Redner(in): Bernd Neumann
Datum: 15.06.2010

Untertitel: Staatsminister Bernd Neumann wies in seiner Redeauf diegroße Bedeutung der Lokalzeitungenim digitalen Zeitalter hin und ging kurz auf die Themen Pressegrosso, 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag, ermäßigter Mehrwertsteuersatz, nationales Presserecht, Leistungsschutzrecht für Presseverleger und dieNationale Initiative Printmedien ein.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_1498/Content/DE/Rede/2010/06/2010-06-15-neumann-kongress-regionalzeitungen,layoutVariant=Druckansicht.html


der Zuspruch, den Lokalzeitungen genießen, zeigt, dass es für die Menschen gerade im Zeitalter des weltweiten Netzes bei weitem nicht nur auf die "große Welt" ankommt. Sie fühlen, dass die Idee des "global village", des weltweiten Dorfs nicht bedeutet, dass ihre Heimat, ihre unmittelbare Umgebung unwichtiger geworden ist. Im Gegenteil: Lokale Verankerung, Sicherheit, Überschaubarkeit und vor allem der Kontakt zum ganz realen Leben sind wichtiger denn je. Lokalzeitungen sind sozusagen ein Anker in der globalen Informationsflut des digitalen Zeitalters.

Und ich möchte sogar noch weiter gehen: Die Lokalzeitung ist immer noch das Basismedium unseres demokratischen Gemeinwesens. Indem sie seit jeher ein verständlich aufbereitetes Panorama des täglichen Geschehens bietet, vermitteln Lokalzeitungen ihren Lesern grundlegende Informationen und Orientierung profund, nachhaltig und verlässlich. Die Lokalzeitung gehört gleichsam zum Inventar ihrer Region und ist ein Stück Heimat, ein Teil der Identität. Regionale Verwurzelung heißt aber nicht Provinzialität, im Gegenteil: Das Große mit dem Kleinen zu verbinden ist das Kunststück, das die Regionalzeitungen jeden Tag aufs Neue vollbringen.

Regionalzeitungen sind Garanten der Vielfalt unserer Presselandschaft und der Verband Deutscher Lokalzeitungen ist ihnen darin ein starker Partner, der sich immer wieder aktiv und deutlich hörbar in aktuelle Diskussionen einbringt! Dafür spreche ich Ihnen, liebe Frau Boyens, lieber Herr Wieske, meine hohe Anerkennung aus!

Meine Damen und Herren,

es ist meine feste Überzeugung, dass Printmedien auch heute ein wesentlicher Teil unserer Medienlandschaft sind und es auch in Zukunft bleiben müssen. Ich halte jedoch nichts davon, den Printbereich gegen die digitalen Medien auszuspielen.

Die historische Entwicklung der Medien hat immer wieder gezeigt, dass neue Angebote vorhandene zwar zunächst durchaus bedrängen, aber letztlich doch nie verdrängen konnten. Der Wettbewerb führte stets zu einer Ausdifferenzierung der etablierten Angebote und schließlich zur friedlichen Koexistenz von neuen und alten Medien, die sich allerdings in diesem Prozess auch wandeln und modernisieren mussten. Die Zeitungen befinden sich heute mitten in diesem Prozess, und sie müssen ihn aktiv gestalten, wollen sie als Gewinner daraus hervorgehen.

Modernisierung gilt für die verschiedensten Bereiche. Ich denke da zum Beispiel auch an einen der großen Garanten unserer Pressevielfalt, nämlich den Pressegrosso.

Die Verleger haben mit Recht großes Interesse an neuen und kreativeren Vertriebsstrukturen, und ich bin sicher, dass der Pressegrosso eine sichere Zukunft hat, wenn diese Interessen berücksichtigt werden, zum Wohle der Verleger wie der Grossisten selbst und natürlich nicht zuletzt auch der Leser!

Modernisierung heißt aber auch, neue Geschäfts- und Finanzierungsmodelle zu entwickeln, die geeignet sind, Internet und Printmedien miteinander zu versöhnen, Die Verknüpfung gerade lokaler Printmedien mit internetgestützten Dienstleistungsangeboten hat sich durchaus bewährt!

Diese Vielfalt unserer Medienlandschaft wird aber nur eine Zukunft haben, wenn es eine gewisse Balance zwischen den öffentlich-rechtlichen, gebührenfinanzierten und den privaten Medienanbietern und dazu gehören auch die Verlage! gibt! Mit dem 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag haben die Länder auch mit Hilfe aus Brüssel diese Aufgabe angenommen und gehen in die richtige Richtung: Stärkere Konkretisierung des Auftrags der öffentlich-rechtlichen Anstalten die meines Erachtens noch weiter gehen muss! , Festschreibung der Anzahl von Fernseh- und Hörfunkprogrammen und vor allem die Regelung der Telemedien mit der Einführung des Drei-Stufen-Tests sind hier ganz wichtige Elemente.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss gerade in einer Zeit, in der die privaten Anbieter zum Teil ums Überleben kämpfen, nicht alles machen, was wünschenswert wäre. Das ist ein Stück weit auch unabhängig von der Frage, ob dies die entsprechenden Staatsverträge zulassen oder nicht, vor allem eine Sache der Vernunft und des Umgangs miteinander!

Meine Damen und Herren,

es gibt aber auch Traditionen, die wir in ihrem Bestand möglichst nicht antasten sollten. Ich meine damit den ermäßigten Mehrwertsteuersatz für Druckerzeugnisse. Er sichert die Konkurrenzfähigkeit und die kulturelle Vielfalt.

Der Koalitionsvertrag sieht vor, beim Bundesfinanzministerium eine Umsatzsteuer-Kommission einzusetzen. Sie soll auch überprüfen, ob die Online-Presseangebote auf die derzeit noch 19 % Mehrwertsteuer erhoben werden, in den Genuss des ermäßigten Steuersatzes kommen können. Wie auch immer hier die Lösung aussehen wird: der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von 7 % für Zeitungen bleibt erhalten! Bei der Haushaltsklausur in der vergangenen Woche, in der der Sparkurs der Bundesregierung festgelegt wurde, spielte der ermäßigte Mehrwertsteuersatz gar keine Rolle ein hoffnungsvolles Signal für den gesamten Printbereich!

Meine Damen und Herren,

wir sind uns einig: um wirtschaftliche Prosperität und Vielfalt der Printmedien zu sichern, müssen die Rahmenbedingungen passen. Die Refinanzierungsmöglichkeiten von Printmedien etwa dürfen nicht durch unnötige und schädliche europäische Regulierungen beeinträchtigt werden. Ich möchte ausdrücklich feststellen, dass die Europäische Union keine Kompetenz hat, in das nationale Presserecht einzugreifen. Gegen die zunehmende Tendenz der Europäischen Union, Bürgern und Wirtschaft immer neue Werbeverbote verordnen zu wollen, hat die Bundesregierung in ihrem letzten Medien- und Kommunikationsbericht ein kategorisches "Nein!" gesetzt!

Wenn wir von Refinanzierung reden: Die Verlegerverbände, darunter auch der Verband Deutscher Lokalzeitungen, haben sich energisch gegen eine Abschaffung des Listenprivilegs gewandt. Ich habe mich in Ihrem Sinn im Rahmen der Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes gegen die Abschaffung ausgesprochen. Es ist mir klar, dass dass Sie mit dem Gesetz so wie es jetzt seit September 2009 in Kraft ist insbesondere wegen der zusätzlichen organisatorisch und technisch umzusetzenden Pflichten nicht voll und ganz glücklich sind. Aber der Gesetzgeber ist Ihnen ein gutes Stück weit entgegen gekommen, denn es bleibt nun möglich, listenmäßige Daten aus allgemein zugänglichen Verzeichnissen zu erheben.

Der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger hat es jedenfalls ausdrücklich begrüßt, dass, ich zitiere: "der Bundestag bei den Beratungen der Datenschutznovelle um einen, auch für die Wirtschaft akzeptablen Kompromiss gerungen hat" !

Sehr geehrte Damen und Herren,

mir ist bewusst, dass ein gesetzgeberisches Thema Ihrer Branche in besonderer Weise auf den Nägeln brennt: die Einführung eines Leistungsschutzrechts für Presseverleger. Die Regierungsparteien haben im Koalitionsvertrag vereinbart: "Wir streben … die Schaffung eines Leistungsschutzrechts für Presseverlage zur Verbesserung des Schutzes von Presseerzeugnissen im Internet an."

Ich kann Ihnen versichern, dass das Leistungsschutzrecht auf der medienpolitischen Agenda der Bundesregierung ganz oben steht! Wir müssen die Rahmenbedingungen aber so gestalten, dass in Zeiten des Internets die "Kulturtechnik des Zeitunglesens" erhalten und gestärkt wird!

Ich bin für die zügige Einführung des Leistungsschutzrechts, aber wir dürfen dabei die Interessen aller Beteiligten nicht aus dem Blick verlieren. Mir ist wichtig, dass wir eine ausgewogene Lösung finden, die auch die Journalisten also die kreativen Köpfe angemessen berücksichtigt. In einer Woche soll im Justizministerium über die Ausgestaltung des Leistungsschutzrechtes beraten werden.

Ich bin mir sicher, dass der Verband Deutscher Lokalzeitungen schon genau weiß, worauf er hinaus will!

Wir haben uns in der Koalitionsvereinbarung auch darauf verständigt, das Pressekartellrecht und das Medienkonzentrationsrecht im Interesse der Meinungs- und Medienvielfalt zu überprüfen. Es ist uns bewusst, dass Gesetzesänderungen in diesem Bereich innerhalb der Medienbranche sehr umstritten sind. Deshalb möchte ich an dieser Stelle deutlich machen: Wir wollen die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Medienunternehmen verbessern.

Erleichterungen bei der Fusionskontrolle sind für uns aber nur vorstellbar, wenn die erweiterten wirtschaftlichen Möglichkeiten helfen können, die Medien- und Meinungsvielfalt zu erhöhen oder zumindest zu erhalten. Für das in der Zuständigkeit des Bundes liegende Pressekartellrecht gilt zudem, was wir auch schon vor der Bundestagswahl immer wieder erklärt haben: Gesetzesänderungen werden von uns nur dann in Betracht gezogen, wenn über deren Inhalte innerhalb der Verlagsbranche Einvernehmen besteht. Wir werden keine Änderungen vornehmen, die zu Lasten der Pressevielfalt gehen!

Meine Damen und Herren,

nun zu einem grundlegenden Thema, ohne das wir über die vorigen Punkte gar nicht weiter zu diskutieren bräuchten: Den Zeitunglesernachwuchs! Es ist eine schlichte Tatsache: ohne junge Leserinnen und Leser haben gedruckte Zeitungen und Zeitschriften keine Zukunft. Wenn die Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen zunehmend ins Internet abwandert, ist es ein Gebot der Stunde, sie wieder für Zeitungen und Zeitschriften zu begeistern. Deshalb habe ich gemeinsam mit den Verleger- , Journalisten- und Grossoverbänden sowie anderen Institutionen im Jahre 2008

die "Nationale Initiative Printmedien Zeitungen und Zeitschriften in der Demokratie" ( NIP ) ins Leben gerufen.

Wir werden uns im September dieses Jahres zur dritten Jahrestagung der Initiative hier in Berlin versammeln. Der Verband deutsche Lokalzeitungen ist in der Nationalen Initiative Printmedien eine unserer wichtigsten Stützen von Anfang an! Dafür meinen herzlichen Dank! Es wird in der nächsten Zeit für den Erfolg der Initiative entscheidend sein, wesentlich stärker als bisher mit Verlegern und Chefredakteuren "vor Ort" zusammenzuarbeiten, um die Effizienz der laufenden Projekte zur Leseförderung in Schulen und Bildungseinrichtungen weiter zu verbessern und zusätzliche Projekte durchzuführen.

Die Nationale Initiative Printmedien wird hierzu im Laufe des Jahres Ideen entwickeln und auf Sie zugehen. Ich bitte Sie deshalb schon jetzt sehr herzlich darum, uns tatkräftig zu unterstützen!

Meine Damen und Herren,

ich wünsche Ihnen nun eine anregende und interessante Diskussion sowie eine erfolgreiche Tagung!