Redner(in): Angela Merkel
Datum: 10.06.2010

Untertitel: in Berlin
Anrede: Sehr geehrter Herr Präsident, lieber Herr Oetker, sehr geehrter Herr Hambrecht, sehr geehrter Herr Bundespräsident von Weizsäcker, meine Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_1498/Content/DE/Rede/2010/06/2010-06-11-stifterverband,layoutVariant=Druckansicht.html


auch ich m

chte Ihnen, lieber Herr Bundespr

sident Richard von Weizs

cker, ganz herzlich zu dieser Auszeichnung gratulieren, wobei auch ich der Meinung bin, dass die Richard-Merton-Ehrennadel die Verleiher genauso schm

ckt wie den, an den sie verliehen wurde.

Ich bin heute sehr gerne zur diesj

hrigen Festveranstaltung des Stifterverbandes f

r die Deutsche Wissenschaft gekommen. Ich m

chte auch von meiner Seite aus Danke sagen

Danke f

r 90

Jahre Wissenschaftsf

rderung in Deutschland. Seit 90

Jahren b

ndelt der Stifterverband das Engagement der Wirtschaft f

r die Wissenschaft. Er unterst

tzt Forschung und Lehre in Deutschland, gibt immer wieder Impulse f

r die Weiterentwicklung unserer Wissenschaftslandschaft und f

rdert vor allen Dingen b

rgerschaftliches Engagement im Bereich der Stiftungen. Die Wirtschaft

bernimmt im Stifterverband Verantwortung f

r ein leistungsstarkes Hochschul- und Wissenschaftssystem.

Auf jeden Fall sind es 90

Jahre im Dienst der Wissenschaft. Und schon am Anfang stand eine Erkenntnis. Diese Erkenntnis hing unmittelbar mit der allgemeinen Situation im Gr

ndungsjahr des Stifterverbandes zusammen. 1920, kurz nach der Katastrophe des Ersten Weltkriegs, war Deutschland in seinen wirtschaftlichen und sozialen Fundamenten schwer ersch

ttert. Damals waren es weitsichtige Unternehmer und Wissenschaftler, die sich schnell einig wurden in der Ansicht, dass ein zukunftsf

higes Deutschland, eine zukunftsf

hige Gesellschaft und Wirtschaft immer auch auf leistungsf

hige Universit

ten, Hochschulen und Forschungsinstitute gegr

ndet sein sollten. Das Spannende war, dass sie erkannten, dass die Unternehmen eine Mitverantwortung f

r die Bildungs- und Forschungslandschaft haben. Beispielhaft daf

r steht der

berlieferte Satz von einem der Gr

nder des Stifterverbandes, Carl Duisberg. Er sagte 1920:

Wir m

ssen jeden Pfennig, den wir

brig haben, in die Wissenschaft stecken.

In diesem Zitat kommt bereits ein unternehmerisches Selbstverst

ndnis zum Ausdruck, das rund 30

Jahre sp

ter dem idealtypischen Unternehmerbild der Sozialen Marktwirtschaft entsprechen sollte.

Das ist der Geist, der eine lange Tradition geformt hat und der deutlich macht: Soziale Verantwortung der Wirtschaft ist etwas, wof

r man einsteht

von 1920 bis heute.

Rund 3.000

Unternehmen, Verb

nde, Stiftungen und Privatpersonen machen den Stifterverband mit ihren Spenden, Beitr

gen und Stiftungsertr

gen zum aktuell gr

ten privaten Wissenschaftsf

rderer Deutschlands. Mit seinen Initiativen zur St

rkung der Hochschulen und zur Vernetzung von Wissenschaft und Wirtschaft weist der Stifterverband immer wieder den Weg, wie wir mit Bildung, Forschung und Innovation unseren Wohlstand dauerhaft sichern k

nnen.

Sie, meine Damen und Herren, nehmen ernst, was uns das Grundgesetz auftr

gt:

Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

Das ist ein Satz, den man in den letzten zwei Jahren nicht f

r jeden, der in der privaten Wirtschaft, insbesondere in einem bestimmten Sektor, t

tig ist, sagen konnte.

Ich danke Ihnen daf

r, dass Sie sich genau diesem grundgesetzlichen Artikel verpflichtet f

hlen. Wir brauchen Ihr Engagement zum Wohle der Allgemeinheit mehr denn je

gerade jetzt, in einer Zeit, in der sich auch die Bundesrepublik Deutschland durch die internationale Finanz- und Wirtschaftskrise nicht nur in der schwierigsten haushaltspolitischen Situation ihrer Geschichte befindet, sondern vor allen Dingen auch darum ringt, was das Verst

ndnis von Sozialer Marktwirtschaft ist und wo die Verantwortung der einzelnen Gruppen liegt. Ich glaube, dass wir im Augenblick insgesamt in einer Situation sind, in der die Verfasstheit unseres Staates immer wieder auf die Probe gestellt wird, in der die Beitr

ge der Einzelnen dringend notwendig sind. F

r mich war es eine gute Erfahrung, dass wir mit dem Ausbruch der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise ein wichtiges und im Allgemeinen sehr intensives und gutes Miteinander von Politik, Arbeitgebern

sprich, der Wirtschaft

und Arbeitnehmern gehabt haben.

Die Soziale Marktwirtschaft befindet sich in einer Bew

hrungsprobe. Gerade in einer solchen Zeit ist es wichtig, dass auch das Engagement der Wirtschaft im Bereich Forschung und Bildung, also im Zukunftsbereich, deutlich wird. Wir haben einen Wirtschaftseinbruch von f

nf Prozent gehabt

etwas, was die Bundesrepublik Deutschland in seiner 60-j

hrigen Geschichte bislang nicht gekannt hat. Dieser Wirtschaftseinbruch wird uns und das Leben in unserem Lande auch noch einige Jahre pr

gen. Und wie es so ist: Im ersten Schock ist jeder noch mit dabei, aber bei der

berwindung der Krise werden jetzt auch die M

hen der Ebene kommen. In einer solchen Krise werden auch weltweit die Karten neu gemischt. Es wird ganz wichtig sein, dass das, was uns in den letzten Jahren stark gemacht hat, jetzt auch weitergef

hrt wird.

Gerade in der Phase, die vor uns liegt, sind Institutionen wie der Stifterverband aus meiner Sicht von allergr

ter Bedeutung. Denn die Menschen schauen mehr denn je, wo denn Elemente und Kennzeichen der Sozialen Marktwirtschaft auch in Zeiten der Globalisierung erlebbar sind. Da es auch um die Zukunft unseres Landes geht, wenn wir

ber Bildung und Forschung sprechen, ist es gerade in einer Zeit, in der der Wettbewerb weltweit zunimmt, wichtig, deutlich zu machen, welcher Anspruch uns in Deutschland leitet. Dabei ist der Stifterverband eine wichtige Gr

e.

In dieser Zeit erlebt unser Land einen massiven demografischen Wandel. Wir werden

erfreulicherweise

mehr

ltere, aber weniger Junge haben. In den n

chsten Jahren werden Jahr f

r Jahr 200.000 Menschen mehr aus dem Arbeitsleben ausscheiden als da eintreten. Umso wichtiger wird es sein, das, was unser Rohstoff ist, n

mlich die F

higkeiten und Kenntnisse der Menschen, fortzuentwickeln, denn dabei stehen wir in einem viel st

rkeren Wettbewerb, als wir fr

her hatten.

Ich sehe gerade Herrn Reitzle, der mich auf meiner letzten Golfreise begleitet hat

das Folgende gilt aber auch f

r Reisen nach China und in andere L

nder: Wenn man sich einmal in der Welt umschaut

Sie alle, die Sie hier sitzen, sind wahrscheinlich

fters auf Reisen als ich dann muss man einfach erkennen, dass die Dynamik in vielen Bereichen der Welt so sichtbar ist, dass es von allergr

ter Bedeutung ist, dass wir auf dem guten Fundament, das wir haben, aufbauen und uns stetig weiterentwickeln. Wenn wir das nicht tun, werden wir unwiderruflich abgeh

ngt werden. Dabei spielt die Frage von Bildung und Wissenschaft eine zentrale Rolle. Wer sich einmal anschaut, was an Bildungsst

tten und Bildungsst

dten rund um die Welt in dieser Zeit gebaut wird und was in Bildung investiert wird, der wei dass wir auf einem guten Pfad sind, aber der wei

auch, dass wir intensiv weitermachen m

ssen.

Der ehemalige Vorsitzende des Stifterverbandes, Richard Merton, hat einmal gesagt:

Die Forschung von heute ist das Brot von morgen.

Damit hat er schon damals, in den 50er Jahren, Recht gehabt, aber das gilt in unserer heutigen Zeit noch mehr. Deshalb ist meine Erwartung, dass Ihr Engagement nach 90

Jahren nicht erlahmt, sondern gerade in den Zeiten, in denen wir jetzt leben, an Kraft gewinnt.

Wir haben uns in unserer Regierungsarbeit nat

rlich auch dieser Aufgabe gewidmet. Sie wissen, dass wir gerade bei Bildung und Forschung trotz notwendiger Haushaltskonsolidierung nicht gespart haben. Im Gegenteil: Wir haben in diesem Bereich einen systematischen Aufwuchs an Ausgaben, den wir auch fortsetzen wollen. Wir haben gesagt: Deutschland soll eine Bildungsrepublik werden. Fragen der Sozialen Marktwirtschaft, die inzwischen, wie ich glaube, besser geregelt sind, als das noch vor 50

Jahren der Fall war, werden heute insbesondere durch Bildungsfragen ersetzt. Wenn unser Land nicht gut gebildete Menschen und insbesondere gut gebildete junge Leute hervorbringt, wenn das lebenslange Lernen nicht zu einer Selbstverst

ndlichkeit wird und wenn nicht auch die

lteren als Pers

nlichkeiten angesehen werden, die sich immer wieder weiterentwickeln k

nnen, dann werden wir mit der Dynamik der Entwicklung auf der Welt nicht mithalten k

nnen.

Deshalb haben wir jetzt versucht, die notwendige Haushaltskonsolidierung vorzunehmen, die auch ganz viel mit Zukunft zu tun hat. Denn es ist eigentlich ein unhaltbarer Zustand, dass wir seit etwa 40

Jahren ganz selbstverst

ndlich immer mehr ausgeben, als wir einnehmen. Wenn wir heute

ber Sparen sprechen, sprechen wir eigentlich nur

ber die Erreichung eines Zustandes, in dem wir in einem Jahr nicht mehr ausgeben, als wir eingenommen haben. Dann haben wir aber immer noch keine Schulden abgebaut. Deshalb muss sich an der Struktur unseres Haushaltes etwas

ndern.

Wir hatten im Jahre 1980 einen Anteil der Sozialausgaben am Bundeshaushalt von 16

Prozent. 1990 waren wir schon bei 30

Prozent. Wir sind in diesem Jahr

es ist ein krisenbedingter Haushalt, weshalb das etwas atypisch ist; aber ganz so schlimm ist es generell noch nicht

bei fast 55

Prozent. Wenn wir dann noch die Personalkosten des Bundes und die Zinszahlungen addieren, sind bereits rund 75

Prozent des Bundeshaushalts ausgegeben. Wenn wir da keine Neutarierung zugunsten von Zukunftsinvestitionen hinbekommen, dann wird es f

r die kommenden Zeiten ausgesprochen schwierig. Und wenn der Anteil der Zinszahlungen am Bundeshaushalt weiter w

chst, dann werden nat

rlich die Spielr

ume f

r kommende Generationen immer geringer. Deshalb gibt es zu dem, was wir tun m

ssen, keine vern

nftige Alternative

es gibt immer Alternativen, aber es gibt in diesem Fall keine vern

nftige Alternative. Darum ist es auch so wichtig

und ich bitte den Stifterverband, das ganz vehement zu tun; Sie tun es ja auch dass wir dar

ber eine gesamtgesellschaftliche Diskussion f

hren und uns immer wieder deutlich machen: Wo stehen wir in Deutschland, woran k

nnen wir ankn

pfen und was liegt vor allen Dingen als Aufgabe vor uns?

Man kann viele Rechtsanspr

che definieren, aber der Anspruch, ein dynamisches Land zu sein und im globalen Wettbewerb eine f

hrende Position einzunehmen, ist durch Definition nicht m

glich; man muss sich das vielmehr t

glich erarbeiten. Deshalb haben wir heute Nachmittag in der Tat

leider auch wieder etwas kontrovers

ber das Erreichen des Zehn-Prozent-Ziels in Bildung und Forschung gesprochen. Das hei

t nichts anderes, als dass wir gesamtgesellschaftlich drei Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts f

r Forschung und

m

glichst schon im Jahre 2015

sieben Prozent f

r Bildung ausgeben wollen.

Nun sind diese Prozentzahlen zugegebenerma

en relativ ambivalent. Denn einige L

nder haben heute berichtet, dass der Einbruch des Bruttoinlandsprodukts um f

nf Prozent sie in die erstaunliche Lage versetzt, zwar 2010 sieben Prozent f

r Bildung ausgeben zu k

nnen, dies aber 2013 nicht mehr zu schaffen, obwohl sie 2013 mehr ausgeben werden als 2010. Das zeigt, dass man mit einer solchen Gr

e nicht alles beschreiben kann, zumal dann zu Recht auch immer wieder gesagt wird: Das Geld muss auch vern

nftig eingesetzt werden.

Deshalb ist es so wichtig, dass wir in Deutschland den Stifterverband haben, denn an Ihren Beispielen k

nnen wir sehen, wie innovativ und individuell neue Wege beschritten und neue Projekte unternommen werden k

nnen. Diese kann man zwar gleich f

r alle und f

r alles einf

hren, sie sind aber notwendige und wichtige Erg

nzungen. Wenn man allein an die vielen Bildungsprojekte im Bereich der Stiftungen in Deutschland denkt, kann man ohne Weiteres sagen: Sie bereichern die Bildungslandschaft erheblich. Sie haben auch immer wieder dazu beigetragen, an Stellen, an denen sich der Staat in Zust

ndigkeitsabgrenzungen ergeht, Br

cken zwischen den verschiedenen Institutionen zu bauen.

Mir sind Stiftungsprojekte aufgefallen, von denen man eigentlich denkt, dass sie Normalit

t sein m

ssten. Wenn man aus dem Blickwinkel eines Kindes auf seinen Bildungsweg schaut, muss man sagen: Das Kind interessiert ja nicht, in wessen Zust

ndigkeit es sich gerade aufh

lt

ob in halber Zust

ndigkeit des Bundes im Kindergartenalter, in ganzer Zust

ndigkeit des Landes im Schulalter oder beim Verlassen der Schule sofort wieder in der Zust

ndigkeit der Bundesagentur f

r Arbeit. Das Kind m

chte im Allgemeinen

und auch die Eltern m

chten das

vielmehr vern

nftig gebildet werden.

Weil nun die Ausbildung von Kinderg

rtnerinnen eine Fachausbildung und die Ausbildung von Grundschullehrerinnen eine akademische Ausbildung ist, ist es

ber Jahre und Jahrzehnte hinweg so gewesen, dass die Grundschullehrerin den Kindergarten nicht betrat und die Kinderg

rtnerin die Grundschule nicht betrat. Damit wurde das arme Kind auch nicht auf den

bergang vorbereitet und analog zum sch

nen deutschen Sprichwort

Mit der Schule beginnt der Ernst des Lebens

nat

rlich von einer Phase der Fr

hlichkeit unmittelbar in den Ernst des Lebens entlassen, ohne dass man schaute, ob man diese Stufe auch besser

berschreiten kann. Ich bin unglaublich dankbar daf

r, dass man es in einem Projekt

ber die trickreiche Idee einer gemeinsamen Weiterbildung und die Notwendigkeit, in dieser Phase gemeinsam Zeit zu verbringen, irgendwie geschafft hat, die Neugier so gro

werden zu lassen, dass die Grundschullehrerin gefragt hat, ob sie auch einmal in den Kindergarten schauen kann, und die Kinderg

rtnerin gefragt hat: Kann ich auch einmal in die Grundschule gehen? Das war ein gro

er Erfolg. Aus so etwas kann dann auch gemeinschaftliches Denken im Sinne der Menschen werden, was in unserer hoch entwickelten Gesellschaft eben an vielen Stellen unglaublich fragmentiert und damit, wei

Gott, nicht mehr zum Wohle des Menschen ist. Das sind nicht immer Fragen des Geldes.

Wir haben in Dresden auf dem Bildungsgipfel einen grandiosen Erfolg erzielt, n

mlich dass Berufsberatung in Schulen stattfinden darf. Das hei

t, dass die Bundesagentur f

r Arbeit grunds

tzlich die Erlaubnis erh

lt, zum Ende der Schulzeit in die Hauptschul- und Realschulklassen zu gehen, um

ber die Vielfalt der Berufe und dar

ber zu informieren, wie man eine Bewerbung schreibt. Auch das sind im Grunde genommen zwei Zust

ndigkeitswelten, die zusammengebracht werden. So sind die Dinge, die wir in unserer Bundesrepublik zu leisten haben, zum Teil Dinge, die zwar nat

rlich etwas mit finanzieller Ausstattung zu tun haben. Aber gerade in Ihrem privaten Engagement sind es an vielen Stellen eben auch Dinge, die innovatives Denken in eine zum Teil doch sehr starre und sich mit Ver

nderungen schwer tuende Gesellschaft hineinbringen.

Die Frage, wie wir in der Bildung vorankommen, wird nat

rlich dar

ber entscheiden, wie wir in zehn oder 20 Jahren dastehen werden. Wenn wir uns einfach anschauen, dass nicht nur die Zahl derer, die in die Schule kommen, signifikant kleiner wird, sondern dass sich auch die Zusammensetzung derer, die in die Schule kommen, ver

ndert, der Anteil der Migrantinnen und Migranten erheblich zunimmt, und wenn wir uns anschauen, dass heute in vielen Gro

st

dten die Zahl der Eingeschulten mit einem Migrationshintergrund schon gr

er als die Zahl derer mit einem Hintergrund von Eltern aus Deutschland ist, dann ist erkennbar, wie wichtig es ist, hier in der geeigneten Art und Weise wirklich Chancen f

r ein ganzes Leben durch vern

nftige Bildung zu entwickeln.

Wir haben au

erdem die Situation, dass es einen Teil der Bev

lkerung gibt

damit haben wir uns auf unserer Klausurtagung jetzt sehr stark besch

ftigt der in der Langzeitarbeitslosigkeit verharrt. Auch die so genannten Hartz-IV-Reformen haben nicht dazu gef

hrt, dass die Ausgaben f

r Langzeitarbeitslose geringer geworden sind. Sie sind fast konstant geblieben. Bei einer Bev

lkerung von 80

Millionen Menschen haben wir mehr als f

nf

Millionen erwerbsf

hige Hilfebed

rftige. Darunter sind 660.000 Alleinerziehende, f

r die man schon durch bessere Kinderbetreuung, f

r die auch sonst manches spricht, die Arbeitsf

higkeit erh

hen k

nnte, und rund 1,2

Millionen

ltere Menschen, wobei man heute mit

ber 50 schon

lter ist. Man ist dann zwar

lter, als wenn man 40 ist, aber dass man im Erwerbsleben bei einer Lebenserwartung von doch deutlich

ber 75

Jahren mit 50 im Grunde schon zum schwer vermittelbaren Bereich geh

rt, ist ein Zustand, den sich unsere Gesellschaft in Zukunft nicht leisten kann. Deshalb wird gerade die berufliche Qualifizierung auch in den Berufsjahren, in denen man schon

ber ein erhebliches Ma

an Erfahrung verf

gt, eine der wichtigen Aufgaben sein. Herr Hambrecht nickt gerade; ich konnte mir das bei der BASF auch einmal anschauen.

Das wirft v

llig neue Fragen des Lernens auf. Wir haben es damals im Zusammenhang mit der Deutschen Einheit immer wieder gesehen: Wenn der Pr

fer pl

tzlich 25

Jahre und der Gepr

fte 50

Jahre alt ist, dann stellen sich auch kulturell und gesellschaftspolitisch ganz andere Fragen als wir bisher gew

hnt waren. Insofern ist der Bereich des lebenslangen Lernens sicherlich ein unglaublich spannender

ob es nun um das Berufsleben oder um das Forschungs- oder Akademikerleben geht.

Wir haben versucht

in der letzten Legislaturperiode hat das Annette Schavan als Bildung- und Forschungsministerin gemacht sehr intensiv zu evaluieren, wie Deutschland in der Forschungslandschaft dasteht. Ich glaube, wir haben mit der Hightech-Strategie etwas Gutes gemacht. Wir l

gen uns nicht bez

glich dessen in die Tasche, wo wir gut sind oder wo wir schlechter sind, sondern wir analysieren das systematisch und geben Ziele vor. Wenn man einmal sieht, wie strategisch und durchg

ngig das in anderen Teilen der Welt gemacht wird, dann ist das aus meiner Sicht die einzige M

glichkeit, um heute vorne mit dran zu bleiben. Ich glaube, dass sich daraus auch ein gutes Miteinander von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik ergeben hat. In der Forschungsunion wird dies t

glich praktiziert.

Insoweit sind viele Ihrer Projekte, die ich hier jetzt nat

rlich nicht alle nennen kann, auch Erg

nzungen, Erweiterungen und Anst

e, um auch im politischen Tun voranzukommen. Ich glaube, wir tun auch gut daran, die Erkenntnisse aus unserer Forschungslandschaft in Deutschland in die Europ

ische Union und in das vereinigte Europa einzubringen, weil Deutschland mit einer klaren Ausrichtung am Leistungsprinzip hierbei doch erhebliche Erfolge erzielt hat. Es ist uns damals gelungen

darauf bin ich heute noch ein bisschen stolz dass wir es w

hrend unserer deutschen EU-Ratspr

sidentschaft im Jahr 2007 geschafft haben, einen Europ

ischen Forschungsrat zu installieren, der nicht nach der Frage

Aus welcher Ecke Europas kommst du; wie gro

muss die Gruppe sein?

entscheidet, sondern wirklich nur nach der Frage, welches die guten Projekte sind, die wir f

rdern m

ssen. Exzellenz ist n

mlich die einzige M

glichkeit daf

r, dass wir weltweit unseren Ruf und unsere F

higkeiten weiterentwickeln k

nnen.

Ich glaube, dass wir in unseren Forschungsaktivit

ten breit ausgerichtet sein sollten. Es gibt in den entwickelten Gesellschaften eine gewisse Tendenz, bestimmte Forschungsbereiche gleich f

r nicht wichtig zu erkl

ren, und andere, die hinsichtlich der Feuilletons re

ssiert haben, wieder massiv zu f

rdern. So wacht man eines Tages auf

und es gibt keinen Elektrochemielehrstuhl mehr in Deutschland. Irgendwie gibt es dann S

tze wie

Die Elektrochemie ist auch wichtig Wenn das die Gr

nder des Stifterverbandes damals geh

rt h

tten, w

ren sie in Ohnmacht gefallen, weil v

llig klar ist, dass Elektrochemie zur Chemie geh

rt; dazu gibt es gar keine Alternative. Nun fangen wir halt wieder damit an, Elektrochemielehrst

hle zu f

rdern und zu entwickeln, weil wir die E-Mobility, wie es so sch

n hei

t, also die Elektroantriebe, voranbringen wollen. Nachdem vieles in die Biotechnologie gegangen ist, geht es jetzt wieder in die Elektrochemie und dann geht es wieder in andere Bereiche. Meine Bitte an den Stifterverband lautet also: Sagen Sie mit 90

Jahren bitte einfach: Alles kommt wieder und manches kommt neu hinzu. Bleiben Sie breit aufgestellt und gehen Sie nicht nach den Modeerscheinungen.

Meine Damen und Herren, es bleibt mir nur, all denen zu danken, die sich Zeit und Energie ihres pers

nlichen Lebens nehmen, um dem Stifterverband immer wieder ein Gesicht zu geben und auch die Dinge deutlich zu machen, die Sie bewegen. Ich glaube, in unserer schnelllebigen Zeit des 21. Jahrhunderts ist irgendwann das h

chste Gut, das man geben kann, pers

nliche Zeit. Deshalb ist es ganz wichtig, dass auch in zehn, in 20 und in 30

Jahren dieser Stifterverband aus Pers

nlichkeiten besteht, die sich vielleicht einmal im Jahr die Zeit nehmen, sich dar

ber auszutauschen, was sie f

r das Allgemeinwohl tun. Das ist heute alles andere als selbstverst

ndlich, wenn man rund um die Uhr verf

gbar sein muss. Das, was fr

her normal war, dass man ab 20

Uhr keinen mehr auf der Welt erreichte, ist heute bei weitem nicht so. Wenn man selbst mit Amerika alles erledigt hat, ist dann in Tokio schon wieder die B

rse ge

ffnet. In diesem Lauf der Welt wei

man gar nicht, wann man ein sch

nes Zusammensein organisieren soll. Auch ein gemeinschaftliches Leben im Stifterverband ist also wichtig.

Herr Oetker und liebe Mitglieder, ich gratuliere Ihnen zu 90

Jahren erfolgreicher Arbeit, und ich w

nsche mir, dass Sie im 100. Jahr wieder auf zehn gute Jahre zur

ckblicken k

nnen. Herzlichen Dank.