loriot.

Verehrter Herr Steinberger,

in Ihren Programmen verkörpern Sie den Durchschnittsbürger überaus glaubhaft leutselig, durchaus sympathisch, aber auch ungeheuer abgründig. Sie nutzen ihre perfekte Maske, um mit hintersinnigem Witz die Absurditäten des Alltags auf den Punkt zu bringen.

Ihre Geschichten sind nie mit Bedeutungsschwere überladen, und dennoch klingt zwischen den Zeilen immer eine existenzielle Dimension an. Als Meister des Doppelbödigen gelingt es Ihnen immer wieder, Ihr Publikum zu faszinieren in drei Sprachen und weit über die Grenzen der Eidgenossenschaft hinaus. Mit Ihrem Werk haben Sie über Jahrzehnte hinweg eine humoristische Verbindung zwischen der Schweiz und Deutschland geschaffen. Vielleicht sollten wir uns darauf wieder mehr besinnen, als die Beziehungen zwischen unseren Ländern mitunter zu sehr auf fiskalische Friktionen zu reduzieren. Wie auch immer Sie selbst Ihre Rolle als Kulturbotschafter sehen: Zum "Stern der Satire" gratuliere ich Ihnen sehr herzlich! Betrachten Sie diese Auszeichnung als Ehrung für Ihr Werk, aber bitte auch als Anstiftung zu weiteren Programmen und Tourneen! Wir wollen mehr von Ihnen hören und sehen!

Mein Damen und Herren,

Vicco von Bülow kann heute leider nicht bei uns sein. Ich möchte Ihnen dennoch einen ganz herzlichen Glückwunsch zurufen, lieber Loriot! Vicco von Bülow hat das, was man vielleicht "deutschen Humor" nennen könnte, ganz entscheidend geprägt. Er hat eine ganze Nation zum Lachen gebracht und das gilt für Ost- und Westdeutsche gleichermaßen. Auch in der DDR waren Loriots Cartoons beliebt und begehrt. Viele der Wendungen Loriots sind längst sprichwörtlich geworden. Und Vieles ist prägnanter nie gesagt worden als von ihm. Erst vor wenigen Wochen, bei der Verleihung des Deutschen Filmpreises für sein filmisches Lebenswerk hatte ich das Glück, Loriot persönlich zu begegnen.

Seine Rede und seine schiere Präsenz haben uns alle im Publikum fast zu Tränen gerührt Tränen der Rührung und der Heiterkeit. Ich wünsche Vicco von Bülow von Herzen alles Gute!

Sterne stehen üblicherweise am Himmel, die Sterne der Satire aber sind etwas ganz und gar Irdisches und nichts Abgehobenes. Es ist eine gewisse Bodenhaftung, die es Vicco von Bülow und Emil Steinberger erlaubt, den Menschen so nahe zu kommen, dass unsere Verletzlichkeit und Nöte, unsere Unzulänglichkeiten und unfreiwillig komischen Seiten offen zutage treten. Beide sind begnadete Beobachter, beide bringen uns zum Lachen über unsere menschlichen Schwächen, aber sie machen uns nicht lächerlich. Dies ist ein feiner Unterschied, der neben vielen anderen Qualitäten einen großen Satiriker ausmacht.

Ich freue mich sehr, dass wir heute zwei dieser großen Künstler würdigen, deren Werk zu einem wichtigen Teil unserer Kultur geworden ist.

Danke.