Redner(in): Bernd Neumann
Datum: 05.09.2009

Untertitel: In seiner Rede im Galerie- und Künstlerhaus auf Spiekeroog wies Kulturstaatsminister Bernd Neumann unter anderem auf das notwendige Zusammenspiel von öffentlichem und privatem Kulturengagement hin und hob die Bedeutung der kulturellen Bildung hervor.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Rede/2009/09/2009-09-05-rede-neumann-spiekeroog,layoutVariant=Druckansicht.html


selten habe ich eine so angenehme und erholsame Anreise zu einem Veranstaltungsort. Die Fahrt mit dem Boot von Neuharlingersiel nach Spiekeroog dauert nur 20 Minuten doch führt sie in eine andere Welt, nämlich die des idyllischen Insellebens hier auf Spiekeroog. Bei so einer Fahrt kann man selbst nachvollziehen, wie stark die künstlerische Entwicklung Noldes mit der Landschaft des Nordens verbunden ist. Die Farben des Meeres, des Landes und des Himmels finden sich vor allem in den Aquarellen des Künstlers wieder. Nolde hat sich immer wieder zu seiner kräftigen Palette bekannt. Sein Leitspruch war: "Farbe ist Kraft. Farbe ist Leben".

Farbe und viel Wasser, das ist das Wesen des Aquarells, das nass in nass gemalt wird. Nolde liebte diese Technik, deren Ergebnis spontan und nicht gänzlich vorhersehbar ist. Ein Künstlerhaus auf einer Insel, also umgeben vom Meer, ist ein idealer Ausstellungsort für solche Kunst. Bereits im Frühjahr dieses Jahres ehrte das Künstlerhaus Spiekeroog den unter den Nationalsozialisten als "entartet" verfemten Maler, dem Siegfried Lenz mit seinem Roman "Die Deutschstunde" ein Denkmal gesetzt hat. 7000 Besucher haben die Ausstellung gesehen ein hervorragendes Ergebnis! Damals hatte sie mein niedersächsischer Kollege Lutz Stratmann gemeinsam mit dem von mir sehr geschätzten Direktor der Kunsthalle Bremen, Professor Wulf Herzogenrath eröffnet.

Heute sprechen wieder ein Bremer und eine Niedersächsin man könnte fast sagen, dass dies charakteristisch für das Künstlerhaus ist, gelegen auf der wunderbaren Insel Spiekeroog inmitten des Unesco-Welterbes Niedersächsisches Wattenmeer. Lieber Niels Stolberg, Sie haben dieses Künstlerhaus gegründet. Sie sind für mich eines der besten Beispiele für unternehmerischen Erfolg gepaart mit gesellschaftlicher Verantwortung. Ihr Name steht zugleich für Verlässlichkeit und Dynamik auch das wird die Leihgeber der heutigen Ausstellung dazu bewogen haben, ihre Schätze kostenfrei dem Künstlerhaus Spiekeroog zur Verfügung zu stellen. Vor rund zwei Jahren erst haben Sie das "Galerie- und Künstlerhaus Spiekeroog" ins Leben gerufen und schon heute ist es eine feste Größe in der Kunstszene hier im Norden. In diesem Jahr wurde zum ersten Mal durch eine Jury ein Stipendium an Nachwuchskünstler verliehen.

Ich denke, dass schon die renommierte Besetzung der Fachjury zeigt, wie sehr das Künstlerhaus Spiekeroog geschätzt wird. Dr. Carsten Ahrens, Direktor des Museums Weserburg ( Bremen ) , Prof. Stefan Berg vom Kunstmuseums Bonn und Dr. Jürgen Fitschen sowie der international tätige Künstler Wolfgang Tiemann aus Hannover hatten aus insgesamt 150 Einsendungen drei Künstler ausgewählt.

Auch das Musikfest Bremen macht in diesem Jahr im Künstlerhaus mit einem hochkarätigen Programm Station. Lieber Niels Stolberg, um den Reichtum der Kultur in Deutschland zu erhalten, brauchen wir Mäzene wie Sie. Visionäre, die sich für ihre Ideale einsetzen, sie im wahrsten Sinne des Wortes verwirklichen. Das Künstlerhaus Spiekeroog ist das Ergebnis einer solchen Vision: Einen Ort der Kreativität für alle zu schaffen, die durch die Nähe zur Kunst Kraft tanken wollen.

Wir können uns in Deutschland glücklich schätzen, dass es Menschen gibt, die sich persönlich verantwortlich fühlen und mit ihrem privaten Engagement ein Stück des ihnen widerfahrenen Glücks und Erfolgs an die Gesellschaft zurückgeben. Dies ist der Bürgersinn, auf dem unser Gemeinwesen aufbaut. Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten sind wir im Kulturbereich auf ein gutes Zusammenspiel von öffentlichem und privatem Kulturengagement angewiesen. Das deutsche Modell von starker öffentlicher Finanzierung und privater Förderung hat sich als gut und praktikabel erwiesen. Es ist ein wichtiges Anliegen meiner Politik, dieses gute Miteinander weiter zu fördern und zusätzliche Anreize zu schaffen. Ich habe ich mich dafür eingesetzt, dass mit dem Gesetz zur weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements vom 10. Oktober 2007 mit Rückwirkung zum 1. Januar 2007 die steuerlichen Rahmenbedingungen verbessert wurden.

Die Abzugsfähigkeit von Spenden wurde verdoppelt: von 10 % auf 20 % der Gesamteinkünfte für Privatleute beziehungsweise von 2 auf 4 Promille für Unternehmen. Und auch den bürokratischen Aufwand haben wir minimiert: einen förmlichen Zuwendungsnachweis braucht man nun erst ab einer Spende von über 200 Euro einzureichen.

Doch bei allen positiven Veränderungen der Rahmenbedingungen für privates Engagement möchte ich doch eines sagen: All dies darf nicht zu einem Rückzug der öffentlichen Hand aus der Kulturförderung führen. Der Bund bringt mit derzeit rund 1,1 Milliarden Euro nur 13 % der Kulturförderung der öffentlichen Hand in Deutschland auf den Rest teilen sich Länder und Kommunen. Der Bund hat also, außer bei der Gestaltung der Rahmenbedingungen, nur einen kleinen Spielraum.

Doch ich bin überzeugt, dass die beiden großen Kulturförderer Länder und Kommunen auch weiterhin ihren Verpflichtungen für ein vielfältiges kulturelles Leben nachkommen werden.

Ein Schlüsselbereich der Zukunft ist die kulturelle Bildung. Ich finde es vorbildlich, wie sich das Künstlerhaus Spiekeroog hier einsetzt. Bereits im Frühjahr dieses Jahres, zur ersten Nolde-Ausstellung, wurde der Wettbewerb "Emil Nolde macht Schule" initiiert, an dem sich 54 Schulen aus dem norddeutschen Raum beteiligt haben. Der 1. Preis ging an eine Grundschule aus Weye bei Bremen.

Sie, liebe Frau Nannen, haben diesen Wettbewerb als Kunstbotschafterin begleitet. Ich weiß auch von Besuchen in der Kunsthalle Emden, dass Sie wegweisend für die künstlerische Früherziehung junger Menschen wirken. Ich hoffe sehr, dass dieses Beispiel weiter Schule macht!

Der Bund will in gesamtstaatlicher Verantwortung auch dazu beitragen, dass kulturelle Bildung mehr Beachtung findet. Für Fördermittel aus meinem Haus muss darum seit Anfang dieses Jahres von allen Zuwendungsempfängern der Nachweis vorliegen, dass auch Projekte zur kulturellen Bildung in den Einrichtungen vorgesehen sind. In diesem Jahr haben wir zum ersten Mal einen Preis für Kulturelle Bildung ausgeschrieben, der in der Stiftung Genshagen bei Berlin vergeben wurde. Ich war ein wenig stolz, dass die unanhängige Jury zwei Projekte aus Bremen ausgewählt hat ( Überseemuseum Bremen, Kunsthalle Bremen ) !

Meine Damen und Herren, In der Kunst erzielt man, anders als im Fußball, in der Abseitsstellung die meisten Treffer ". Dieser Ausspruch von Salvador Dalí gilt nicht nur für Künstler, sondern auch für manche Kunsteinrichtungen, die sich abseits vom Mainstream der großen Ausstellungshäuser etablieren.

Galerie und Künstlerhaus Spiekeroog gehören unbedingt dazu.

Ich wünsche der Ausstellung mit den wunderbaren Werken Noldes große Aufmerksamkeit und zahlreiche Besucher und dem Künstlerhaus Spiekeroog viel Erfolg.