Redner(in): Bernd Neumann
Datum: 22.09.2009

Untertitel: In seinerRede im Hamburger Bahnhof in Berlin ging Kulturstaatsminister Bernd Neumann unter anderem kurz auf die Geschichte des Preises ein,wies auf das großeEngagement des Vereins der Freunde der Nationalgaleriehin undschnitt die Themen Berliner Kunsthalle und Förderung der zeitgenössischen Kunst an.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_914560/Content/DE/Rede/2009/09/2009-09-22-rede-neumann-nationalgalerie,layoutVariant=Druckansicht.html


Berlin hat seit dem Fall der Mauer, an den wir in diesem Jahr mit zahlreichen Veranstaltungen erinnern, als Stadt zeitgenössischer Kunst eine rasante Entwicklung genommen. Hohen Anteil daran hatten zunächst einmal die Künstler, die in dieser Metropole im Umbruch Freiräume für sich entdeckten und sie kreativ nutzten. Rasch entstand ein wahrerer Sog, der auch die Galeristen anzog und immer neue Kunstquartiere entstehen ließ. Und schließlich kamen auch mehr und mehr Sammler in die Stadt

unter Ihnen auch das Ehepaar Erika und Rolf Hoffmann.

Rolf Hoffmann hatte nicht nur eine beachtliche Sammlung im Gepäck, die seit 1997 als private, aber sich interessierten Besuchern öffnende Sammlung in der Sophienstraße eine Heimstadt gefunden hat. Er brachte auch die Idee eines Preises für Junge Kunst mit und fand im Verein der Freunde der Nationalgalerie engagierte und kompetente Mitstreiter. Seit dem Jahr 2000 wird der Preis für Junge Kunst nun im Abstand von zwei Jahren vergeben. Er ist mit einem Preisgeld von 50. 000Euro bekanntlich nicht nur einer der am besten dotierten Kunstpreise in Deutschland, er braucht auch internationale Vergleiche nicht zu scheuen und wirkt daher auch auf die internationale Kunstszene zurück.

Man kann es nicht oft genug sagen der Verein der Freunde der Nationalgalerie ist ein wahrer Motor der Entwicklung Berlins als Kunststadt. 1977 im Büro des Rechtsanwalts Peter Raue gegründet, hat dieser Verein es möglich gemacht, dass die Nationalgalerie ihren Anspruch als national und international wahrgenommene Stätte der modernen Kunst überhaupt erfüllen konnte. Ich las neulich, dass Sie bisher Werke im Wert von über 55 MillionenEuro angekauft haben. Das ist aller Ehren Wert und dem manchmal geradezu leidenschaftlichem Engagement ihrer Mitglieder geschuldet. Als Vorsitzender des Aufsichtsrates der Stiftung Preußischer Kulturbesitz nutze ich die Gelegenheit, dass so viele Mitglieder heute anwesend sind, sehr herzlich Dank zu sagen. Mich überrascht nur immer wieder die Selbstlosigkeit des Vereins, der sich zuallererst den Vorschlägen und Wünschen des Direktors der Nationalgalerie beugt. Das nenne ich einen komfortablen Zustand, lieber Herr Kittelmann. Und so bin ich sehr gespannt, was Sie für Wünsche haben werden.

Dass in diesem Jahr vier Künstlerinnen und Künstler für den Preis der Nationalgalerie nominiert wurden, die bei unterschiedlicher Herkunft heute alle in Berlin leben, mag ein Zufall sein. Aber es überrascht nicht und spricht für die Vitalität und das Potential der Stadt. In diesem Zusammenhang greife ich gerne ein Wort des Berliner Kulturstaatssekretärs André Schmitz auf, der in einem Artikel kürzlich mit Recht darauf aufmerksam machte, dass Berlin nicht der Nabel der Kunstwelt bleiben muss und die Karawane weiter ziehen wird. Man müsse daher dafür sorgen, dass sie an Berlin nicht vorbeiziehen kann.

Was André Schmitz für die umstrittene Kunsthalle ausführte, gilt für den Hamburger Bahnhof, das Museum zeitgenössischer Kunst der Stiftung preußischer Kulturbesitz natürlich genauso. Egal ob und wo die Berliner Kunsthalle gebaut wird ich würde mir wünschen, dass es eine verantwortungsvolle Zusammenarbeit und Abstimmung in der Kunstszene der Stadt gibt, in der natürlich auch die in Berlin lebenden Künstler eine Chance erhalten, wahrgenommen zu werden. Der Preis für Junge Kunst ist hier ein wichtiger Baustein der Künstlerförderung und hat dazu noch den Charme, dass von der Hälfte des Preisgeldes ein Werk des Preisträgers für die Nationalgalerie angekauft wird und die Sammlung mehrt. Das nenne ich praktisch gedacht!

Sie haben, lieber Herr Kittelmann, den Hamburger Bahnhof kräftig durchgelüftet, wie eine Zeitung schrieb. Sie haben einen anderen Blick auf die Sammlungen geworfen und sie laden auch uns ein, den reichen Bestand neu zu entdecken. Das finde ich gerade auch für ein Museum der zeitgenössischen Kunst außerordentlich wichtig. Eine Erfahrung, die wir hier in der großen Halle machen können ist übrigens sehr aufschlussreich, dass nämlich weniger oftmals mehr ist. Das sollte man auch in anderen Bereichen beherzigen!

Puristen mögen sich an einzelnen Inszenierungen stoßen, aber Ihre Präsentation, Herr Kittelmann, besticht dadurch, dass sie ohne viele Erklärungen gedankliche Verknüpfungen herstellt, wo man sich sonst mit der Kunst oft allein gelassen fühlt. Und die Lust am Schauen gehört - so finde ich - mit dazu.

Der Erfolg bei Publikum und Presse spricht für Sie und ich hoffe, dass Sie uns auf diese Weise noch häufig überraschen und natürlich zum Besuch des Hamburger Bahnhofs und auch des Stammhauses in der Potsdamer Straße anregen werden.

Meine Damen und Herren,

die Neue Nationalgalerie mit dem Hamburger Bahnhof ist nicht der einzige Bereich, in dem sich der Bund für die zeitgenössische Kunst engagiert. Für die "Sammlung zeitgenössischer Kunst der Bundesrepublik Deutschland" kaufen wir seit 37 Jahren wichtige Arbeiten von in Deutschland lebenden und arbeitenden Künstlern an ( mit derzeit rund 500.000 Euro jährlich ) . Mit Millionensummen engagiert sich zudem die zu meinem Haus gehörende Kulturstiftung des Bundes jedes Jahr in diesem Bereich von der Documenta bis zur Kunstvereinsförderung im ganzen Land.

Auch den Unterhalt von Künstlerstätten halte ich nach wie vor für einen bedeutenden Aspekt der Förderung, denn Kunst lebt von Eindrücken, von Begegnungen und Erfahrungen. Wir vergeben hervorragend dotierte Stipendien in Florenz, Rom, Venedig und Los Angeles. Und ich habe mich dafür eingesetzt, dass wir demnächst gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt die Künstlerstätte Tarabya in Istanbul eröffnen. So bereiten wir in Deutschland lebenden Künstlern den Weg in ein pulsierendes kulturelles Zentrum.

Meine Damen und Herren,

zeitgenössische Kunst stellt uns die Fragen, die sonst kaum einer stellt: zu unserem Leben und zu unserem Land, zu unserer Gesellschaft und zu unseren Überzeugungen, zu unseren Konflikten und zu unseren Gemeinsamkeiten.

Sie stellt diese Fragen selten direkt, sondern schickt uns auf Umwege. Sie lässt uns zuweilen ratlos zurück, sie begeistert uns oder stößt uns auch ab. Genau das darf sie, und genau das soll sie. Wir leben in einer Zeit, in der Antworten oftmals zu schnell gegeben werden. Die Kunst dagegen bietet uns einen Erfahrungsraum, in dem wir uns Zeit nehmen können, in dem von uns nichts erwartet wird, aber vieles erlebt werden kann.

Die Auswahl der Künstler, die für den diesjährigen Preis der Nationalgalerie nominiert wurden, überrascht insoweit, als sie alle in überaus starkem Maße Geschichte und Geschichten erzählen. Ich bin gespannt auf die Entscheidung der Jury und gratuliere allen Künstlern schon einmal zur Nominierung. Allein schon mit dieser Vorauswahl, die Ihnen sicherlich weitere Türen öffnen wird, stehen Sie in einer namhaften Gesellschaft.

Und damit bin ich gespannt auf den diesjährigen Preisträger und wünsche uns allen einen erlebnis- und erfahrungsreichen Abend.