Redner(in): Angela Merkel
Datum: 03.09.2010

Untertitel: in Sommerfeld
Anrede: Sehr geehrter Herr Weinecke, sehr geehrter Herr Philippi, sehr geehrte Kollegin aus dem Deutschen Bundestag, sehr geehrter Herr Landrat, meine Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_1498/Content/DE/Rede/2010/09/2010-09-03-sommerfeld,layoutVariant=Druckansicht.html


ich freue mich, heute hier bei Ihnen in Sommerfeld zu sein. Ich habe mich, bevor wir diese festliche Übergabe des dritten Bauabschnitts zelebrieren, in den verschiedenen Bereichen des Krankenhauses bzw. , besser gesagt, der Klinikpavillons, wie es hier so schön heißt, ein wenig umgeschaut. Den Betreibern der Sana Kliniken muss es hier angesichts des bayerischen Landhausstils, in dem hier scheinbar schon vorsorglich gebaut wurde ich weiß gar nicht, ob es Sana schon gab, als man hier erstmals zu bauen begann; wahrscheinlich nicht, ja fast wie in München vorkommen. Es macht jedenfalls den Eindruck, als hätte man geradezu darauf gewartet, dass ein Münchener Träger diese Kliniken übernimmt.

Meine Damen und Herren, das, was ich hier gesehen habe, hat mich in der Tat beeindruckt. Ich habe mir vorgenommen, mich in den nächsten Monaten auch an anderen Stellen mit der Arbeit derer noch näher zu befassen, die im Gesundheitswesen tätig sind. Wir führen oft sehr abstrakte Diskussionen über Gesundheitsreformen, aber was an menschlicher Arbeit, menschlicher Zuwendung, an Einsatz von Ärzten, von Schwestern, von Pflegern, hier in diesem Bereich auch von Ergotherapeuten und anderen im Gesundheitswesen steckt, gerät in unserer Gesellschaft sehr häufig in Vergessenheit.

Ich glaube, wir können alle miteinander froh sein eben auf dem Weg hierher sagte es einer der Chefärzte, der manchmal auch in anderen Ländern tätig war, dass wir in der Bundesrepublik Deutschland ein Gesundheitswesen haben, das auf der Welt seinesgleichen sucht und das ein sehr solidarisches Gesundheitswesen ist, in dem jeder Mensch ein Anrecht darauf hat, mit guten medizinischen Methoden behandelt zu werden. Aber angesichts einer alternden Gesellschaft darf man auch nicht die Augen davor verschließen, dass uns dieses Gesundheitswesen etwas wert sein muss. Dieses Gesundheitssystem verdient also eine große Wertschätzung, aber es kostet eben auch Geld. Dieses Geld muss solidarisch aufgebracht werden. Deshalb wird die Gesundheitsdiskussion so ähnlich wie bei den Bauabschnitten in den verschiedenen Kliniken von Sana wahrscheinlich eine permanente Diskussion sein.

Sie können hier jetzt erst einmal auf ein gelungenes Werk von etlichen Jahren gemeinsamer Bautätigkeit blicken. Auch ich möchte den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ganz herzlich dafür danken, dass sie die Patienten immer gut versorgt haben und gleichzeitig diese Neuerung mitgetragen haben. Ich finde, das, was hier entstanden ist, kann sich sehen lassen.

Das, was hier entstanden ist, weist auch in die Zukunft. Denn natürlich wird bei steigenden Kosten die Frage nach einer menschlich guten, gesundheitlich guten, aber auch effizienten Vorgehensweise im Gesundheitswesen zunehmend gestellt. Nun müssen wir aufpassen, dass wir nicht alles dreimal dokumentieren, um anschließend zu schauen, ob wir nicht vielleicht noch zehn Prozent einsparen können, und kaum noch jemand Zeit für die Menschen hat. Das gilt auch für den Pflegebereich; darüber habe ich hier heute auch mit den Schwestern gesprochen. Es entsteht durch jede neue schriftliche Eingabe oder Eingabe in den Computer nicht notgedrungen ein Mehr an Sicherheit. Denn dort, wo nicht gerne gearbeitet wird, werden auch Fehler passieren, selbst wenn man alles dokumentieren muss. Man muss also aufpassen, dass man ein gutes Maß das wissen wir in der Politik auch aus leidenschaftlicher Arbeit, die man ermöglichen muss, und notwendiger Sorgfalt im Ausführen der Tätigkeiten findet.

Die Frage nach der Effizienz wird aber zunehmend wichtiger. Deshalb ist es so gut, dass hier eine integrierte Klinik entstanden ist, in der ein umfangreicher Erfahrungsaustausch zwischen den operativen Bereichen auf der einen Seite und den so genannten konservativen Bereichen und auch der Rehabilitation auf der anderen Seite stattfinden kann. Sehr beeindruckt hat mich auch alles, was im Zusammenhang mit der Spezialisierung auf die Behandlung von Rückenschmerzen geschieht.

Wenn man durch eine solche Klinik geht, dann sieht man, wie viele Menschen sehnsüchtig darauf warten, dass ihnen geholfen werden kann, und warum es so wichtig ist, dass hier fachlich herausragende Arbeit geleistet wird. Ich habe vor allen Dingen den Eindruck, dass Sie hier über die verschiedenen Disziplinen hinweg sehr eng zusammenarbeiten und sich austauschen. Ich glaube auch, die moderne Anlage und die Tatsache, dass sie auf dem Lande liegt, führt dazu, das Gemeinschaftsbewusstsein für den Betrieb einer solchen Klinik noch mehr zu stärken. So empfinde ich es jedenfalls.

Damit wir auch mit Blick auf das, was hier entstanden ist und möglicherweise noch in Zukunft entstehen kann, auch die Herausforderungen in den nächsten Jahren weiter bewältigen können, müssen wir uns fragen: Wie entwickeln wir das Gesundheitswesen weiter? Darüber entbrennen regelmäßig größte gesellschaftliche Kontroversen. Das ist auch richtig, wenn dabei um den besten Weg gestritten wird. Ich glaube aber, wir müssen zu einer redlichen Diskussion stehen. Ein Punkt in dieser redlichen Diskussion ist: In einer älter werdenden Gesellschaft mit mehr medizinischen Möglichkeiten ist es außerordentlich unwahrscheinlich um nicht zu sagen: unmöglich, dass das Gesundheitswesen billiger wird. Wer es in Deutschland als ein solidarisches Gesundheitswesen erhalten will, der muss diese Grundthese akzeptieren. Es nützt überhaupt nichts, darum herumzureden: Wenn es teuerer wird, muss auch gesagt werden, woher das Geld kommen soll.

Ich glaube, in diesem Zusammenhang stehen wir jetzt auch vor der Aufgabe, ehrlich zu sagen: Der Weg der Vergangenheit, auf dem Arbeitskosten und Gesundheitskosten durch paritätische Gesundheitsbeiträge aneinander gekoppelt wurden, war sicherlich sehr solidarisch, aber diesen Weg können wir in Zukunft nicht weiter so beschreiten, ansonsten würden unsere Arbeitskosten steigen, womit wir Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Umfeld verlieren würden, oder wir müssten die Gesundheitskosten künstlich niedrig halten, was aber Schritt für Schritt weiter in eine Zwei-Klassen-Medizin führen würde. Das möchte ich nicht, denn es widerspricht dem Grundgedanken unserer solidarischen Gesellschaft.

Das heißt, wir müssen versuchen, die ansteigenden Kosten so zu verteilen, dass niemand überfordert wird. Deshalb sind wir auch dafür, bei zu hohen Kosten in Zukunft einen steuerlichen Sozialausgleich vorzunehmen und die hohen Kosten nicht mehr nur an die Arbeitskosten, das heißt, an die Lohnnebenkosten zu binden. Dieser Weg ist neu. Er wird sehr schwer umstritten sein. Wir werden im Herbst dafür kämpfen. Sie müssen hier vor Ort Ihre medizinischen Leistungen erbringen, aber wir müssen auch die jeweiligen Gesundheitsreformen erbringen. Wir müssen natürlich auch überlegen, wie wir in unserer Gesellschaft ein Klima schaffen, in dem die Patienten mündig mitbestimmen können, prophylaktisch tätig zu sein und Vorsorge zu betreiben. Auch das gehört zu einer modernen Gesellschaft.

Ich möchte hier heute keine weiteren theoretischen Vorträge über die Finanzierung des Gesundheitssystems halten. Es ist gut, dass Krankenhausneubauten nicht allein von den Trägern zu verantworten sind, sondern eben auch von den Bundesländern mitgetragen werden. Ich glaube, diese Klinik ist ein herausragendes Beispiel dafür, dass in Brandenburg etwas Wichtiges entstanden ist. Ich weiß von meinem eigenen Wahlkreis, von der Insel Rügen, wie herausragend auch dort gearbeitet wird. Deshalb lassen Sie mich noch einmal mit einem ganz herzlichen Dankeschön schließen. Wir können Gesetze machen und wir können Zuschüsse geben. Was wir nicht können, das ist, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Lust zu vermitteln, die Arbeit wirklich gerne zu machen. Dass das aber hier in einem Team von vielen Ärzten und von vielen Schwestern gelingt und dass hier eine gute Atmosphäre herrscht, spürt man. Dafür möchte ich ein herzliches Dankeschön sagen.

Nachdem ich nun hier war und mir das angeschaut habe, werde ich dadurch, dass ich gut über die Sommerfelder Kliniken spreche, dort, wo ich hinkomme, vielleicht auch den Eindruck erwecken, dass nicht nur diejenigen, die in Brandenburg wohnen, sondern auch diejenigen, die anderswo wohnen, hier eine sehr gute Behandlung finden.

Alles Gute Ihnen allen, viel Freude in den neuen Räumen und mit den neuen Möglichkeiten. Ich wünsche Ihnen weiter viel Kraft und viel Mut für Ihre Arbeit. Die Menschen in unserem Land sind Ihnen sehr dankbar, wenn sie gesünder und schmerzfreier nach Hause gehen können. Danke schön dafür, dass ich heute hier sein konnte.