Redner(in): Angela Merkel
Datum: 25.05.2010
Untertitel: am 25.Mai 2010 in Abu Dhabi
Anrede: Sehr geehrter Herr Al Mansouri, sehr geehrter Herr Pfaffenbach, Exzellenzen, meine Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_1498/Content/DE/Rede/2010/05/2010-05-25-abu-dhabi,layoutVariant=Druckansicht.html
ich freue mich, heute gemeinsam mit unserer Wirtschaftsdelegation hier bei der Sitzung der 8. Deutsch-Emiratischen Gemischten Wirtschaftskommission zu Gast zu sein. Die Tatsache, dass bereits diese achte Sitzung stattfindet, ist ein Ausdruck der strategischen Partnerschaft zwischen den Vereinigten Arabischen Emiraten und der Bundesrepublik Deutschland. Wir haben es uns damals sehr gut überlegt, diese strategische Partnerschaft zu gründen. Sie ist ausgerichtet auf beiderseitigen Nutzen. Denn zum einen sind die Vereinigten Arabischen Emirate der wichtigste Wirtschaftspartner in der Region für Deutschland, zum anderen haben wir auch eine tendenziell ausgeglichene Handelsbilanz und ein interessantes Engagement der Vereinigten Arabischen Emirate in Deutschland im Blick.
Jeder, der über die letzten Jahre die Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern beobachtet hat, sieht, dass in diesen Beziehungen eine sehr hohe Dynamik herrscht. Das hat damit zu tun, dass Sie in den Vereinigten Arabischen Emiraten die Modernisierung sehr strategisch planen und durchführen. Ich finde es immer wieder beeindruckend, dass Sie für die nächsten Jahre und Jahrzehnte sehr klare Vorstellungen haben und auf welchem Weg Sie die Modernisierung durchführen werden.
Ein wichtiger Bestandteil dieser Modernisierung heißt auch Diversifizierung; das heißt, die eigene Wirtschaft auf breitere Beine zu stellen und Vorbereitungen für die Zeit zu treffen, in der Rohstoffe nicht mehr die eigentliche und einzige Quelle des Wohlstandes sind. Wir wollen dabei hilfreich sein, denn ich glaube, dass Deutschland sehr viele Beiträge zu dieser Modernisierung leisten kann.
Unser Handelsvolumen hat jetzt eine Höhe von 6, 6Milliarden Euro erreicht; das kann gut mehr werden. Das heißt, ich möchte, dass wir das durchaus gesteigert haben werden, wenn ich das nächste Mal in diese Region komme. Das Engagement das sieht man auch an unserer Wirtschaftsdelegation ist ja sehr breit. Auf der einen Seite sind hier große Unternehmen aus Deutschland engagiert ich nenne an dieser Stelle zum Beispiel Siemens oder Linde; damit ist aber kein anderer ausgeschlossen, auf der anderen Seite sind es kleine und mittlere Unternehmen, die eine sehr gute Ergänzung zu den großen Wirtschaftsunternehmen Deutschlands sind. Die Branchen sind vielfältig: Bauindustrie, Maschinen- und Anlagenbau, zunehmend auch die Petrochemie, der ganze Bereich der Luftfahrtindustrie und des Luftverkehrs, Energiewirtschaft, Umwelttechnologien, Gesundheitswirtschaft sicherlich mit einer zunehmenden Bedeutung. Es wären noch sehr viel mehr Beispiele zu nennen, bei denen die Kooperation schon sehr erfolgreich funktioniert.
Ich konnte mir eben Masdar City, ein wirklich sehr ambitioniertes Projekt, anschauen. Wir waren zwar nicht so glücklich darüber, dass wir IRENA, die Internationale Agentur für erneuerbare Energien, nicht bekommen haben. Wir haben aber hart gekämpft und, wie ich finde, eine recht gute Lösung gefunden: Die Agentur soll in Masdar City angesiedelt sein, aber eben auch mit einer Verbindung nach Deutschland. Ich glaube, das könnte symbolisch für den gesamten Bereich der Energie-Zusammenarbeit werden. In dieser Hinsicht war ich auch sehr zufrieden, als ich mir eben die erste Erdgastankstelle anschauen konnte, die hier durch die Firma Bauer und durch ADNOC, der Nationalen Ölgesellschaft von Abu Dhabi, eingeweiht wurde.
Wir wissen natürlich, dass wir nicht die einzigen Partner der Vereinigten Arabischen Emirate auf der Welt sind. Das heißt, wir müssen uns immer wieder anstrengen. Ihre strategisch günstige Lage hier bedingt ja, dass Sie Ihren Blick sowohl nach Europa als auch nach Asien wenden können. In diesem Zusammenhang kommt uns bei unserer gewachsenen Zusammenarbeit sicherlich eine große Aufgabe zu, nämlich schnell zu handeln, intensiv zu handeln und attraktive Angebote zu machen. Ich glaube, dass wir dadurch, dass wir Systemlösungen vom Bau bis zum Betrieb, mit großen logistischen Inhalten, mit Service und anderem anbieten können, wenn es zum Beispiel um Infrastrukturprojekte geht, in vielen Bereichen sehr gute Gesamtangebote machen können. Der Wettbewerb ist für uns aber natürlich auch ein Ansporn dafür, dass Europa insgesamt und auch Deutschland schneller werden müssen.
Wir wissen, dass Sie einen sehr klaren Blick in Richtung Europa haben. Wir haben auch zur Kenntnis genommen, dass wir jetzt seit etwa 18Jahren über ein Freihandelsabkommen zwischen Europa und dem Golf-Kooperationsrat verhandeln, während Sie das mit asiatischen Partnern in zwei oder drei Verhandlungsrunden hinbekommen haben. Ich werde daher noch einmal darauf dringen, dass die letzten Millimeter, die wir jetzt noch brauchen, endlich geschafft werden, damit das Ganze nicht ein Projekt fürs Museum, sondern ein Projekt für das praktische Leben wird.
Wir müssen auch noch einmal einen Blick auf das Doppelbesteuerungsabkommen werfen. Auch dort sind wir Millimeter vorm Ziel, aber irgendwie immer noch nicht ganz angekommen. Der Botschafter überbringt mir gerade die gute Nachricht, das Abkommen sei gestern fertig geworden. Da kann ich nur "Congratulations!" sagen. Ich bin happy, dass einmal eine Sache abgeräumt wurde. Solche Dinge müssen wirklich auch einmal zu einem Schlusspunkt gebracht werden, weil sie für die Rechtssicherheit natürlich von großer Bedeutung sind. Herr Pfaffenbach hat auch über die Möglichkeiten der rechtlichen Kooperation zwischen unseren Ländern gesprochen.
Ich bin immer wieder sehr beeindruckt von der Art und Weise, von der Zuversicht, mit der Sie Ihr Land entwickeln. Ich glaube, dass wir eine große Zukunft vor uns haben und dass auch das Engagement der Vereinigten Arabischen Emirate in Deutschland an Bedeutung gewinnen wird. Es war schon interessant, in Masdar City über die thüringische Firma zu reden, die in Erfurt die Sonnenkollektoren für dieses Projekt herstellt und die viele Arbeitsplätze in Deutschland schafft. Ich habe Scheich Mohammed gestern eingeladen, mit mir nach Dresden zu fahren, wenn er das nächste Mal nach Deutschland kommt, damit wir uns dort bei AMD die Chip-Produktion anschauen.
Wir sind bereit, noch mehr in den Bereich Wissensgesellschaft, das heißt, in Bildung und Ausbildung zu investieren. Wir wissen, dass die Sorbonne hier schon eine kleine Dependance hat; ich denke, die Humboldt-Universität oder eine andere große deutsche Universität könnte so etwas hier auch haben. Wir glauben, dass wir auch mit unseren Fachhochschulen sehr gute Angebote machen können. Zum Beispiel hat Wildau hier gestern ein Memorandum of Understanding unterschrieben und den Vereinigten Arabischen Emiraten ein gutes Bildungsangebot geben können. Wir alle unsere Firmen sind sehr stolz auf unsere Berufsausbildung. Ich denke, die Berufsausbildung und die Facharbeiterausbildung werden auch weiterhin eine wichtige Rolle spielen.
Sie sollen also wissen: Auf deutscher Seite schätzen wir die Kooperation außerordentlich. Ausdruck dessen ist, dass heute führende Wirtschaftsvertreter mit dabei sind. Wir stellen uns dem Wettbewerb, aber wir glauben auch, dass eine Kombination aus verlässlichen und freundschaftlichen politischen Beziehungen, guter wirtschaftlicher Zusammenarbeit, intensiver Bildungszusammenarbeit und auch kultureller Zusammenarbeit eine insgesamt herausragende Grundlage ist, um unsere Beziehungen fortzuentwickeln.
Deshalb herzlich Dank dafür, dass ich heute hier sein darf. Herzlichen Dank auch an die Wirtschaftskommission und ihre Mitglieder, die oft nicht im Lichte der Öffentlichkeit permanent für die Verbesserung unserer Beziehungen arbeiten. Denn eines ist auch richtig: Im 21. Jahrhundert gibt es viele knappe Güter, aber das knappste Gut ist wahrscheinlich die Zeit, die man füreinander aufbringt und miteinander verbringt. Dass Sie für die Beziehungen zwischen Deutschland und den Vereinigten Arabischen Emiraten immer wieder Zeit finden, ist sehr gut.
Danke schön und weiterhin gute Arbeit.