Redner(in): Angela Merkel
Datum: 06.07.2009

Untertitel: In Saarbrücken
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Rede/2009/07/2009-07-06-merkel-saarbr_C3_BCcken,layoutVariant=Druckansicht.html


Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, lieber Peter Müller,

Herr Weber,

Herr Kirf,

Herr Weisweiler,

meine Damen und Herren aus dem Saarland und liebe Gäste,

ich möchte mich ganz herzlich für die Einladung bedanken, denn diese Festveranstaltung ist etwas Besonderes. Sie ist sozusagen auch die natürliche Fortsetzung meiner Anwesenheit am 1. Januar 2007, als wir den 50. Jahrestag des politischen Beitritts des Saarlandes zur Bundesrepublik feierlich begangen haben. Schon damals habe ich mich intensiv mit der "kleinen" Wiedervereinigung befasst, die mich natürlich insoweit enttäuscht hat, als ich bislang die "große" für die einzige Wiedervereinigung gehalten hatte, aber aus der man doch vieles lernen kann. Nun bin ich auch heute mit dabei, wenn die Vollendung dieser "kleinen" Wiedervereinigung in Form der wirtschaftlichen Rückgliederung gefeiert wird. Dass ich zweimal im Saarland bin, vor kurzem auch beim Festakt "60Jahre Bundesrat", darf durchaus als ein Bekenntnis zum Bundesland Saarland gewertet werden.

Dies ist ein volkswirtschaftlicher Geburtstag. Dazu hat Herr Professor Hüther ja schon das Notwendige gesagt. Dieses Jubiläum reiht sich ein in ein Jubiläumsjahr, wie es die Bundesrepublik nicht oft hat: Am 23. Mai haben wir "60Jahre Grundgesetz" gefeiert, dann "60Jahre Bundesrat" und am 9. November werden wir noch den 20. Jahrestag des Mauerfalls feierlich begehen und uns alle gemeinsam darüber freuen, dass der zweite Teil der Wiedervereinigung gelingen konnte.

Sie alle wissen, dass das Saarland eine Spezifität dahingehend hat, dass 1949 das Grundgesetz hier noch keine Gültigkeit hatte. Das Saarland war ein französisches Protektorat, aber es hatte eine eigene Regierung, eine Verfassung und, wie ich gelernt habe, eine Fußball-Nationalmannschaft, also nicht nur einige eigene Marken, sondern durchaus auch einiges Wichtiges. Es war schon seit jeher eine der wichtigsten europäischen Montan- und Industrieregionen und damit im Grunde auch immer ein Zankapfel zwischen Deutschland und Frankreich, woraus später aber ein besonderer Impetus zur europäischen Einigung erwuchs. Zunächst wollte Frankreich das Saarland in sein Staatsgebiet eingliedern. Dies scheiterte am Widerstand der übrigen Besatzungsmächte. Frankreich verfolgte dann den Weg einer engen wirtschaftlichen Anbindung. Das war zum Beispiel im Wechselkurs zwischen dem Saar-Franken und dem Französischen Franc sichtbar, der auf eins zu eins justiert war.

Aber die Saarländer hatten ihren eigenen Willen das ist bis heute nicht völlig verloren gegangen. Insofern sprachen sie sich schließlich mit einer Zweidrittelmehrheit gegen das europäische Saarstatut aus. Das war wirklich das ist ja hier mehrfach beschrieben worden eine heikle politische Situation. Wenn man sich einmal in die Lage der verschiedenen politisch Verantwortlichen hineinversetzt, auch in die Rolle des Bundeskanzlers Adenauer, dann weiß man, dass das mit besonderer Klugheit gehandhabt werden musste. Deshalb ist unseren französischen Freunden wirklich zu danken, dass aus dieser Situation kein weiterer Krach zwischen Deutschland und Frankreich wurde, sondern dass das Ganze zum Schluss akzeptiert wurde. Von dieser Stelle auch von mir noch einmal ein herzliches Dankeschön. Es war die Unumkehrbarkeit der Lehren aus dem Zweiten Weltkrieg, die eben nicht nur von uns, sondern auch von Frankreich als alternativlos anerkannt wurde. Für die Wahrnehmung dieser historischen Verantwortung muss man immer wieder danken und auch den jungen Menschen sagen, dass das alles andere als selbstverständlich war.

Nachdem auf politischer Ebene die Hand zur Versöhnung ausgestreckt war, fand ein langer Prozess der schwierigen Umorientierung der saarländischen Wirtschaft auf den deutschen Markt statt. Es ist in der Tat interessant, dass man, wenn man einmal die "kleine" Wiedervereinigung und die Wiedervereinigung mit den neuen Bundesländern miteinander vergleicht, sehen kann, dass bestimmte strukturelle Anpassungen die gleichen Probleme aufwerfen. Aber der "Tag X", als die Zollgrenzen zu Deutschland fielen, war sicherlich herbeigesehnt. Am 6. Juli 1959 war es dann so weit.

Ich erinnere mich noch genau an einen anderen Tag X, nämlich den 1. Juli 1990, als die Wirtschafts- und Währungsunion zwischen der Bundesrepublik und der DDR in Kraft trat. Danach sank der Anteil der Beschäftigten in der Landwirtschaft in der ehemaligen DDR von rund 13Prozent ziemlich rasant auf etwa 2, 5Prozent, also auf einen Anteil, der einem modernen westlichen Industrieland entspricht. Wir haben in den ländlichen Regionen der neuen Bundesländer auch heute noch mit strukturellen Problemen zu kämpfen. Ich kann mir deshalb auch die damaligen Schwierigkeiten im Saarland gut vorstellen. Ich denke, der Tag X wurde Tag X genannt, weil erst zwei Tage zuvor angekündigt wurde, dass man dieses Datum zur Einführung der D-Mark als gesetzliches Zahlungsmittel nehmen wird.

Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard hat damals in einer Radioansprache gesagt: "Was in diesen Tagen hier im Saarland geschieht, kann zuversichtlich als ein weiterer Schritt auf dem Wege zur Schaffung eines geeinten Europas gelten. … Die Klammer und die Freundschaft zwischen Frankreich und Deutschland werden dadurch noch stärker werden." Man hat also diesen gesamten Prozess als einen wichtigen Nukleus für die europäische Einigung gesehen.

In der Tat: Die politische und wirtschaftliche Eingliederung des Saarlandes in die Bundesrepublik Deutschland können wir heute als eine Sternstunde des europäischen Einigungsprozesses beschreiben. Ich bin deshalb Peter Müller auch sehr dankbar dafür, dass er hier noch einmal darauf hingewiesen hat, dass die Umsetzung des Lissaboner Vertrags des Vertrags, der ein jetzt viel größeres Europa handlungsfähiger machen soll natürlich auch in der politischen Kontinuität des Saarlandes liegt und dass sich das Saarland dafür einsetzen wird. Ich werde das genauso tun, indem wir die notwendigen Beteiligungen von Bundestag und Bundesrat im Begleitgesetz schnell umsetzen und keinerlei Zweifel daran aufkommen lassen werden, dass die Integration Europas eine historische Notwendigkeit ist, ein historisches Muss auch zu unserem Vorteil. Ich danke dem Saarland für seine Unterstützung.

Das Saarland ist auch heute offensichtlich ein sehr aktiver Teil der Euroregion Saarland-Lothringen-Luxemburg. Viele Berufspendler aus den Nachbarregionen machen das Zusammenleben zu einem ganz selbstverständlichen Umstand. Sehr viel hat sich getan im Hinblick auf eine mitteleuropäische Verkehrsdrehscheibe. Die Schienenhochgeschwindigkeitsstrecke von Frankfurt über Saarbrücken nach Paris wird dafür stehen. Es gibt auf der französischen Seite bereits fertig gestellte Abschnitte. Auch wir sind mit der Modernisierung der Strecke nach Mannheim gut vorangekommen. Die Fahrzeiten, in denen man von Saarbrücken aus sowohl Frankfurt als auch Paris erreichen kann, sind schon kürzer geworden. 2013 wird der krönende Höhepunkt sein, wenn man dann wirklich mit voller Geschwindigkeit fahren kann.

Neben allem, was sonst noch zu einem freien Wettbewerb der Bahnsysteme zu bemerken wäre, ist es bereits selbstverständlich, dass der TGV im Hauptbahnhof Saarbrücken hält und der ICE in Paris einlaufen kann. Das ist ein Beispiel, von dessen Sorte wir uns für die Zukunft natürlich noch zahlreiche weitere wünschen. Wir rüsten die Strecken auf deutscher Seite mit dem europäischen Leit- und Sicherungssystem ETCS aus. Und ich glaube, wir zeigen mit dieser Schnellverbindung: Wir wachsen immer weiter zusammen und wollen unser Potenzial in Europa suchen.

Das Wachstum des Saarlandes das ist von Professor Hüther hier auch schon angesprochen worden hat sich seit dem Jahr 2000 beschleunigt. Wachstum wird die Größe sein, die darüber entscheidet, wie schnell wir aus der Krise herauskommen. Ich will an dieser Stelle auch noch einmal sagen: Wir sind jetzt ja mitten in einer internationalen Krise, die mit dem Erreichen der Talsohle nicht etwa beendet ist. Jetzt wird es sich auf der Welt entscheiden, wer stärker aus dieser Krise herauskommt und wer geschwächter aus dieser Krise herauskommt. Es geht also um die Frage: Wie kommen wir von einem Minimum der Wirtschaftskraft wieder auf das Niveau der Zeit vor der Krise? Deshalb müssen wir dieser Phase, die ja noch vor uns liegt, auch besondere Bedeutung beimessen.

Das Saarland liegt beim Wachstum seit dem Jahr 2000 im Vergleich aller Bundesländer auf Rang zwei, die Arbeitslosigkeit nahm deutlich ab. Es hat sich gezeigt: Strukturwandel zahlt sich aus. Es wurde eben hier aber auch erwähnt: Man hat im Grunde viele Jahre lang sehr viel Geld ausgegeben, um nicht mehr zukunftsfähige Strukturen zu erhalten. Es ist dann umgestiegen worden. Man hat sich im Saarland entschieden, dass das anders werden muss. Man hat damit im Grunde der historischen Entwicklung Rechnung getragen, dass der montanwirtschaftliche Zweig in seiner Bedeutung abnimmt, aber dass man dafür auch alternative Strukturen aufbauen kann.

Auch von meiner Seite noch kurz wenige Zahlen: Es waren 60.000 Kumpel Ende der 50er Jahre im Saarbergbau, heute sind es weniger als 5.000. Das zeigt, was hier von den Menschen im Saarland bewältigt wurde. Es sind inzwischen 100.000 Erwerbstätige in der Industrie beschäftigt. Wir haben im Grunde im Bund das nachvollzogen, was im Saarland schon vorher beschlossen war, nämlich eine sozialverträgliche Beendigung des Steinkohlebergbaus bis 2018. Das sind strukturpolitische Notwendigkeiten. Sie sind jedes Mal, wie ich weiß, mit Schmerzen und großen Emotionen verbunden. Aber wenn wir den Menschen eine Heimat und eine Hoffnung geben wollen, dann müssen wir diese Prozesse politisch klug begleiten. Solche Entscheidungen werden niemals leichtfertig getroffen, aber es spricht für die Veränderungsbereitschaft der Saarländer, wenn sie diesen Prozess mehrheitlich positiv und konstruktiv begleiten, meine Damen und Herren.

Wir haben wichtige Ziele, die wir erreichen müssen. So ist das Saarland natürlich nach wie vor auch für die Energiepolitik in Deutschland ein wichtiger Standort. Wir wissen, dass wir mit modernen, mit effizienten Kohlekraftwerken auch und gerade den Anforderungen des Klimaschutzes entsprechen können. Hierzu gehört der Teil CCS; ich will das ausdrücklich sagen. Deshalb müssen wir, da es uns jetzt nicht mehr gelungen ist, das Gesetz zu verabschieden, nach der Bundestagswahl auf diesen Punkt wieder zurückkommen. Aber wir wissen auch, dass moderne Kohlekraftwerkstechnologien von uns weiter angewandt werden müssen, damit wir sie als Exportschlager in viele Länder der Welt auch weiterhin exportieren können.

Meine Damen und Herren, die Voraussetzungen für einen gelungenen Strukturwandel im Saarland sind ausgesprochen gut. Viele Produktionsstätten namhafter Industrieunternehmen sind hier angesiedelt. Ich habe mir nach meinem Eintreffen hier schon einiges anschauen können ob es das Cluster in der Automobilindustrie ist oder auch in der Informationstechnik. Die Unternehmen bieten hier ich habe das gerade auch meinen Nachbarn gesagt in einem, wie mir scheint, sehr partnerschaftlichen Prozess Ausbildungsplätze für junge Menschen an. Da der demografische Wandel natürlich eine der ganz großen Herausforderungen ist, ist es so wichtig, dass die jungen Menschen auch eine Chance haben, hier zu bleiben. Ich weiß, wovon ich spreche. Ich komme aus Mecklenburg-Vorpommern. Dort haben wir diese Probleme natürlich auch in hohem Maße.

Saarbrücken nennt sich heute zu Recht und nicht nur aus Gründen eigener Imagepflege "Hauptstadt der Informatik". Forschungseinrichtungen von internationalem Rang haben hier ihren Sitz. Dazu gehört zum Beispiel das 2004 gegründete Max-Planck-Institut für Softwaresysteme. Die Landesregierung hat ganz bewusst wichtige Weichen gestellt und Bildung und Forschung zu einem Schwerpunkt der Politik gemacht. Da, wo das Saarland schon vor einigen Jahren war, kommen wir jetzt bundesweit hin. Ich sage immer: Wir müssen als Bundesrepublik eine Bildungsrepublik werden.

Wir werden den Wohlstand unseres Landes in einem weltweit viel stärkeren Wettbewerb nur sichern können, wenn wir auf Bildung setzen, wenn wir jedem jungen Menschen eine Chance geben, wenn wir die Integration hinbekommen und den jungen Menschen mit Migrationshintergrund die gleichen Chancen ermöglichen und die gleichen Leistungen abverlangen können. Nur dann wird die Bundesrepublik Deutschland in zehn Jahren eine Chance haben, die große Herausforderung der demografischen Veränderung gut zu bewältigen. In 2020 wird so aussehen, dass wir rund 3, 5Millionen Menschen unter 25Jahren weniger haben werden als heute.

Wir haben mit Peter Müller auch jemanden, der immer auf den Punkt Bildung und auf Qualität in der Bildung setzt und auch unter den Ländern hierfür wirbt. Wir haben uns seitens des Bundes zu wesentlichen Pakten mit den Bundesländern verpflichtet: Hochschulpakt, Exzellenzinitiative und die Unterstützung der Forschungseinrichtungen. Auch für das Saarland ist es natürlich von allergrößter Bedeutung, dass klar ist ich weiß, wovon ich spreche, wenn ich mir den Bundeshaushalt anschaue, dass wir uns politisch dazu verpflichtet haben, von 2011 bis 2019 die Aufwendungen für die Forschungseinrichtungen jährlich um fünf Prozent zu steigern. Das gibt Berechenbarkeit. Das gibt den Max-Planck-Instituten und den anderen Forschungsinstituten auch die Möglichkeit, gute, exzellente Wissenschaftler aus dem In- und Ausland zu bekommen. Ich weiß, dass der Wettbewerb weltweit extrem hart ist.

Wir freuen uns, dass wir schon bald dreiProzent des Bruttoinlandsprodukts für Forschung und Entwicklung ausgeben. Ich habe neulich die Hannover Messe mit dem südkoreanischen Ministerpräsidenten besucht. Südkorea will 2012fünfProzent erreichen. Da wir nicht davon ausgehen können, dass wir, auch wenn wir uns alle für besonders schlau und intelligent halten, so viel intelligenter sind als der Rest der Welt, müssen wir uns wirklich anstrengen, dass wir auch Innovationen und das Logo "Made in Germany" weiter voranbringen.

Meine Damen und Herren, wir leben jetzt in einer internationalen Krise, die natürlich für die Exportnation Deutschland und auch für das Saarland, das einen hohen Exportanteil hat, eine erhebliche Herausforderung bedeutet. Ich möchte mich jetzt aber nicht an Prognosen beteiligen, wie das alles weitergeht, sondern ich sage nur: Wir müssen unsere gesamte Kraft und unsere gesamte Anstrengung darauf richten, aus dieser Krise schnell und gestärkt herauszukommen.

Diese Krise wurde durch eine Destabilisierung der internationalen Finanzmärkte hervorgerufen. Deshalb ging es zuerst darum, die Banken- und Finanzsysteme zu stabilisieren. Hierzu haben wir in der letzten Woche mit dem Bad-Bank-Gesetz noch einmal einen Beitrag geleistet. Wir appellieren an die Banken, ihrer eigentlichen Pflicht und Aufgabe wieder stärker nachzukommen. Wir wissen aber auch um die Probleme angesichts der schwierigen Prognostizierbarkeit der weltwirtschaftlichen Entwicklung und des Schocks, den die Banken erlebt haben. Wir verlangen von ihnen, dass sie die Lehren daraus ziehen, aber gleichzeitig auch weiterhin Kredite geben. Wir haben hier noch eine schwierige Phase vor uns.

Es gibt ein großes Misstrauen, aber wir alle wissen: Soziale Marktwirtschaft lebt von Vertrauen. Deshalb will ich an dieser Stelle noch einmal sagen: Wenn die Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft weltweit angewandt worden wären, wären wir nicht in diese Krise hineingeraten. Dahinter steht keine Selbstübertreibung von uns in Deutschland, sondern die schlichte Erfahrung, dass mit der Sozialen Marktwirtschaft schon aus der ersten Weltwirtschaftskrise die Schlussfolgerung gezogen wurde, dass der Staat Hüter der Ordnung sein muss. Deshalb müssen Staaten jetzt auch Leitplanken in Form einer internationalen Finanzmarktverfassung hochziehen, um eine Wiederholung einer solchen Krise wirklich zu verhindern.

Meine Damen und Herren,

ich sage es ganz unumwunden: Wir müssen die Sorge haben, dass, kaum dass es wieder etwas besser geht, die Finanzinstitutionen nicht mehr ganz so scharf darauf sind, Regeln und Transparenz wirklich umzusetzen. Da sage ich Ihnen: Es muss unsere gemeinsame Anstrengung sein dabei werde ich nicht locker lassen, dass wir eine geeignete internationale Finanzmarktverfassung schaffen, denn eine solche Krise darf uns nicht wieder passieren; sie darf sich nicht wiederholen, meine Damen und Herren.

Wir werden natürlich dafür kämpfen, dass auch die Grundprinzipien der Sozialen Marktwirtschaft in das weltwirtschaftliche Geschehen Eingang finden. Ich freue mich, dass wir dafür im G20 -Prozess eine Unterstützung bekommen und dieses Thema auch in den Vereinigten Staaten von Amerika im September eine Rolle spielen wird. Wir arbeiten an einer Charta für nachhaltiges Wirtschaften, denn die Krise zeigt auch, dass es nicht einfach nur um Regeln für Finanzprodukte geht, sondern dass wir uns daran gewöhnen müssen, dass wir nicht über unsere Verhältnisse leben dürfen. Das aber haben viele Industrienationen getan, manche besonders stark. Auch die Bundesrepublik Deutschland hat in dieser Frage seit vielen Jahren gesündigt.

Es gehört zu den interessanten Effekten der Aufbauphase nach dem Zweiten Weltkrieg, dass etwa bis Mitte der 60er Jahre, also in der gesamten Zeit, die wir heute als Wirtschaftswunder bezeichnen, auf der Bundesebene eigentlich keine Neuverschuldung gemacht wurde und dann aber damit begonnen wurde, über den eigenen Verhältnissen zu leben, was im Grunde parteiübergreifend nie wieder verändert werden konnte.

Deshalb ist es so wichtig, dass wir die Schuldenbremse, die wir uns selbst jetzt im Grundgesetz auferlegt haben, auch umsetzen. Ich hoffe, dass das Saarland darin auch für sich eine Chance sieht, denn es gibt als Teil der Solidarität zwischen den Ländern die Akzeptanz, dass die unterschiedlichen Voraussetzungen aus der historischen Entwicklung der einzelnen Länder heraus in einem solchen Prozess berücksichtigt werden müssen. In der Kombination mit einer wachstumsorientierten Politik hat das Saarland gute Chancen. Haushaltsdisziplin zu halten, wird sicher schwierig sein, wie es auch für die Bundesrepublik insgesamt sein wird, aber angesichts der demografischen Veränderung haben wir keine Möglichkeit, eine Alternative zu nehmen.

Meine Damen und Herren, das Saarland ist sozusagen ein Stück Zeichen dafür, dass Veränderung etwas Positives bedeuten kann. Es ist in Deutschland ja sehr oft so, dass man da, wo es schon immer gut lief, zögert und sich überlegt: Soll ich mich jetzt eigentlich für das Verändern entscheiden? Im Saarland gab es an einem bestimmten Punkt gar keine Alternative mehr. Ich erinnere mich noch gut daran, dass Peter Müller mit einem sehr mutigen Wahlkampf die Chance ergriffen hat mit dem Bekenntnis: Wir müssen aus dem Steinkohlebergbau sozialverträglich aussteigen, wir eröffnen neue Perspektiven. Das hat ein Stück weit geklappt, daraus ist vieles entstanden. Und das kann ein Beispiel für ganz Deutschland sein, wenn wir uns jetzt auf neue Wege begeben müssen.

Deshalb bin ich heute nicht nur gerne hier, weil ich Ihnen gratulieren möchte, weil ich Ihnen Dank sagen möchte für ein gutes Stück Deutschland, sondern ich bin auch hier, weil ich in Ihnen Verbündete sehe und das Saarland mit dabei ist, wenn wir uns mal wieder ändern müssen.

Ich gratuliere deshalb zum Abschluss mit der ersten Zeile des Saarlandliedes: "Ich rühm" dich, du freundliches Land an der Saar." Ich wünsche Ihnen alles Gute. Bleiben Sie weiter ein guter Teil der Bundesrepublik Deutschland.