Redner(in): Bernd Neumann
Datum: 02.09.2009

Untertitel: "Das Haus der Kulturen der Welt ist seit 20 Jahren ein unverzichtbarer Wegweiser.", soBernd Neumann in seiner Rede im Haus der Kulturen der Welt.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Rede/2009/09/2009-09-02-rede-neumann-20jahre-hkw,layoutVariant=Druckansicht.html


2009 ist ein besonderes Jahr der Jubiläen. In Deutschland erinnern wir an 60 Jahre Grundgesetz und natürlich besonders an den Fall der Berliner Mauer vor 20 Jahren. Es ist dabei wichtig, dass wir unsere Geschichte nicht losgelöst vom internationalen Kontext sehen. Ohne die tapferen Arbeiter von der Danziger Werft, ohne den Mut der Oppositionellen in Tschechien und ohne die politische Hilfestellung insbesondere durch George Bush und Michail Gorbatschow wären die Friedliche Revolution und das Ende des Kalten Krieges in Europa nicht denkbar gewesen.

Vor rund einer Woche, am 19. August, hat die Bundeskanzlerin in Sopron die Öffnung des eisernen Vorhangs in Ungarn durch die ungarische Regierung gewürdigt, die, wie sie es formulierte,"dem Freiheitswillen von Deutschen aus der ehemaligen DDR so etwas wie Flügel verliehen hat". Deshalb ist es lobenswert, dass das "Hauses der Kulturen der Welt", diese globale Dimension des Jahres 1989 in einer Veranstaltungsreihe im März des Jahres beginnend - beleuchtet hat. In dieser Reihe "Globale Geschichten" wurde daran erinnert, dass 1989 weltweit ein Schlüsseljahr war. Auf allen Kontinenten ereigneten sich unvorhersehbare Umbrüche, deren Folgen bis heute nachwirken. Ob das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens in China, der Tod Chomeinis im Iran, derAbzug sowjetischer Truppen aus Afghanistan und das Ende der Apartheid in Südafrika all dies ist 1989 geschehen.

Mit diesen Veranstaltungen zeigte das "Haus der Kulturen der Welt", wie sehr sich unsere Welt in den letzten 20 Jahren verändert hat. Aus vielen so genannten 3. -Welt-Ländern oder Schwellenländern sind wichtige und selbstbewusste Wirtschaftskräfte geworden. Was für einen gewaltigen Schritt haben China oder Südafrika vollzogen, wenn dort sogar die olympischen Spiele oder die Fußballweltmeisterschaft ausgerichtet werden! Vor zwanzig Jahren wäre das noch schwer vorstellbar gewesen genauso wie ein wiedervereinigtes Deutschland.

Es ist eine der großen Stärken des "Hauses der Kulturen der Welt", den Verflechtungen der Geschehnisse weltweit auf den Grund zu gehen, und dies Disziplinen übergreifend mit den Mitteln der Kunst und durch den wissenschaftlichen Diskurs. Dabei ist auch seine Geschichte eng mit den Zeitläufen verbunden. Als es bereits jenseits der Mauer, in der DDR, politisch gärte, wurde das Haus zu Beginn des Jahres 1989 in der frisch wieder aufgebauten Kongresshalle eröffnet. Die Kongresshalle, die Amerika den Deutschen anlässlich der Internationalen Bauausstellung 1957 zum Geschenk gemacht hatte, war von Anfang ein Ort des demokratischen und friedlichen Austauschs, ein "Leuchtfeuer der Freiheit" in unmittelbarer Nähe der Sektorengrenze. Sie ist auch ein Symbol für die Geschichte der deutsch-amerikanischen Freundschaft, die wesentlich zum Fall der Mauer beigetragen hat.

Die Gründung des "Hauses der Kulturen der Welt" war aus heutiger Sicht geradezu visionär, aber auch folgerichtig. Die politische Symbolik der Kongresshalle wurde neu interpretiert, ihre Botschaft von Toleranz und Freiheit blieb jedoch die gleiche. Die randständige Lage, die es dem Haus bei seiner Eröffnung Anfang 1989 schwer machte, änderte sich schon im Herbst desselben Jahres durch den Fall der Mauer grundlegend. Heute liegt das "Haus der Kulturen der Welt" nicht nur in der Mitte Berlins, sondern im politischen Zentrum unserer Republik. Aus meinem Büro in der 8. Etage des Kanzleramtes habe ich das Haus der Kulturen der Welt immer im Blick, das 2001 in die alleinige Zuständigkeit des Bundes überführt wurde. Der Bund hat damit ein großes Vermächtnis übernommen. Das "Haus der Kulturen der Welt" ist heute mit den Internationalen Filmfestspielen Berlin und den Berliner Festspielen in der "Kulturveranstaltungen des Bundes in Berlin GmbH" kurz: KBB zusammengeschlossen, die vom BKM 2009 mit rund 22,7 Millionen Euro gefördert wird. Daraus werden nicht nur die laufenden Kosten, sondern auch Projektmittel von knapp 2 Millionen Euro finanziert. Weitere 1,25 Millionen Euro kommen vom Auswärtigen Amt. 2006 und 2007 wurde das Haus für rund 8,8 Millionen Euro aus Mitteln des Bundes teilsaniert, insbesondere im Bereich der Foyers, der Ausstellungshalle und der technischen Bereiche. Damit ist "Das Haus", wie das HKW sich gerne einprägsam nennt, bestens gerüstet für seine anspruchsvolle Aufgabe.

Unsere Zeit ist von den Herausforderungen der Globalisierung geprägt. Sich diesen Herausforderungen nicht nur auf wirtschaftlichem, sondern insbesondere auch auf kulturellem Gebiet zu stellen, ist eine der großen politischen und gesellschaftlichen Aufgaben der Gegenwart. Das Haus der Kulturen der Welt bietet den Kulturen der Welt eine Plattform, auf der sie sich als gleichberechtigte Partner begegnen. Darum genießt es international einen hervorragenden Ruf. Es fühlt sich dem zutreffenden Satz Alexander von Humboldts verpflichtet, ich zitiere: "Die gefährlichste Weltanschauung ist die Weltanschauung der Leute, die die Welt nie angeschaut haben". Schon mit einer seiner ersten Veranstaltungen, die der türkischen Kultur gewidmet war, hat das "Haus der Kulturen der Welt" den Blick auf die Welt geweitet und sich dezidiert gegen Ausländerfeindlichkeit und Extremismus gestellt. Es ist für das Zusammenleben in Frieden und Freiheit von überragender Bedeutung, dass wir einander kennen lernen mit Respekt und auf Augenhöhe. Ich sehe es als eine der zentralen Zukunftsaufgaben an, die Integration in unserer Gesellschaft voranzubringen. Die Kultur hat dabei eine Schlüsselrolle inne.

Ohne Kultur, ohne kulturelle Bildung ist Integration schlichtweg nicht möglich. Mein Haus ist darum mit vielen Einzelinitiativen am so genannten Nationalen Integrationsplan beteiligt. Wir stehen auch mit unseren europäischen Partnern und insbesondere Frankreich und Polen, wo kulturelle Bildung und Integration derzeit ebenfalls Priorität haben, im intensiven Dialog und haben vor wenigen Wochen in Genshagen eine Plattform für kulturelle Bildung im internationalen Kontext ins Leben gerufen. Wir brauchen den kulturellen Dialog in unserer Gesellschaft und über sie hinaus. Das "Haus der Kulturen der Welt" hat sich als ein Forum der Vielfalt der Kulturen aller Kontinente bewährt und verdient gemacht.

Lieber Herr Dr. Scherer, für die unverzichtbar Arbeit, die "Das Haus" für das Verständnis der Welt und das Verstehen der Kulturen geleistet hat, möchte ich Ihnen und Ihren Vorgängern ein herzliches Dankeschön sagen."Das Haus" gilt weltweit als Modell und wird als Kooperationspartner geschätzt. Und ich bin ganz ehrlich: Ich möchte unbedingt, dass auch das Humboldt-Forum ein "Haus der Kulturen der Welt" wird. Deshalb habe ich initiiert, dass Sie, lieber Herr Dr. Scherer, in die Diskussion um die künftige Gestaltung der Agora im Humboldt-Forum einbezogen worden sind. Die Schnittstelle zwischen "Haus der Kulturen der Welt" und Humboldtforum ergibt sich besonders dort, wo die ethnologischen Sammlungen in einen zeitgenössischen Kontext gesetzt werden. Das "Haus der Kulturen der Welt" hat gerade im zeitgenössischen Diskurs große Erfahrungen. Ich bin überzeugt davon, dass wir für die Realisierung des Humboldt-Forums einen gemeinsamen Weg finden werden.

In den vergangenen 20 Jahren hat sich die Welt, hat sich aber auch Deutschland verändert. Das spiegelt sich auch in der inhaltlichen Entwicklung des Hauses der Kulturen der Welt wieder. Es reicht heute nicht mehr, in Veranstaltungen die eigene Gesellschaft mit dem Fremden in Verbindung bringen zu wollen, denn die eigene Gesellschaft hat sich selbst gewandelt, ist kosmopolitischer geworden. Das ist eine Chance und eine Aufgabe für uns alle. Die Kultur spielt dabei eine zentrale Rolle und gibt uns Orientierung. Das Haus der Kulturen der Welt ist seit 20 Jahren ein unverzichtbarer Wegweiser. Dafür danke ich und freue mich auf eine weiterhin gute Zusammenarbeit auch bei der anstehenden Aufgabe, Berlin noch stärker als bisher zu einem Schaufenster der Weltkulturen werden zu lassen.

Herzlichen Glückwunsch zum 20. Geburtstag!