Redner(in): Angela Merkel
Datum: 04.10.2010

Untertitel: Unkorrigiertes Protokoll
Anrede: Lieber Herr Herder, lieber Roland Koch, liebe Anke Koch, meine Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_1498/Content/DE/Rede/2010/10/2010-10-04-merkel-buchvorstellung,layoutVariant=Druckansicht.html


wir haben relativ früh am Morgen, an dem Montag nach dem Tag der deutschen Einheit, eine Buchvorstellung zu einem interessanten, spannenden Buch. Warum gibt es dieses Buch? Roland Koch gibt schon auf Seite 216 Antwort darauf: "Ich habe dieses Buch vor allem deshalb geschrieben, weil ich es in meiner Arbeit oft als Mangel verspürt habe, dass ich kurzatmig und tagesbezogen auf die Frage nach dem konservativen Kern geantwortet habe." Deshalb ist es auch wichtig und gut, glaube ich, dass dieses Buch geschrieben wurde, um einmal die langen Linien in der politischen Arbeit von Roland Koch und sicherlich auch von vielen anderen von uns deutlich werden zu lassen.

Wenn Roland Koch mir das Angebot gemacht hat, dass ich dieses Buch vorstellen darf, dann kann man ja auch fragen: Warum hat er das getan? Da kann man sagen: Ich bin die Vorsitzende der Christlich-Demokratischen Union. Insofern ehrt es mich, dass auch das Konservative, so wie dieses Buch ja heißt, in der Arbeit eine Rolle spielte. Es ist deshalb richtig und wichtig, dass es auch für die Parteivorsitzende ein dringendes Interesse gibt, dass alle Wurzeln unserer Partei kräftig gedeihen. Die konservative Wurzel ist meines Erachtens zwar vorhanden, kann sich aber zum Teil schlecht artikulieren; ich komme gleich noch auf Koch " sche Zitate zu diesem Thema zurück.

Es ist sicherlich auch eine wichtige Sache, dass in der öffentlichen Debatte bei den drei Wurzeln der Christlich-Demokratischen Union, der christlich-sozialen, der liberalen und der konservativen, mehr darüber gesprochen wird, was denn nun die konservative Wurzel ausmacht, als darüber, was die anderen ausmacht, wenngleich ich mir nicht ganz sicher bin, dass alle in der Lage wären, über die beiden anderen Wurzeln vollständige Bücher zu schreiben.

Außerdem ist es spannend, dass am 4. Oktober, genau an dem Tag nach dem 20. Jahrestag der deutschen Einheit, mir als Ostdeutscher die Aufgabe gestellt wird, dieses Buch vorzustellen, denn, wie Bernd Ulrich dieser Tage in der "ZEIT" schrieb, Ostdeutsche haben die Erfahrung des Zusammenbruchs."Entsprechend gering ist ihre Ehrfurcht vor allem Bestehenden." Das wiederum ist eine schwere Provokation für jemanden, der die konservative Wurzel achtet, und deshalb kann ich nur erleichternd hinzufügen: Auf der anderen Seite hat die ostdeutsche friedliche Revolution in unglaublicher Schnelligkeit nach der spontanen Bekundung "Wir sind das Volk!" den Ausruf "Wir sind ein Volk!" hervorgebracht und damit vielleicht etwas unbefangen, aber in selten wieder gehörter Deutlichkeit doch klargemacht, dass es eines Zusammenhalts nicht nur bedarf, sondern dass er ganz offensichtlich vorhanden ist ‑damals als vereinigendes Band gegen eine Diktatur. Heute darf man dann wohl die Frage stellen, wie dieses einigende Band ‑darauf kommt das Buch auch zurück‑ aussieht, wenn man nicht gegen etwas kämpft, sondern sich nur selbst definieren muss.

Es ist also ein etwas bedenklicher Aspekt, dass das Bestehende sozusagen mit wenig Ehrfurcht zu rechnen hat. Das galt aber doch vornehmlich für die DDR und nicht für die alte Bundesrepublik. Und auf der anderen Seite heißt es: "Wir sind ein Volk!"

Roland Koch bezeichnet sich in dem Buch als konservativen Reformer, und er sagt: "Konservative sind heute nicht heimatlos, aber planlos. Ihnen fehlt der intellektuelle Überbau." Ich glaube, dass Roland Koch mit diesem Buch einen Beitrag dazu leistet, dass dieser intellektuelle Überbau entstehen kann. Ich fordere sozusagen als Parteivorsitzende alle auf, die an diesem intellektuellen Überbau mitarbeiten wollen, es redlich auch weiter zu tun. Denn ohne intellektuellen Überbau wird dieses Planlose auch immer wieder deutlich werden.

Das Buch macht denen, die das Konservative schätzen, ausgesprochen Mut. Es setzt sich für eine konservative Wurzel ein, die ausgesprochen lebensbejahend, gestaltend, vorantreibend ist, und nicht für etwas Ablehnendes und Abwehrendes. Das gefällt mir.

In diesem Buch wird auch versucht, den Begriff "konservativ" zu definieren. Das fällt vielleicht einigermaßen leicht, weil es gar nicht so viele Definitionen gibt. Hier wird ganz deutlich gesagt: "Konservative Politik verändert die Welt, beachtet dabei aber eine gesellschaftliche Statik von Werten und Traditionen."

Es wird ganz am Anfang auf den Staatsphilosophen Friedrich von Gentz Bezug genommen und auf zwei Prinzipien hingewiesen, die die Welt sozusagen leiten, auf der einen Seite der immerwährende Fortschritt und auf der anderen Seite immer wieder die Beschränkung des Fortschritts. Jede Diskussion, so Roland Koch, über Veränderungen bringt Konservative auf den Plan, weil sie dazu auffordern, um es etwas biblisch zu sagen: Prüfet alles, aber bewahret das Gute.

Dann gibt es für mich, wenn man von dem theoretischen Überbau spricht, einen sehr spannenden Teil am Anfang des Buches, in dem Roland Koch fragt "Warum sind die Linken eigentlich so gegen das Konservative?" und darauf zurückkommt, dass die, die sich dem linkeren politischen Spektrum verbunden fühlen, Mensch und Welt von Natur aus als unvollkommen ansehen und die Veränderung nicht am Maßstab des schon in der Vergangenheit Geleisteten stattfindet, sondern immer am Maßstab der Vollkommenheit. Wenn man dies so sieht, dann ist der Konservative sozusagen immer der Verteidiger des noch Unvollkommenen und damit weitestgehend abzulehnen. Deshalb ist es interessant und von meinem Menschenbild her sehr viel realistischer, dass dieses Spannungsfeld zwischen Bewahren und Verändern wertebestimmend, geschichtsbewusst, selbstkritisch sein muss, aber dass es eben von einem Bild ausgeht, dass der Mensch niemals vollkommen sein wird, einem sehr viel demütigeren Menschenbild, und sich somit mit dem, was ist, und mit dem, was werden soll, ganz anders auseinandersetzt und damit auch das, was heute ist, sehr viel achtet.

Roland Koch kommt dann verschiedentlich auf konservative Tugenden zu sprechen. Die eine ist die Verbindlichkeit. Das, finde ich, ist etwas sehr Wichtiges. Die zweite ist die Gelassenheit. Da zumindest habe ich dann auch ein Stück Konservatives in mir, denn einer meiner Lieblingssprüche ist: In der Ruhe liegt die Kraft.

Roland Koch versucht dann, die theoretischen Grundlagen auf das anzuwenden, was uns thematisch umtreibt. Das heißt, es geht nicht nur um Grundsätze, sondern auch darum: Wie werden die Prinzipien des konservativen Reformers in den aktuellen politischen Fragen behandelt, gelöst, beantwortet?

Nicht von ungefähr beginnt das Buch mit den Fragen des Lebensschutzes, mit der Würde des Menschen. Hier wird unser Menschenbild sehr klar formuliert, und hier stellt sich dann die Frage: Wie weit ist das christliche Menschenbild konservativ, oder wie weit reflektiert es auch die anderen Wurzeln? Auf jeden Fall wird es auf das, was Roland Koch als konservativ versteht, angewandt. Einer der zentralen Sätze ist sicherlich: "Der Mensch entwickelt sich als Mensch und nicht zum Menschen." Daraus werden die vielen aktuellen Fragen abgeleitet, auf die ich hier nicht eingehen kann, von der Präimplantationsdiagnostik bis zur Stammzellenforschung. Es ist ein klares Bekenntnis dazu, dass die menschliche Existenz mit der Verschmelzung von Ei und Samenzelle beginnt. Das heißt, dass der Mensch Mensch ist und nicht erst schrittweise zum Menschen wird und damit auch der Eingriff des Menschen in die Würde eines anderen Menschen extrem limitiert ist.

Ich glaube, diese Fragen werden uns weiter beschäftigen, auch wenn ich mir die höchstrichterliche Rechtsprechung der letzten Zeit anschaue. Da ist dieses Buch sicherlich ein guter Ratgeber.

Es geht weiter zur Familie. Hier ist für mich ein Kernsatz: "Eine Gesellschaft, die einen unabhängigen und selbstsicheren Menschen zum Leitbild hat, muss die Familie schützen. Eine Gesellschaft hingegen, die den Menschen abhängig und biegsam machen will, muss die Familie zerstören." Das ist sicherlich urchristdemokratische Politik, die ganz deutlich ein Bekenntnis zu Ehe und Familie abgibt. Roland Koch artikuliert und geht auch die verschiedenen Lebensformen durch und hat zum Schluss ein ganz klares Bekenntnis zur Ehe. Ich sage ganz deutlich, dass diese Diskussion in unserer Gesellschaft sicherlich immer wieder geführt werden muss, gerade mit jüngeren Menschen.

Wenn wir uns einmal die Anzahl der nicht ehelich geborenen Kinder in den neuen Bundesländern anschauen: Dort ist es statistisch nicht mehr so, dass die Ehe sozusagen die Grundlage für die Gründung einer Familie ist. Deshalb muss aus meiner Sicht auch wieder offensiver dafür geworben werden, was die Schließung einer Ehe an langfristiger, stabiler Verbindung bedeutet, in guten und in schlechten Zeiten. Ich glaube, es ist auch eine Aufforderung an die Christlich-Demokratische Union, durchaus offensiv darüber zu reden.

Roland Koch geht dann den vielen Fragen nicht aus dem Wege, die sich damit befassen: Was ist, wenn nun aber Eltern ihrer Erziehungsaufgabe, die natürlich im Schutzraum der Familie ausgeübt werden soll, nicht nachkommen? Roland Koch lehnt das kostenlose Frühstück für Kinder und Jugendliche ab; ich tue das im Übrigen auch. Er sagt: "Ich habe das immer abgelehnt, weil ich der Überzeugung bin, dass der Staat nicht die ursprünglichen Funktionen der Familie übernehmen kann, denn rechtzeitig aufstehen und ihren Kinder ein Brot schmieren und einen Kakao anbieten können alle Eltern, unabhängig von Bildungsstand, Einkommen und ethnischem Hintergrund." So weit, so gut. Trotzdem bleibt für uns in der täglichen politischen Arbeit die Frage: Was tun wir mit denen, die das nicht machen? Da, würde ich sagen, ist die Aufgabe, erst einmal bei den Eltern anzusetzen und nicht sofort beim Kind. Ich glaube, auch da sind wir wieder einer Meinung, aber wir müssen uns eben damit auch auseinandersetzen.

Es geht dann mit Bildung, Wirtschaft, Umwelt und Sozialpolitik in die Felder, die uns natürlich in der aktuellen politischen Arbeit unglaublich beschäftigen. Roland Koch hadert damit, dass es uns als Christlich-Demokratischer Union nicht gelungen ist, die Umweltpolitik als nachhaltige Politik, als zutiefst konservative Politik als Erste sozusagen auf unsere Fahnen zu schreiben. Wir haben hier viel programmatische Arbeit nachgeholt, aber es ist uns noch nicht gelungen, diese Nachhaltigkeit und dieses wirkliche Wollen des Erhalts der natürlichen Ressourcen, des Schutzes der Schöpfung Gottes ausreichend mit uns zu verbinden ‑eine Aufgabe, die sicherlich nicht nur denen auferlegt ist, die sich dem Konservativen verpflichtet fühlen. Ich wäre allerdings schon sehr froh ‑das sage ich an dieser Stelle auch‑ , wenn die, die sich als konservativ bezeichnen, sich so um die Schöpfung und ihren Erhalt kümmern würden, dass es auch für die ganze Partei glaubwürdig wird. Damit meine ich nicht den hier anwesenden Buchautor, sondern manche anderen, die bei der Frage "Was ist konservativ?" auf den Umweltaspekt aus meiner Sicht noch keinen ausreichenden Schwerpunkt setzen.

Bei der Wirtschaftspolitik, finde ich, bedürfte es noch einmal einer Diskussion ‑wir sprechen ja nachher noch darüber‑ : Was ist das Liberale und was ist das Konservative in der Wirtschaftspolitik? Das Bekenntnis zum Leistungsprinzip ist aus meiner Sicht ein Urprinzip unseres Denkens, aus dem gesamten Menschenbild heraus. Ich glaube, dass es insbesondere interessant ist, in diesem Buch ‑das empfehle ich jedenfalls allen‑ die Ausführungen über das Verhältnis von staatlichen Eingriffen, von staatlichem Handeln und unternehmerischem Handeln zu lesen. Roland Koch tut dies auch am Beispiel Opel, was ja in weiten Kreisen derer, die sich als Liberale in der Wirtschaftspolitik verstehen, als ziemlicher Fehleingriff bezeichnet wird. Er macht einen bemerkenswerten Punkt. Er sagt: Niemals darf der Staat alleine sich verantwortlich fühlen, sondern er muss immer den Eigentümer, den Unternehmer mit ins Boot nehmen. Aber dann ist staatlicher Eingriff in bestimmten Fragen durchaus möglich und notwendig.

Zur Sozialpolitik. Wir haben, glaube ich, gerade in der jetzigen Zeit mutige Entscheidungen zu fällen. Roland Koch weist darauf hin, dass gut gedachte, auch theoretisch gut ausgearbeitete Prinzipien wie zum Beispiel HartzIV und der Umgang mit der Langzeitarbeitslosigkeit in den letzten fünf Jahren nicht zu den notwendigen Erfolgen geführt haben. Das ist, glaube ich, einer der klassischen Punkte, wo auch der konservative Reformer einfach klar sagt: Wenn sich die Ergebnisse nicht so einstellen, wie wir dachten, dann müssen wir über neue Anreize nachdenken. Dann müssen wir dies verändern. Wir werden diese Dinge natürlich auch in unsere anstehenden Beratungen über die Neuregelung der Leistungen für Langzeitarbeitslose einbeziehen.

Dann kommt ein Teil namens "Das patriotische Band‑ Deutschland, Europa und die Welt", und es geht um die Fragen der Religion, die natürlich gesellschaftspolitisch wieder von größtem Interesse sind. Es wird von der Liebe zum Land gesprochen. Ich glaube, wir haben gestern erlebt, dass dies etwas ist, was wir, wie der Bundestagspräsident gesagt hat, mit stillem Stolz, Schritt für Schritt vermehrt auch in der gesamten Gesellschaft leben können und empfinden können. Da ‑das will ich ganz ausdrücklich sagen‑ ist sicherlich den Konservativen Dank zu sagen, dass sie diese Frage des eigenen Landes, des Vaterlandes nie von der Agenda genommen haben, sondern sie immer auf der Agenda gehalten haben.

Roland Koch spricht dann über die Frage: Was ist das einigende Band? Man kann auch sagen: Wer ist das Volk heute?

Der Bundespräsident hat gestern darüber gesprochen: Was ist aus dem "Wir sind das Volk!" heute für uns in einem geeinten deutschen Vaterland geworden? Da ist es interessant, dass Roland Koch den Begriff der Heimat einbringt, ihn auch beschreibt, über seine Heimat spricht und den Begriff der Heimat natürlich auch für diejenigen anführt, die zum Beispiel Vertriebene sind.

Ich will an dieser Stelle dazu eine Geschichte erzählen, die mich auf meiner Bildungsreise in Baden-Württemberg, in Stuttgart in einer Schule sehr beeindruckt hat. Dort gab es einen speziellen Literaturunterricht mit einem Schriftsteller und einem Lehrer in einer Klasse mit sehr vielen Kindern mit Migrationshintergrund, und alle mussten in wenigen Worten aufschreiben, was für sie Heimat ist. Ich habe das geschrieben, was man bei mir erwarten kann: See, Wald und Kirchturm. Andere haben ihre Dinge geschrieben. Von den Kindern mit Migrationshintergrund hat keines ein landschaftliches oder bauliches Objekt genommen, sondern alle haben Freunde, die Familie, das Zuhause-Sein, das Im-eigenen-Bett-Schlafen gewählt. Kein einziges Kind hat ein städtebauliches oder landschaftliches Stück genannt. Das hat mich sehr nachdenklich gestimmt und bringt für mich die Frage, ob wir nicht noch einmal in viel breiterem Maß eine Diskussion darüber führen sollten: Was ist für jemanden Heimat? Das ist eine wichtige und aus meiner Sicht ganz wesentliche Diskussion.

Dann geht es um die Frage des Vertrauens in den Staat, um die Frage: Was muss der Staat leisten? Es ist erkennbar, dass Roland Koch davon ausgeht, dass der Staat unverzichtbare Aufgaben hat, also ein starker Staat sein soll, auch ein Staat, der darauf achtet, dass es keine rechtsfreien Räume gibt. Ich glaube, das ist in der augenblicklichen Debatte von allergrößter Wichtigkeit.

Es folgt eine umfassende Auseinandersetzung mit dem Thema der Integration, bei dem Roland Koch selber als Ministerpräsident mit der Hessischen Landesregierung natürlich Erhebliches geleistet hat, beginnend mit dramatischen Widerständen. Was ist Staatsbürgerschaft? Ich glaube, es ist inzwischen weitestgehend mehr akzeptiert als im Jahre 1998/99, dass das Erhalten einer Staatsbürgerschaft der Endpunkt eines Prozesses ist und die Staatsbürgerschaft nicht einfach hingegeben wird in Form von doppelten Staatsbürgerschaften, wo man dann sozusagen mal schaut, was daraus wird. Ich unterstütze das jedenfalls sehr.

Und dann geht es um die ganze Frage der Sprache, der Rechtsordnung, der Sprachtests und vieles andere mehr, was ja in Hessen und vielen anderen Bundesländern inzwischen ganz normal ist, aber was natürlich längst nicht immer normal war. Denjenigen, die manchmal meinen, bestimmte Fragestellungen würden in unserer gesellschaftlichen Diskussion keinen Erfolg zeigen, kann man sagen: Hier ist unglaublich viel erreicht, wenngleich wir noch lange nicht am Ziel sind.

Und da möchte man eigentlich weiterlesen, aber dann hört das Buch leider schon bald auf. Es geht noch um die Frage der Religion. Roland Koch sagt, dass Religion ganz stark das soziale Verhalten prägt. Er weist das auch an statistischen Erhebungen aus; ich bin auch zutiefst davon überzeugt, dass das so ist. Die Einstellung zur Ehe, die Einstellung zur Familie ist natürlich durch die religiöse Prägung vorbestimmt.

In diesem Zusammenhang ist ein Thema ‑und das ist eine Aufgabe für die ganze Christlich-Demokratische Union‑ : Was bedeutet die zunehmende Säkularisierung für die Auffassungen über unseren Sozialstaat, über unsere Wirtschaftsordnung, über das, was der Einzelne zu tun hat, was er beizutragen hat? Es folgen viele Ausführungen zum Ehrenamt, zur eigenen Beteiligung, auf die ich jetzt gar nicht so umfassend eingehen kann, bis hin zu dem Punkt, über den wir uns mindestens schon zehn Jahre streiten: Soll es eine allgemeine Dienstpflicht für die jungen Menschen in Deutschland geben, ja oder nein?

Es geht um die Säkularisierung, die abnehmende Prägung durch den christlichen Glauben in unserer Gesellschaft und auf der anderen Seite die Tatsache, dass es viele Muslime bei uns gibt. Hier spricht Roland Koch sehr klar davon ‑ich kann das nur unterstreichen‑ , dass die Frage "Was ist die Wahrnehmung über den Islam, was ist der Islam bei uns in Deutschland?" eine der zentralen Fragen wird, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen. Wolfgang Schäuble hat nicht umsonst den Islamdialog eingeführt. Es gibt viele Versuche der christlichen Kirchen, mit muslimischen Verbänden zu sprechen.

Wir brauchen nicht drum herumzureden: Die Wahrnehmung dessen, was Islam ist, ist in Deutschland durch die Scharia, durch die fehlende Gleichberechtigung von Mann und Frau, bis hin zum Ehrenmord stark geprägt. Das ist nicht der Islam, wie er ist, aber dadurch ist das Bild geprägt, und es gibt solche Facetten. Es ist ganz klar ‑ich kann das nur unterstreichen‑ : Es gibt hier keine Toleranz gegenüber den Grundwerten unseres Grundgesetzes. Es wird sicherlich die zukünftige Aufgabe sein, die wir mit großem Respekt vor der Religion, aber auch großem Nachdruck durchsetzen müssen, zu sagen: Ein Islam, der mit der Religionsfreiheit in Deutschland natürlich hier willkommen ist, muss ein Islam sein, der sich unseren Grundwerten verpflichtet fühlt. Darüber muss gesprochen werden. Ansonsten würden Ängste zunehmen, und das kann nicht unser Ansinnen sein.

Ich finde, es ist ein Buch, das aus großer Zuneigung ‑um nicht zu sagen: aus Liebe‑ zu Deutschland‑‑ Es wird oft gefragt: Darf man sagen, ich liebe mein Vaterland? Ich finde, man darf es sagen. Es gibt ja die verschiedenen Formen der Liebe; die Ehefrau sitzt daneben und muss sich deshalb nicht irgendwie ausgegrenzt fühlen. Es ist also ein Buch, das aus großer Zuneigung und Liebe zu Deutschland geschrieben ist und aus Zuneigung zu der Partei, die uns beide verbindet, der Christlich-Demokratischen Union.

Es wird der Partei einiges ins Stammbuch geschrieben, aber es wird auch einiges erläutert, was durchaus vorhanden ist. Deshalb sage ich: Diejenigen, die sich in der CDU der konservativen Wurzel verpflichtet fühlen, brauchen nicht mit gesenktem Haupt und schlechter Laune durch die Welt zu gehen, und mit diesem Buch noch weniger.

Herzlichen Dank, dass es das Buch gibt.