Redner(in): Bernd Neumann
Datum: 03.06.2010

Untertitel: In seiner Rede anlässlich der Feier zum 100. Jahrestag des Bestehens der Villa Massimo in Rom betonte Kulturstaatsminister Bernd Neumann deren Brückenfunktion zwischen den Kulturen in Europa. Die "Villa Massimo" sei nicht nur ein Kleinod der Kulturnation Deutschland, sondern zugleich auch ein würdiges Symbol für die tiefen kulturellen Beziehungen zwischen Deutschland und Italien, die weit in die Geschichte zurückreichen und auch heutzutage sehr lebendig sind.
Anrede: Sehr geehrter Herr Gesandter Däuble, Frau Bundestags-Abgeordnete Grütters, lieber Herr Blüher, liebe Stipendiatinnen und Stipendiaten, meine Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_1498/Content/DE/Rede/2010/06/2010-06-03-neumann-villa-massimo,layoutVariant=Druckansicht.html


als zuständiger Fachminister begrüße ich Sie sehr herzlich in der Deutschen Akademie Rom und überbringe Ihnen die Glückwünsche der Bundesregierung zum 100. Jubiläum. Im Februar dieses Jahres haben wir bereits im Gropius-Bau in Berlin den Auftakt des Jubiläumsjahres mit der Präsentation der Stipendiaten gefeiert und das mit gutem Recht, denn von Berlin, das im 19. Jahrhundert von großer Antikenbegeisterung beseelt war, ging das bewundernswerte mäzenatische Wirken von Eduard Arnhold aus, dem wir die Villa Massimo verdanken.

Heute wie vor hundert Jahren gilt: Wer mit Muße und Zeit Rom entdecken kann, der lernt nicht nur viel über die Wurzeln unserer europäischen Geschichte, sondern auch über sich selbst. Friedrich Christian Delius, vor einigen Jahrzehnten selbst Stipendiat der Villa Massimo, hat es so ausgedrückt: "Rom, so viel ist sicher, lehrt sehen und hören". Genau das war der Grund, warum der Preußische Staat seit dem späten 18. Jahrhundert Künstler nach Rom schickte, ausgestattet mit einem Stipendium aber ohne Unterkunft. Als ehrenamtlicher Senator der Akademie der Künste trieb es Eduard Arnhold um, wie ärmlich deutsche Künstler in Rom leben mussten vor allem auch im Vergleich mit den französischen, die bereits in einer eigenen Akademie in Rom unterkamen. Eduard Arnhold nahm dem zögerlichen Staat nach einigen Jahren des Hin und Hers schließlich die Entscheidung ab, eine Akademie in Rom zu gründen. Im August 1910 kaufte er ein Teilgrundstück der weitläufigen Vigna Massimo und ließ darauf großzügige Atelierhäuser und eine Villa bauen, die er dann samt Stiftungsvermögen dem preußischen Staat vermachte. Dies war die Geburtsstunde der Villa Massimo!

Eduard Arnhold war eine bedeutende Unternehmerpersönlichkeit und ein Mäzen im idealsten Sinne des Wortes. Stets hatte er ein offenes Ohr und eine offene Geldbörse für die Kunst und die Wissenschaft. Ich begrüße sehr herzlich Baronin von Maltzahn, die die Gründerfamilie Arnhold vertritt. Aber nicht nur vor 100 Jahren gab es großzügige Freunde der Künste, sondern auch heute. Ich begrüße Rolf Becker, der zu den stillen Mäzenen in Deutschland gehört. Sehr verehrter Herr Becker, Sie lassen durch Ihr mäzenatisches Wirken die Gesellschaft an Ihren Erfolgen und an dem Ihnen widerfahrenen Glück teilhaben; damit zeigen Sie großen Bürgersinn und hohe Verantwortung für unser Gemeinwesen! Mit Chillidas Skulptur "Berlin" vor dem Bundeskanzleramt haben Sie unserer Regierungszentrale ein Wahrzeichen geschenkt.

Besonders danke ich Ihnen für die Unterstützung von bedeutenden Einrichtungen, die von meinem Haus getragen werden, wie die Villa Romana in Florenz und insbesondere die Villa Massimo in Rom, die in Ihnen seit Jahren einen treuen Freund und Förderer hat. Heute schenken Sie, lieber Herr Becker, großzügig uns allen das Konzert, das Gerhard Oppitz im Anschluss geben wird. Herzlichen Dank!

Meine Damen und Herren,

Durs Grünbein, im vergangenen Jahr Stipendiat der Villa Massimo, hat es in seinen ganz persönlichen "Römischen Elegien" erschienen als Kolumne in der Zeitschrift "Cicero" während seines Aufenthaltes in Rom ganz wunderbar formuliert: Jetzt wird geprasst mit Licht, Luft und Leichtsinn. Hier lässt selbst Sisyphos los. Sieben Hügel, das genügt, dass der Stein ins Rollen gerät ". Genau das wollen wir erreichen, wenn wir solche Freiräume der Kunst und Kultur fördern: Es soll etwas ins Rollen geraten, und sei es ein Stein des Anstoßes, der den Blick in eine neue Richtung lenkt. Es sind diese Anstöße, diese neuen Perspektiven, die wir gerade in Zeiten brauchen, in denen Meldungen über ökonomische Schreckensszenarien alles zu überdecken drohen.

Deutschland versteht sich als Kulturnation, und darum sind Kunst und Kultur das Fundament für das gedeihliche Zusammenleben in unserem Land. Sie sind, wie die deutsche Sprache, ein wichtiger Teil unserer Identität.

Die Kunst ist eine Mahnerin, die uns immer wieder die grundlegenden Wahrheiten zuruft, die in der Hektik und Betriebsamkeit des Alltags verloren zu gehen drohen. Jeder Mensch braucht für seine persönliche Weiterentwicklung Zeiten der Muße und der Nachdenklichkeit. Zweckfreies Handeln und die Beschäftigung mit dem Schönen sind die Quellen, aus denen wir Kraft schöpfen. Ein Leben ohne Theater- und Konzertbesuche, ohne Literatur und ohne Freude an der Kunst, ist für mich ein armseliges! Aus jeder Begegnung mit der Kunst gehen wir gestärkt und auch ein bisschen verwandelt hervor, denn sie öffnet unsere Augen für das Neue und Überraschende, aber auch für das vermeintlich allzu Vertraute.

Wir können auf die Anregungen, die die Kunst uns gibt, nicht verzichten. Darum reichen wir den Künstlern mit dem Rom-Preis übrigens dem höchstdotierten Stipendium, das unser Land zu vergeben hat! die Hand in der Hoffnung, dass das Jahr in Rom ihre künstlerische Entwicklung weiterbringt und Impulse gibt, die, auf welche Art und Weise auch immer, zu Anregungen für die Gesellschaft werden können. Doch Orte wie die Villa Massimo sind nicht nur "kreative Tankstellen" für deutsche Künstler. Sie bauen auch Brücken zwischen den Kulturen in Europa. Die "Villa Massimo" ist damit nicht nur ein Kleinod der Kulturnation Deutschland, sondern zugleich auch ein würdiges Symbol für die tiefen kulturellen Beziehungen zwischen Deutschland und Italien, die weit in die Geschichte zurückreichen und auch heutzutage sehr lebendig sind. Die "Deutsche Akademie Rom" ist eine kulturelle Oase, die hier, in Rom, große Strahlkraft entfaltet. Ich denke, dass gerade dies einer der gewichtigen Gründe dafür war, dass die Mitglieder des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages die Zuwendungen für diese Einrichtung in den letzten Jahren um eine beachtliche Summe erhöht haben und nunmehr jährlich gut zwei Millionen Euro ausmachen. Dies wäre sicherlich nicht geschehen, lieber Herr Blüher, hätte die Villa Massimo unter Ihrer Leitung nicht eine so gute Entwicklung genommen. Sie haben nach der Schließung des Hauses wegen notwendiger umfangreicher Sanierungsarbeiten von 2000 bis 2002 die Villa wieder geöffnet. Seitdem finden hier Symposien, Ausstellungen, Konzerte, Lesungen und Feste statt, die auch zu einem lebendigen Treffpunkt der kulturinteressierten römischen Öffentlichkeit geworden sind. So ist die Villa Massimo ein hervorragender Botschafter Deutschlands in der "Ewigen Stadt". Ein Novum ist, dass auch die künstlerischen Arbeiten der Stipendiatinnen und Stipendiaten innerhalb der Stadt Rom und sogar in Olevano sichtbar bleiben.

Ich möchte an dieser Stelle nur zwei Beispiele nennen: Die beiden Konferenzräume, die die Bundesrepublik Deutschland der in Rom ansässigen Welternährungskonferenz der UNO und der Weltentwicklungsbank geschenkt hat, wurden von Stipendiaten der Villa Massimo gestaltet.

Und vier Stipendiaten des Jahrgangs 2007 haben den ehrgeizigen Plan entwickelt, in Olevano eine Kirche zu bauen.

Meine Damen und Herren,

der "Rom-Preis" ist eine besondere Auszeichnung für jeden Künstler. Insgesamt haben seit ihrer Gründung vor 100 Jahren 729 Stipendiatinnen und Stipendiaten hier in Rom gelebt und gearbeitet.

Die Jurys denen ich an dieser Stelle für ihre kompetente Auswahl sehr herzlich danken möchte haben die Besten ausgewählt. Zahlreiche Namen sind aus der deutschen und internationalen Kunst- , Literatur- Musik- und Architekturgeschichte nicht mehr wegzudenken. Und seit Dezember 2009 zählt mit der Autorin Herta Müller auch eine Literaturnobelpreisträgerin dazu.

Lieber Herr Blüher, ich wünsche Ihnen für die kommenden Jahre weiterhin eine gute Hand, ein kreatives und verlässliches Team, den Stipendiatinnen und Stipendiaten einen anregenden und inspirierenden Aufenthalt und uns allen ein schönes Jubiläums-Fest!