Redner(in): Bernd Neumann
Datum: 09.06.2009

Untertitel: Mit der internationalen Konferenz "Kunst der Vermittlung Vermittlung der Kunst" und der ersten Verleihung des Preises für kulturelle Bildung wurdeoffiziell der neue Schwerpunkt"Kunst- und Kulturvermittlung in Europa" der Stiftung Genshagen eingeweiht. An der Konferenz nahmen neben Kulturstaatsminister Bernd Neumann unter anderem auch derpolnische Minister für Kultur und Nationales Erbe, Bogdan Zdrojewski, und der französische Botschafter Bernard de Montferrand teil.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Rede/2009/06/2009-06-09-neumann-genshagen,layoutVariant=Druckansicht.html


ich begrüße Sie herzlich im Namen der Bundesregierung im schönen Schloss Genshagen. Heute schlagen wir ein neues Kapitel in den kulturellen Beziehungen zwischen Polen, Frankreich und Deutschland auf. Schloss Genshagen ist bereits seit fünfzehn Jahren ein Ort des Dialogs, ein Haus der Begegnung, und der Stiftungszweck als Gesamtrahmen bleibt - nämlich: Im Dialog zwischen Politik und Zivilgesellschaft die Zusammenarbeit von Deutschland, Frankreich und Polen im europäischen Kontext zu fördern. Doch mit der internationalen Konferenz und der ersten Verleihung des Preises für kulturelle Bildung wird heute offiziell der neue Schwerpunkt "Kunst- und Kulturvermittlung in Europa" eingeweiht, der unsere Nationen auf diesem Gebiet noch näher bringen wird. Dazu haben wir in den vergangenen eineinhalb Jahren die Stiftung Genshagen reformiert.

An dieser Stelle geht mein besonderer Dank an das Land Brandenburg, vertreten durch Herrn Staatssekretär Dr. Harms. Als Mitstifter sind Sie den Weg der Reform mit uns gegangen und tragen die Neuausrichtung der Stiftung aktiv mit. Es ist ein gutes Zeichen, dass Bund und Land gemeinsam zu ihrer Verantwortung auch in Fragen kultureller Bildung stehen.

Sie liebe Frau Hartmann-Fritsch darf ich als Gastgeberin, Mitveranstalterin dieser Konferenz und verantwortliches Vorstandsmitglied für "Kunst- und Kulturvermittlung in Europa" in der Stiftung Genshagen herzlich begrüßen. Sie haben erst vor zwei Monaten Ihre Arbeit hier aufgenommen, sind aber in Fragen der kulturellen Bildung wie im Bereich des deutsch-französischen und europäischen Austauschs kein unbeschriebenes Blatt.

Botschafter de Montferrand bezeichnete Sie jüngst anlässlich der Verleihung des französischen Verdienstordens an Sie als große Freundin Frankreichs und begeisterte Verfechterin des internationalen Dialogs im künstlerischen und kulturellen Bereich ". Auch zu Polen haben Sie enge Kontakte. Ich wünsche Ihnen gemeinsam mit Ihrem hauptamtlichen Vorstandskollegen Dr. Martin Koopmann, der für den anderen Schwerpunkt der Stiftung, den" Europäischen Dialog ", besondere Verantwortung trägt, eine glückliche Hand.

Meine Damen und Herren,

Kunst und Kultur sind von ihrem Wesen her auf den Dialog angewiesen. Was wäre eine Symphonie, wenn niemand sie hörte, was ein Kunstwerk, das niemand betrachtet? Doch die Sprache der Kunst ist nicht immer einfach verständlich und jedermann sofort zugänglich. Sie muss, wie jede andere Sprache auch, erst gelernt werden.

Ich freue mich, dass Sie so zahlreich zu unserer Konferenz "Kunst der Vermittlung Vermittlung der Kunst" erschienen sind, die sich mit eben jener Frage befasst: Wie die Musik ihre Hörer und die bildende Kunst ihre Betrachter findet, kurz wie Kultur an weitere Kreise vermittelt werden kann als dies bislang der Fall ist. Dies ist eine ständige Aufgabe und Herausforderung - nicht nur für unsere Kultureinrichtungen, sondern für unsere Gesellschaft als Ganzes. Sie stellt sich besonders im Hinblick auf die junge Generation.

Unsere heutige Tagung ist so konzipiert, dass der Einblick in die Praxis im Vordergrund steht. Daher werden heute Nachmittag Modellprojekte aus Deutschland, Frankreich, Polen und England präsentiert. Wir wollen damit Handlungsorientierung und praktische Hinweise für den Alltag der Kulturvermittlung geben.

Mit dieser Konferenz knüpfen wir an eine Arbeitstagung zur kulturellen Bildung im November 2007 im Jüdischen Museum an, in der es unter dem Motto "Neue Wege erschließen" um die Frage ging, welche Möglichkeiten insbesondere für uns auf nationaler Ebene bestehen, nachhaltige und produktive Impulse für die kulturelle Bildung in unserem Land zu geben. Zur Erläuterung für unsere Freunde aus Frankreich und Polen, wo es andere administrative Strukturen gibt:

Fast alles, was mit kultureller Bildung zusammenhängt, ob in Schulen, in außerschulischen Vereinen oder in Kultureinrichtungen, fällt in Deutschland unter die Verantwortung von Ländern und Kommunen und wird von diesen weitgehend finanziert. Das soll und muss auch so bleiben. Doch der Bund sieht sich in einer übergreifenden Mitverantwortung insbesondere auch als Impulsgeber. Deshalb habe ich die kulturelle Bildung gleich zu Beginn meiner Amtszeit zu einem Schwerpunkt meiner Arbeit gemacht.

Ich sehe in der kulturellen Bildung eine unverzichtbare Grundlage, die Menschen befähigt, die Gesellschaft aktiv mitzugestalten. Die Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur prägt Persönlichkeit und Identität, sie vermittelt Werte und Orientierung, sie nimmt Einfluss auf die individuelle Entwicklung die Entwicklung der Sinne, der kreativen Fertigkeiten und die Stärkung der sozialen Kompetenz. So fördert z. B. gemeinsames Musizieren die soziale Bindung in Schulklassen maßgeblich.

Die von meinem Haus finanzierte Kulturstiftung des Bundes fördert im Rahmen der Kulturhauptstadt Europas Ruhr 2010 das Projekt "Jedem Kind ein Instrument" mit 10 Mio. Euro. Es ermöglicht jedem Grundschulkind, ein Instrument seiner Wahl zu erlernen. Das Pilotprojekt hat mittlerweile schon viele Nachahmer in anderen Bundesländern gefunden. Dies ist eines der vielen Projekte kultureller Bildung, die die Kulturstiftung des Bundes mit ihrem neuen Programmschwerpunkt fördert.

Doch auch in einem anderen Bereich meiner Arbeit, den Medien, spielen kulturelle Bildung und Vermittlung eine zentrale Rolle.

Medienkompetenz ist eine Schlüsselqualifikation der Zukunft, ihre Verbesserung ist darum eine zentrale gesellschaftspolitische Aufgabe. Junge Menschen müssen lernen, wie sie mit der Fülle und Vielfalt der Medien adäquat umgehen können.

Vor wenigen Wochen haben wir im Bundeskanzleramt zum ersten Mal den Preis der "Nationalen Initiative Printmedien" verliehen. Diese gemeinsame Aktion von allen Verlagen und Verantwortlichen im Printmedienbereich, die wir initiiert haben, soll jungen Leuten die Notwendigkeit des Lesens von Zeitungen und Zeitschriften nahe bringen.

Zeitungen und Zeitschriften haben auch im digitalen Zeitalter ihre klassische Rolle nicht verloren. Wer in unserer Gesellschaft mitgestalten will, bleibt zusätzlich zum Internet auf das gedruckte Wort angewiesen. Es ist ein wichtige Aufgabe, dies Kindern und Jugendlichen zu vermitteln.

Doch wir können auch nicht davor die Augen verschließen, dass digitale Medien im Leben der Kinder eine große Rolle spielen. Mit dem "Netz für Kinder" hat die Bundesregierung gemeinsam mit den führenden Unternehmen der Telekommunikation einen sicheren Surfraum für Kinder und Jugendliche geschaffen, der ständig durch neue Angebote attraktiver wird. Das Netz für Kinder ist ein Multiplikator auch für Initiativen der kulturellen Bildung. Nutzen Sie die Chance, die "Ein Netz für Kinder" als Plattform für hochwertige Kinderangebote im Internet bietet! Schon jetzt sind

dort etwa die Jugendprojekte der Stiftung Weimarer Klassik oder der Stiftung Preußischer Kulturbesitz vertreten. Gerne wird auch Ihr Projekt dort eingestellt.

Heute wollen wir uns aber vor allem auf die kulturell-künstlerische Vermittlung konzentrieren. Die bereits erwähnte Arbeitstagung im Jüdischen Museum wurde für uns von Prof. Max Fuchs, dem Präsidenten des Deutschen Kulturrates, ausgewertet. Die Ergebnisse können Sie übrigens auch detailliert auf unserer Website nachlesen. Wir haben uns aus der Fülle der Vorschläge auf zwei Aspekte konzentriert. Der eine ist, die kulturelle Bildung als Querschnittsaufgabe der Kulturförderung meines Hauses zu stärken. Aus diesem Grund wird seit Herbst 2008 in alle Förderbescheide ein Passus aufgenommen, in dem die aktive kulturelle Vermittlungsarbeit als Ziel formuliert und für die Erfolgskontrolle durch die Aufsichtsgremien festgeschrieben wird. Bereits im vergangenen Jahr habe ich mich außerdem in einem Schreiben an die Direktoren von 30 Kultureinrichtungen gewandt, die von meinem Haus dauerhaft gefördert werden, mit der Bitte, bei der Intensivierung ihrer kulturellen Vermittlungsarbeit auch die Reduzierung ggf. vorhandener finanzieller Hemmschwellen zu prüfen und neue Modelle bei den Eintrittspreisen zu erproben.

Heute Abend verleihen wir erstmalig Preise für kulturelle Bildung. Hiermit wollen wir bundesweit ein Signal für die Bedeutung der kulturellen Bildung setzen und gleichzeitig besondere, vorbildliche Projekte prämieren.

Sie sehen, meine Damen und Herren, wir haben inzwischen einiges bewegt.

Neben dem gerade erläuterten, übergreifenden Ziel, die künstlerische und kulturelle Vermittlung als integralen Aspekt der Kulturförderung zu stärken, gibt es noch ein zweites. Dieses besteht darin, die Vernetzung der Akteure zu befördern und zwar nicht nur zwischen Bund, Ländern und Kommunen, zwischen schulischen, außerschulischen und kulturellen Institutionen in Deutschland, sondern vor allem auch in der Europäischen Union. Der Blick über die Grenze ist ein Blick über den eigenen Tellerrand. Nutzen wir die Chance, voneinander zu lernen.

Wenn z. B. in Polen Schulklassen scharenweise durch Museen drängen, wenn in Frankreich nach einer längeren Pilotphase seit wenigen Wochen in staatlichen Museen der Eintritt für unter 26jährige frei ist, dann sind das auch für uns gute Beispiele und Anregungen. Es ist kein Zufall, dass das Thema kulturelle Bildung von meinen Amtskollegen in Frankreich und Polen nahezu zeitgleich zu mir zu einem Schwerpunkt erklärt wurde. Der Kulturministerrat in Brüssel hat kürzlich eine Arbeitsgruppe zur kulturellen Bildung eingerichtet, an der neben den Bundesländern auch mein Haus mitwirkt.

Mit der Agenda zur Europäischen Kulturpolitik und dem Ratsarbeitsplan Kultur 2008 - 2010 haben sowohl die Europäische Kommission als auch die europäischen Kulturminister die kulturelle Bildung zu einem Thema in Brüssel gemacht. Wichtig ist allerdings, dass wir über den Informationsaustausch hinaus kommen und auch konkrete Initiativen folgen.

Es fehlt ja weniger an Erkenntnis als vielmehr an der Umsetzung! Unser Ziel ist daher, dass gerade hier in der Stiftung Genshagen konkrete Kooperationsprojekte kultureller Bildung verwirklicht und stabile Netzwerke praktischer Zusammenarbeit geknüpft werden.

Vor zwei Tagen fanden die Wahlen zum Europäischen Parlament statt. Die Wahlbeteiligung war erneut erschreckend gering. Wollen wir ein Europa der Bürger aufbauen, so kommt es darauf an, Bindekräfte zu mobilisieren und ein Gefühl der Zugehörigkeit zu vermitteln. Was könnte uns mehr verbinden als unsere in über zweitausend Jahren gewachsene gemeinsame europäische Kultur? In kulturellen Fragen, so sagte einst Kulturkommissar Figel, ist Europa eine Supermacht. Wie sollte da nicht auch die Aufgabe, den kulturellen Reichtum Europas zu vermitteln, eine gemeinsame europäische sein?

Nur auf dem Fundament der Kultur kann eine gemeinsame europäische Identität, ein Zusammengehörigkeitsgefühl der Bürger entstehen. Und nur wenn wir die junge Generation erreichen, wird unser Kulturerbe auch für die Zukunft lebendig bleiben. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen anregende Diskussionen und einen interessanten Tag in Genshagen!