Redner(in): Bernd Neumann
Datum: 08.07.2009

Untertitel: Kulturstaatsminister Bernd Neumann in seiner Rede im Alten Museum in Berlin: "Ich bin überzeugt, dass das Humboldtforum in der Symbiose aus Museum, Bibliothek, Universitätseinrichtung und Agora zu einer attraktiven, lebendigen, internationalen Stätte wird."
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Rede/2009/07/2009-07-08-neumann-humboldt-forum,layoutVariant=Druckansicht.html


am Anfang stand das Schloss. Oder besser gesagt: der Wunsch nach dessen Wiederaufbau. Denn die ersten Initiativen auf dem Weg zum Humboldt Forum bezogen sich ausschließlich auf die Rekonstruktion des alten Hohenzollern-Schlosses. Es ging darum, der historischen Mitte Berlins wieder ein Gesicht zu geben, die Wunden der Vergangenheit zu heilen und das Verlorene zurück zu gewinnen. Mit dem Entwurf von Franco Stella, den das Preisgericht zum Humboldt-Forum einstimmig auswählte, wird dieses kühne Vorhaben nun Wirklichkeit.

Und da ich schon als Bundestagsabgeordneter in einer Plenardebatte am 2. Dezember 1999 für den Wiederaufbau des Stadtschlosses eingetreten bin, freut mich die Entscheidung des Preisgerichts für den Entwurf von Franco Stella mit den barocken Fassaden besonders.

Erst im zweiten Schritt gewannen die inhaltlichen Vorstellungen für das Schloss an Profil. Im Jahr 2000 brachte der damalige Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Klaus-Dieter Lehmann, die Idee eines Ortes der Weltkulturen im Herzen der Hauptstadt mit der ihm eigenen Beharrlichkeit und visionären Kraft an die Öffentlichkeit. Die Zeit war reif dafür: Zehn Jahre nach der Wende lag offen zutage, dass den wunderbaren ethnologischen Sammlungen in ihrem sanierungsbedürftigen Dahlemer Domizil nicht mehr die gebührende Aufmerksamkeit zuteil wurde.

2001 legte die internationale Expertenkommission "Historische Mitte Berlin" ihr Gutachten vor, das die Einrichtung des Humboldt-Forums empfahl, in dem die außereuropäischen Bestände der Staatlichen Museen zu Berlin einen neuen Platz erhalten sollten. Das Gutachten ist, wenn auch modifiziert, bis heute wegweisend: Hier, in der historischen Mitte Berlins, erbauen wir in den nächsten Jahren mit dem Humboldt-Forum im Stadtschloss eine großartige Kultur- und Bildungslandschaft. Neben dem Unesco-Welterbe Museumsinsel, im Zusammenspiel der Berliner Museen mit der Zentral- und Landesbibliothek und der Universität, entsteht ein Schaufenster der Weltkulturen und ein Ort des kulturellen Austauschs. Die besondere Symbolik dieses Vorhabens sollten wir uns immer wieder vor Augen führen: Wir bauen an diesem geschichtsträchtigen Ort eben keine Hotels, keine Tiefgaragen oder Bürohäuser, wir bauen ein kulturelles Zentrum, auf das die Welt blickt und von dem aus wir auf die Welt blicken.

Die Wiedererrichtung des Hohenzollern-Schlosses ist das bisher bedeutendste Bauvorhaben im kulturellen Bereich nicht nur für die Hauptstadt, sondern für die gesamte Bundesrepublik: Eine höchst anspruchsvolle architektonische Herausforderung, für die der Bund rund 500 Mio. Euro bereitstellt, trotz Finanz- und Wirtschaftskrise. Das ist ein deutliches Bekenntnis zur Kulturnation Deutschland auch in schwierigen Zeiten, ja gerade in schwierigen Zeiten, meine Damen und Herren.

Dass Sie, verehrter Herr Bundespräsident, heute anlässlich der Eröffnung zu uns gesprochen haben, zeigt, welchen hohen Rang Sie der Kultur in Deutschland beimessen. Ich danke Ihnen dafür, dass Sie mit Ihren klaren Worten ein Zeichen gesetzt haben!

Ein so gewaltiges, symbolträchtiges und kostenintensives Vorhaben kann nur gelingen, wenn es von breiter parlamentarischer Unterstützung getragen wird. Am 4. Juli 2002, also vor fast genau sieben Jahren, fasste der Bundestag den Entschluss, das Berliner Schloss mit seinen historischen Fassaden wiederzuerrichten. Es dauerte vier weitere Jahre, bis am 4. Juli 2007 schließlich das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung damit beauftragt wurde, mit der Ausschreibung zu beginnen.

Wir müssen uns verdeutlichen: Nach dem durch die SED-Machthaber gesprengten Hohenzollernschloss und dem über seinen Trümmern errichteten Palast der Republik wird zum ersten Mal in der vielhundertjährigen Geschichte Berlins ein demokratisch legitimierter Bau in der historischen Mitte entstehen!

Konträre Meinungen und Diskussionen sind ein Teil demokratischer Entscheidungsprozesse, gerade bei einem Vorhaben von diesen Dimensionen, gerade an einem Ort wie diesen. Es wäre eher besorgniserregend, wenn es zu einem solchen Projekt keine kontroversen, kritischen Debatten gäbe. Doch nun sind die Entscheidungen gefallen. Daran werden sich auch die Kritiker des Wiederaufbaus gewöhnen müssen. In den vergangenen Tagen wurden in der Presse formale Vorwürfe gegen den Sieger des Architekturwettbewerbs Franco Stella erhoben."Inzwischen haben ja das Bauministerium und Stella selbst die Vorwürfe als nicht haltbar zurückgewiesen. Wahrscheinlich hat die Süddeutsche Zeitung Recht, wenn sie schreibt, es handele sich hier um eine" erbsenzählerische Verschwörungstheorie ".

Franco Stella hat den Wettbewerb gewonnen, weil er den überzeugendsten Entwurf eingereicht hatte. Dies kann ich als Jury-Mitglied bestätigen. Allen Preisrichtern war trotz der einstimmigen Entscheidung für diesen Entwurf aber klar, dass er nicht 1: 1 umgesetzt werden würde. Von Anfang an gab es aus Sicht der Nutzer erheblichen Umplanungsbedarf. Nur so können die verschiedenen Bereiche optimal miteinander verbunden werden. Dieses Vorgehen ist bei einem Bauprojekt dieser Größenordnung weder ungewöhnlich noch beunruhigend.

Entscheidend für die Beurteilung ist, dass die planerischen Abstimmungen zwischen den Nutzern und dem Architekten gerade in den letzten Wochen deutlich vorangekommen sind. Dabei ist Bernd Scherer vom Haus der Kulturen der Welt zu danken, der mit seiner Erfahrung wichtige Hinweise insbesondere zur Bespielung der Agora geben konnte.

Am 29. Juni 2009 hat Stella einen neuen Entwurf vorgelegt, der eine deutliche Flexibilität in der Raumgestaltung vor allem im Bereich der Agora - möglich macht.

Natürlich sind mit der heutigen Ausstellung nicht alle inhaltlichen Fragen zur Konzeption beantwortet. Die Weiterentwicklung der Planungen ist ein andauernder Prozess. Das Neue, das entstehen soll, muss mehr sein als die Addition der einzelnen Nutzerbeiträge. Der konzeptionelle Zusammenhang muss weiter definiert und konkretisiert werden. Aber das wird passieren!

Ich bin überzeugt, dass das Humboldtforum in der Symbiose aus Museum, Bibliothek, Universitätseinrichtung und Agora zu einer attraktiven, lebendigen, internationalen Stätte wird.

Ich wünsche allen Beteiligten dabei viel Erfolg und die nötige Inspiration. Der Ausstellung wünsche ich großen Zuspruch!