Redner(in): Angela Merkel
Datum: 16.07.2009

Untertitel: in München
Anrede: Sehr geehrte Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Rede/2009/07/2009-07-16-merkel-petersburger-dialog,layoutVariant=Druckansicht.html


auch ich möchte mich zuerst bei den bayerischen Gastgebern bedanken. Lieber Horst Seehofer, ihr habt nicht nur die gute Stube Bayerns herausgerückt, sondern auch eine der ganz guten Stuben der Nation. Sie spiegelt einen Teil deutscher Geschichte wider, auf den wir natürlich sehr stolz sind. Wir hatten es in Oberschleißheim heute allerdings auch schon sehr gut. Das hat unsere Arbeit beflügelt, wie

Dmitrij Medwedew eben in der Pressekonferenz sagte.

Wir konnten heute bei den deutsch-russischen Regierungskonsultationen feststellen, dass sich unsere Beziehungen extrem intensiviert haben. Es gibt sehr viele konkrete Vorhaben und Beispiele dafür, wie sich die deutsch-russische Zusammenarbeit zum Wohle beider Seiten entwickelt. Ich will hier als Beispiele nur den Bereich der Forschung und den Bereich der wirtschaftlichen Kontakte nennen. Ich will aber auch vom Jugendaustausch sprechen und von der Zusammenarbeit der Kulturminister. Unsere Innenbehörden arbeiten auch sehr eng zusammen. Es ist in den letzten Jahren doch einiges in Gang gekommen. Wir beide konnten heute sogar etwas stolz sein. Im vergangenen Herbst haben wir besprochen, dass wir eine gemeinsame Energieagentur gründen wollen. Und siehe da, ihre Gründung wurde heute schon unterschriftsreif gemacht.

Wir arbeiten auch international sehr eng zusammen, so auch bei der Vorbereitung der G20 -Treffen, und vertreten gemeinsam die Forderung, dass diese internationale Finanz- und Wirtschaftskrise jetzt wirklich nicht vergessen lassen darf, dass wir Schlussfolgerungen aus ihr ziehen müssen. Wir müssen die Krise bekämpfen. Sie hat tief greifende Auswirkungen auf unsere Völker. Russland leidet unter einem erheblichen Wirtschaftseinbruch. Deutschland erlebt einen Wirtschaftseinbruch, wie wir es in den 60Jahren der Bundesrepublik Deutschland noch nicht erlebt haben, nämlich einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um sechsProzent. Die Folgen dieser Krise sind bei uns noch nicht in vollem Umfang angekommen, insbesondere, was die Frage der Arbeitsplätze anbelangt. Umso enger muss die Welt zusammenrücken. Dabei ist die strategische Partnerschaft zwischen Russland und Deutschland natürlich ein zentrales Element hinsichtlich der Gestaltung unserer Zusammenarbeit.

Wir glauben, dass der Petersburger Dialog eine sehr gute Ergänzung unserer politischen Zusammenarbeit ist. Wir haben heute auch darüber gesprochen, dass wir nächstes Jahr, im zehnten Jahr des Petersburger Dialogs, Rückblick und auch Ausblick auf das, was noch vor uns liegt, halten sollten. In diesem Zusammenhang ist natürlich klar und jedenfalls für mich von großer Wichtigkeit, dass wir auch die Zivilgesellschaften sich entwickeln lassen und dass wir eine freimütige, offene Diskussion darüber führen. Unsere Erfahrung ist: Wenn man Widersprüche, Gegensätze und Unterschiede anspricht, selbst wenn das im ersten Moment oft sehr hart ist, führt das doch weiter, ermöglicht auch ein besseres Kennenlernen, eine bessere Einsicht in die eigenen Gedankengänge sowie in die des anderen und fördert dann auch die Möglichkeit und Fähigkeit, neue Lösungen zu erhalten.

Wir haben eben in der Pressekonferenz auch noch einmal unserer Bestürzung über den gestrigen Mord an der Menschenrechtlerin bzw. Bürgerrechtlerin

Natalja Estemirowa Ausdruck verliehen. Ich kann nur unterstützen, was der russische Präsident hierzu gesagt hat, nämlich dass man mit aller Macht versuchen wird, diesen Mord aufzuklären. Sie ist nämlich auch ein Beispiel für jemanden, der in der Zivilgesellschaft viel Mut bewiesen hat. Wenn uns alle immer wieder Gefährdungen solcher Personen schockieren, dann führt das vielleicht dazu, dass Menschen nicht solchen Mut haben, sich zu engagieren und einzusetzen. Aber ohne zivilgesellschaftliches Engagement wird es nicht möglich sein, kräftige, neugierige und auch lebensfähige Gesellschaften aufzubauen.

Nächstes Jahr wird es also ein Resümee und einen Ausblick geben. Wir werden deshalb diesen 10. Petersburger Dialog zusammen vorbereiten. Dieser wird dann wieder auf der russischen Seite stattfinden. Wir freuen uns schon darauf, dort wieder dabei sein zu können.

Ich glaube, es hat sich auch im zivilgesellschaftlichen Teil viel getan. Ich will an die über 90Städtepartnerschaften erinnern, an die deutsch-russischen Partnerschaften in vielen anderen Bereichen, an die deutsch-russische Städtepartnerkonferenz, die die Menschen natürlich auch sehr viel enger zusammenbringt. Insoweit haben wir also viele Schritte vollzogen, die mit dem Ende des Kalten Krieges auch notwendig geworden sind.

Wir haben heute auch sehr ausführlich darüber gesprochen, dass wir große Hoffnungen in ein verbessertes Verhältnis Russlands zu den Vereinigten Staaten von Amerika setzen. Hier sind viele neue Kontakte geknüpft worden. Es ist natürlich ich will das ausdrücklich sagen auch im deutschen Interesse, dass es hierbei so viele Verbindungen gibt. Es gibt nämlich so viele Herausforderungen auf der Welt Kriege, Konflikte, die Nuklearprogramme in Nordkorea und Iran und viele andere Themen, sodass diejenigen, die sich für eine friedliche Welt und Fortschritte einsetzen, zusammenarbeiten müssen, und zwar so gut und viel wie möglich.

Wir als Bundesrepublik Deutschland sind natürlich in die Europäische Union eingebunden. Deshalb wünschen wir uns auch, dass die Kontakte zwischen der Europäischen Union und Russland intensiviert werden. Wir setzen uns dafür ein. Das liegt im deutschen Interesse. Aber wir glauben, dass es auch im europäischen Interesse liegt, wenn Russland und Europa gut zusammenarbeiten. Und ich sehe, dass diesbezüglich gerade auch auf politischer Seite vieles getan wird.

Wir können offen, ehrlich und umfassend auch mit den Wirtschaftsunternehmern sprechen. Der russische Präsident war hierzu zum Beispiel vor wenigen Monaten in Berlin. Unser Wirtschaftsminister war dabei. Es gibt auch eine intensive Zusammenarbeit hinsichtlich mancher Problemlösungen. Wir haben manchmal das Problem, dass die russische Zentralregierung, wenn ich das so sagen darf, vielleicht zwar schon sehr effizient arbeitet, aber wenn ein Unternehmer irgendwo, fern der Hauptstadt, bei einem Gouverneur unterkommen muss, dann muss man manchmal ein bisschen Bürokratie überwinden. Aber auch das ist, glaube ich, ein Weg, den wir gehen müssen und hinsichtlich dessen ich einfach auch alle Repräsentanten des weiten Russlands bitte, den deutsch-russischen Beziehungen genauso viel Gewicht beizumessen wie die Vertreter der Hauptstadt. Auch diesbezüglich und gerade über die Städtepartnerschaften wird klar werden, dass Zeit besonders in der heutigen Zeit Geld ist. Was lange dauert, ist vielleicht schon nicht mehr modern, wenn es dann passiert. Insofern sind intensive Kontakte zwischen uns so unglaublich wichtig.

Die Voraussetzung für den Erfolg ist Vertrauen. Ich glaube, wir können als politische Führungskräfte einen Beitrag dazu leisten, dass man Vertrauen entwickelt. Sie hier können das eben auch durch die Zeit, die Sie miteinander verbringen, durch die Arbeitsgruppen, in denen Sie sich besser kennen lernen, durch die Kulturen unserer Länder, die Sie jeweils kennen lernen. Dabei ist die Erfahrung in Bayern eine für Sie sicherlich sehr angenehme gewesen. Wenn es Ihnen aber in München nicht gefällt, dann weiß ich nicht, wo sonst es Ihnen in Deutschland gefallen soll. Wenn ich als jemand, der von der Ostsee kommt, das sage, dann können Sie davon ausgehen, dass das schon seine Bedeutung hat. Wir da oben im Norden sind nämlich ein bisschen anders, etwas schweigsamer und etwas melancholischer, aber deshalb freut es uns immer, wenn wir in Bayern zu Gast sein können.

Herzlichen Dank für Ihre Arbeit hier. Wir stehen dann hoffentlich noch ein wenig zur Diskussion zur Verfügung.