Redner(in): Angela Merkel
Datum: 16.07.2009

Untertitel: in Ingolstadt
Anrede: Sehr geehrter Herr Stadler, sehr geehrter Herr Winterkorn, sehr geehrte Ministerpräsidenten lieber Horst Seehofer, lieber Christian Wulff, lieber Günther Oettinger,Herr Minister, meine Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Rede/2009/07/2009-07-16-100-jahre-audi,layoutVariant=Druckansicht.html


ich bin heute sehr gern nach Ingolstadt gekommen. Bisher war ich, wenn ich hier war, wegen Horst Seehofer hier. Diesmal bin ich wegen Audi hier. Ich bin sogar in einem Audi hierher gekommen. Ich musste für mein Kommen noch nicht einmal das Auto wechseln, weil ich jeden Tag im Audi fahre. Ich muss ja vorsichtig sein und darf andere nicht benachteiligen, aber was wahr ist, darf man ja sagen.

Ich gratuliere also aus Überzeugung ganz herzlich zum 100. Geburtstag. Ich gratuliere der Unternehmensführung, ich gratuliere vor allen Dingen auch den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, die jeden Tag ihren Beitrag dazu leisten, dass man Audi das Alter nicht ansieht. Das ist bei Autos genauso wichtig wie manchmal sonst im Leben.

Meine Damen und Herren, Audi, das ist eine Erfolgsgeschichte, an der viele Anteil hatten. Es ist eine typisch deutsche Erfolgsgeschichte, die etwas über den Industriestandort Deutschland aussagt. Die Industrie hat Deutschland am Beginn des letzten Jahrhunderts stark gemacht und macht auch heute noch unsere Stärke aus. Das heißt, 100Jahre Audi sind ein gutes Stück deutsche Industriegeschichte.

August Horch machte seinem Namen wirklich Ehre. Er horchte nicht nur hin, wie es gehen müsste, dass man etwas Neues entwickelt, sondern er transferierte nach einigen Streitigkeiten den Firmennamen ins Lateinische und schuf damit ein Erfolgsmodell. Es war eine schwierige Konkurrenz, der er sich damals stellen musste. Aber Audi hat gezeigt, dass es dem Wandel der Zeiten standhalten konnte.

Audi musste dann sehr bald, in den Zeiten der Weltwirtschaftskrise, unter Beweis stellen, dass man auch schwierige Zeiten überwinden kann. Die Reaktion auf diese Krise war damals sehr konsequent und eben auch sehr erfolgreich: Audi, Horch, DKW und Wanderer schlossen sich 1932 zur Auto-Union zusammen. Vier Ringe als Markenzeichen heute für uns alle noch gegenwärtig. Das zeigt: In Krisen stecken Chancen. So fand auch nach dem Zweiten Weltkrieg, wieder in einer schwierigen Zeit, die Produktion von Audi einen Neuanfang in Oberbayern. Ingolstadt ist eine feste Größe in der Geschichte von Audi. Und Audi ist ein Unternehmen, das diese Region geprägt hat.

Später dann das Zusammengehen mit VW. VW hat heute schon zum Ausdruck gebracht, wie Audi VW schmückt. Der VW-Konzern ist heute die Nummer Eins in Europa. Ich glaube, das ist zu einem guten Teil auch Audi zu verdanken. Das zeigt wiederum, dass es in der Branche ein führendes Unternehmen in Deutschland und weltweit ist. 2008 hat Audi immerhin mehr als eine Million Fahrzeuge im Premiumsektor produziert. Über 57.000 Beschäftigte sind Garanten für die Wettbewerbsstärke auf dem internationalen Markt und dafür, dass andere bewundernd auf die technischen Innovationen schauen. Es ist hier immer wieder gesagt worden: Leidenschaft zur Technik, Leidenschaft zur Innovation, Leidenschaft zur Akribie das hat Audi stark gemacht, das gilt es heute zu feiern.

Dass so viele in- und ausländische Festgäste gekommen sind, dass so viele gratulieren, zeigt, dass Audi nicht nur aus Deutschland nicht wegzudenken ist, sondern auch weltweit seinen festen Platz hat. Damit ist Audi ein guter Teil eines der Flaggschiffe der deutschen Wirtschaft, nämlich der Automobilindustrie, in der 750.000 Beschäftigte ihren Beitrag dazu leisten, dass wir hier in Deutschland vernünftig und in Wohlstand leben können.

Vielleicht ist dieser 100. Geburtstag, der ja mitten in eine außerordentlich schwierige Zeit fällt, auch wieder ein Ansatzpunkt dafür, dass man angesichts des Versuchs, die Herausforderung der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise zu meistern, sagen kann: Nach hundert Jahren gab es wieder eine Entwicklung hin zu einem völlig neuen Auto. Ich glaube, wir stehen seit einigen Jahren und in den nächsten Jahren an der Schwelle zu einer solchen Entwicklung.

Ich sage ganz ehrlich: In dieser internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise werden die Karten weltweit neu gemischt. Regierungen tun alles, um die Auswirkungen dieser Krise abzumildern. Hier ist schon über die Kurzarbeit gesprochen worden. Wir haben die Kfz-Steuer umgestellt und sie auf CO2 -Emissionen ausgerichtet. Wir haben in Brüssel dafür gekämpft, dass Klimaschutz und Arbeitsplätze in Deutschland miteinander vereinbar sind, dass es keine einseitigen Benachteiligungen einiger Produktionssegmente in der Automobilindustrie gibt. Wir setzen auch mit sonstigen Maßnahmen alles daran, um diese Krise zu überwinden.

Aber wenn wir die Talsohle des weltweiten Produktions- und Nachfrageeinbruchs, der sich bei uns als Exportnation natürlich besonders bemerkbar macht, erreicht haben sollten, dann heißt das noch lange nicht, dass wir aus dieser Krise schon herausgekommen sind. Deshalb liegt mir und der ganzen Bundesregierung viel daran, dass wir begreifen, dass die Frage, wie schnell wir aus dieser tiefen Krise herauskommen, darüber entscheiden wird, wie wir in den nächsten zehn, 20 und 50Jahren in Deutschland und in der Welt dastehen werden. Dies ist jetzt eine Zeit der Entscheidung, in der wir es gemeinsam schaffen müssen, zukunftsfähige Arbeitsplätze zu sichern, neue technische Entwicklungen auf die Märkte zu bringen und insgesamt ein neugieriges Land zu bleiben.

Daher legt die Bundesregierung jenseits der Frage, wie wir die Automobilindustrie fördern, zusammen mit den Bundesländern Wert darauf, dass Forschung, Innovation und Bildung die Markenzeichen Deutschlands bleiben und dort werden, wo sie es im Augenblick nicht ausreichend sind. Wir haben uns vorgenommen, im Jahr 2015 zehnProzent unseres Bruttoinlandsprodukts für Forschung und Bildung auszugeben. Wir haben es in den letzten Jahren geschafft, den Anteil von dreiProzent des Bruttoinlandsprodukts für Forschung und Entwicklung nahezu sicherzustellen.

Hierin liegt die Zukunft Deutschlands, aber nur, wenn das, was der Staat an Einsatz bringt, dann auch seine Anwendung in innovativen Unternehmen findet, bei Ingenieuren, die ihr Wissen weitergeben, und bei Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, die ihre Erfahrung ebenfalls an die Jungen weitergeben. Mir liegt sehr viel daran, dass wir gerade in dieser Krise den Zusammenhalt unserer Gesellschaft nicht nur proklamieren, sondern auch leben und ihn im täglichen Arbeiten und Wirken zeigen.

Ich weiß von vielen anderen Ländern seien es die Vereinigten Staaten von Amerika oder die asiatischen Länder, dass sie auch erkannt haben, dass ihre Zukunft in Innovation, in Bildung, in Technologien liegt. Deshalb braucht man kein Prophet zu sein, um zu sagen: Der Wettbewerb wird nicht einfacher werden, er wird nach der Krise eher härter sein. Aber ich bin mir gewiss, dass wir mit dem, was wir in den letzten Jahrzehnten bei Audi in den letzten hundert Jahren gelernt, erfahren und immer wieder geschafft haben, bestens gerüstet sind, sodass wir stark, ja sogar stärker aus dieser Krise herauskommen können.

Wir wollen staatlicherseits unseren Beitrag dazu leisten. Wir haben eine Hightech-Strategie entwickelt, bei der die Mobilität eine zentrale Rolle spielt. Wir setzen auf moderne Antriebe. Wir wollen sie gemeinsam mit der Automobilindustrie, mit Fachhochschulen und Hochschulen entwickeln. Ich nenne als Beispiel Aachen, sofern man in Bayern eine Hochschule von außerhalb einmal nennen darf. Ich nenne natürlich auch alle exzellenten Universitäten Bayerns. Wir wollen, sozusagen in der Kombination von Forschung und notwendiger Entwicklung im Unternehmen, angefangen bei Batterien bis hin zu neuen Antriebstechnologien, unsere Kräfte bündeln.

Meine Bitte an Sie in der Automobilindustrie lautet: Finden Sie bei allem Wettbewerb zwischen den Unternehmen auch die Summe an Gemeinsamkeit für den Automobilstandort Deutschland, der wichtig ist, um unser Land insgesamt gestärkt aus dieser Entwicklung hervorgehen zu lassen. Denn ich weiß, andere auf der Welt denken auch sehr konzentriert und handeln sehr konzentriert. Ich sage Ihnen zu: Wir werden alles tun, um faire Wettbewerber zu sein, wir werden uns aber auch mit aller Kraft dagegen wenden, wenn Protektionismus und Benachteiligung in der Welt Schule machen sollten. Das darf nicht geschehen, genauso wenig wie geistiges Eigentum gestohlen werden darf. Das sind die Voraussetzungen, unter denen wir arbeiten, damit wir weiter erfolgreich sein können.

Meine Damen und Herren, nach dieser Wirtschaftskrise, hervorgerufen durch eine tiefe Krise der Finanzmärkte, wird sich vieles auf der Welt verändert haben. Aber Grundbedürfnisse der Menschen werden weiter existieren. Die Menschen werden weiterhin die Sehnsucht nach individueller Mobilität haben. Deshalb wird das Auto in den nächsten Jahrzehnten einen festen Platz im Leben unseres Landes und in der Welt behalten. Wir müssen aber begreifen, dass die Geschichte, die wir uns heute anschauen 100Jahre Audi, auch exemplarisch für die Geschichte eines Landes ist, das mit den Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft und mit vielen Familienunternehmen, mit vielen Traditionsfirmen immer über den Tag hinaus gedacht hat, das immer verstanden hat, dass ein gutes Miteinander von Eignern und Besitzern mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Grundlage für Erfolg ist, das immer verstanden hat, dass es Leitplanken, Regeln geben und der Staat als Hüter der Ordnung auftreten muss.

Bei allem, was an Börsenkursen und täglicher Bewertung wichtig ist wenn es nicht mehr gelingt, die Geduld aufzubringen, nachhaltige Entwicklungen, Dinge, die länger als ein Quartal dauern, zu befördern, langfristige technische Innovationen voranzubringen, wenn wir dieses langfristige Denken nicht in unser Gesamtdenken mit aufnehmen, dann wird die Welt immer wieder scheitern. Deshalb sollten wir alle, wo auch immer ob in den internationalen Unternehmensverbänden, in der Internationalen Arbeitsorganisation oder bei den Treffen der G20, darauf drängen, dass Grundprinzipien eines nachhaltigen Wirtschaftens, wie wir sie aus der Sozialen Marktwirtschaft kennen, Eingang in das weltweite Wirtschaften finden. Wenn uns das nicht gelingt, dann wird es uns auch nicht gelingen, weiterhin technisch anspruchsvolle Produkte auf einer soliden und sozial verträglichen Basis herzustellen.

Mir liegt sehr daran, dass wir unsere Erfahrung aus hundert Jahren Industriegeschichte einbringen, um das globale Wirtschaften menschlich zu gestalten, um das globale Wirtschaften so zu gestalten, dass wir ein Stück mehr Gerechtigkeit haben, aber verbunden mit dem Selbstbewusstsein Deutschlands, dass wir mit unseren Produkten vorn mit dabei sein wollen.

Ich bedanke mich bei allen, denen die Arbeit für und bei Audi Spaß macht. Ich tue das vor allen Dingen noch einmal bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die wir hier nicht so sehen, die aber Thomas Gottschalk an einer Stelle besucht hat. Ich vermute, es gibt noch viele an anderen Stellen. Ich bedanke mich bei jenen, die Audi immer wieder auch durch schwierige Zeiten gesteuert haben. Es macht Spaß, dass wir in unserem Land solche Firmen haben. Es ist schön für Sie, dass Sie so viele zufriedene Kunden haben. Wir setzen auf die Automobilbranche, wir setzen auf ein stolzes Stück Audi.

Herzlichen Glückwunsch zum 100. Geburtstag. Bleiben Sie jung, bleiben Sie tatkräftig, bleiben Sie präzise und haben Sie vor allen Dingen weiter Spaß an Ihrer Arbeit.

Herr Piëch, den ich als junge Ministerin kennengelernt habe, hat mir sofort erklärt da ich von Beruf Physikerin bin, habe ich es wohl gleich einigermaßen verstanden: Man muss Autos gerne verkaufen, man darf sich auch über den Gewinn freuen, aber wenn man nicht ein bisschen Spaß an der Technik und an dem hat, was einem jetzt besser gelungen ist als beim Vorgängermodell, dann ist es eben auch nicht ganz richtig.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie diese Art von Antrieb von Generation zu Generation weitergeben. Alles Gute, Audi.