Redner(in): Bernd Neumann
Datum: 09.06.2010
Untertitel: Staatsminister Bernd Neumann ging in seiner Rede auf die Kulturfinanzierung in Zeiten der Finanzkrise ein und betonte, dass die Berlin Biennalezu den"Leuchttürmen der Gegenwartskunst" mit bundesweiter und internationaler Strahlkraft gehört.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_1498/Content/DE/Rede/2010/06/2010-06-10-neumann-berlin-biennale,layoutVariant=Druckansicht.html
ich freue mich, dass die 6. Berlin Biennale wieder so große Aufmerksamkeit auf sich zieht. Zahlreiche Artikel und Interviews zu dieser zweimonatigen Präsentation internationaler Kunst in Berlin sind in den letzten Wochen in den deutschen Feuilletons und in Fachzeitschriften bereits erschienen und haben uns alle neugierig auf das gemacht,"was draußen wartet".
Es ist sicher nicht übertrieben zu sagen, dass es wesentlich die erste Berlin Biennale vor nunmehr 12 Jahren war, die die Stadt wieder auf die internationale Landkarte der Gegenwartskunst zurück gebracht hat.
43 nationale und internationale Künstlerinnen und Künstler der älteste, Adolf Menzel, 1815 geboren, der jüngste, Petrit Halilaj aus dem Kosovo, 1986 geboren beschäftigen sich in diesem Jahr mit der Frage nach der Wirklichkeit, mit dem künstlerischen Ringen um Wirklichkeit und mit dem Versuch, mittels der Kunst ungewohnte Fragen zu formulieren, die sich mit den ökonomischen, den sozialen, aber auch den persönlichen Bedingungen der Gegenwart auseinandersetzen. Wir alle sind Teil dieser Wirklichkeit und viele von uns haben ein großes Interesse daran, neues Sehen zu entdecken, neue Gedankenmodelle kennenzulernen und neue Geschichten erzählt zu bekommen. Dafür bietet die Kunst ein optimales Feld.
Denn in der Kunst können Orte und Räume existieren, die nicht sofort verwertbar funktionieren müssen, und trotzdem oder gerade deswegen Erfahrungen und Einsichten ermöglichen, derer wir heute mehr denn je bedürfen. Die Kunst ist ein Labor für Mut und Kreativität. Die ästhetische Feineinstellung, die wir durch die Beschäftigung mit Kunst erhalten, gibt uns ein Instrument an die Hand, mit dem wir auch alles andere betrachten können. Und um dieses genaue Hinsehen geht es, insbesondere in Zeiten wie diesen, in denen Krisenszenarien alles andere zu überdecken drohen.
Wir befinden uns in einer Zeit wirtschaftlicher, finanzieller und gesellschaftlicher Herausforderungen.
Die Erfahrungen mit der Wirtschafts- und Finanzkrise führen in vielen Teilen der Bevölkerung zu einer nachhaltigen Verunsicherung. Allein unsere Staatsschulden werden am Ende des Jahres 2010 die Höhe von knapp 1.800 Milliarden Euro erreicht haben. Deshalb gibt es zum Schuldenabbau und zur Sanierung der Haushalte von Bund, Ländern und Kommunen keine Alternative.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage: Können wir uns eine so umfangreiche, öffentlich finanzierte kulturelle Infrastruktur weiterhin leisten? Was bringt sie uns? Oder ist diese Frage gar nicht erlaubt? Brauchen wir sie alle, die 150 Theater, 130 Orchester, die tausenden von Galerien, Museen und Ausstellungshallen? Ja brauchen wir die zahlreichen Aktivitäten der zeitgenössischen Kunst, die es landauf landab in Deutschland gibt? Meine Antwort ist: Ja, ja und nochmals ja! Es ist die Kultur, die unser Wertefundament bildet, es sind die Künste, die uns zum Reflektieren und Besinnen ermuntern, es ist dieses gleichsam überflüssig Scheinende, das ganz wesentlich die Basis unseres Gemeinwesens bildet.
Lassen Sie es mich plastisch sagen: Kunst ist nicht das Sahnehäubchen, sondern die Hefe im Teig. Diese Hefe setzt Prozesse in Gang und legt Energien frei. In der Kunst sind es geistig-ästhetische, aber auch sehr sinnliche Energien, die uns nicht zuletzt zu einem spielerischen Blickwechsel ermutigen können. Sparmaßnahmen sind unverzichtbar aber mit Kürzungen bei der Kultur kann man keinen Haushalt sanieren, liegt doch der Anteil in Ländern und Gemeinden bei mageren 1,9 Prozent. Die bei Kürzungen in diesem Bereich zu erzielende Summe steht in keinem Verhältnis zu dem Schaden, den man insbesondere bei der Kultur vor Ort anrichtet. Ich bin froh, dass es mir bei der Sparklausur des Bundeskabinetts am Wochenende gelungen ist, die Kulturinstitutionen und Projekte in meinem Haushalt von Kürzungen zu verschonen.
Lassen Sie es mich ganz deutlich sagen: Der kulturelle Reichtum unseres Landes und seine Attraktivität auch im Ausland hängt nicht zuletzt mit unserer reichen, vielfältigen und dichten Kulturlandschaft zusammen und die ist nicht voraussetzungslos, sondern historisch gewachsen. Ein Verständnis der Gegenwart ist daher ohne Blick auf die Vergangenheit kaum möglich. Von daher ist es nur konsequent, dass Sie, liebe Frau Rhomberg, den international anerkannten Kunsthistoriker Michael Fried gebeten haben, in den Räumen der Alten Nationalgalerie auf der Museumsinsel eine Adolf Menzel-Ausstellung mit Arbeiten auf Papier zu präsentieren.
Menzel, der geniale Zeichner, Realist und scharfsichtige Beobachter schuf Werke, die die gewaltigen sozialen und ökonomischen Umbrüche seiner Zeit zum Thema hatten. Die Berlin Biennale beruft sich hier auf einen großen Künstler des 19. Jahrhunderts, der als Referenzgröße gelten kann und dessen Kunst uns auch heute noch wichtige Impulse gibt. Liebe Frau Rhomberg, ich kann Ihnen zu der außergewöhnlichen Entscheidung, in eine Biennale zeitgenössischer Kunst einen "alten Künstler" aufzunehmen, nur gratulieren!
Meine Damen und Herren,
ich will an dieser Stelle nicht vergessen, auf das große Engagement der Kulturstiftung des Bundes hinzuweisen.
Die Berlin Biennale gehört wie zum Beispiel auch die documenta zu den von der Bundeskulturstiftung geförderten "Leuchttürmen der Gegenwartskunst" mit bundesweiter und internationaler Strahlkraft. Ich wiederhole hier gerne, was ich zur Eröffnung der 4. Berlin Biennale bereits gesagt habe: Es war eine gute Entscheidung des Stiftungsrates der Kulturstiftung des Bundes, ab dem Jahr 2006 dieses Projekt so großzügig zu unterstützen. Diese Förderung von 2,5 Millionen Euro ist einstweilen bis in das Jahr 2012 fortgeschrieben. Damit hat die Berlin Biennale die Freiräume erhalten, die sie für ihre anspruchsvolle Arbeit benötigt.
Liebe Frau Völckers, ich danke Ihnen für diese weitsichtige Entscheidung, die wieder einmal beweist, dass die Bundesförderung für die Gegenwartkunst bei Ihnen in besten Händen ist!
Ich wünsche nun der 6. Berlin Biennale große Aufmerksamkeit, zahlreiche Besucherinnen und Besucher.