Redner(in): Bernd Neumann
Datum: 04.10.2010
Untertitel: "Ich sehe im Deutschen Hygiene-Museum nicht nur einem Leuchtturm unserer Museumslandschaft, sondern auch ein gelungenes Beispiel auf dem Wege zur Vollendung der deutschen Einheit!", so Kulturstaatsminister Bernd Neumann in seiner Rede in Dresden.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_1498/Content/DE/Rede/2010/10/2010-10-04-neumann-hygiene-museum,layoutVariant=Druckansicht.html
gestern haben wir in Bremen und Berlin feierlich den 20. Jahrestag der Deutschen Einheit begangen ein Ereignis, das uns alle nach wie vor sehr bewegt! Ich freue mich besonders, dass ich heute, einen Tag nach den großen Feierlichkeiten, hier in Dresden im Namen der Bundesregierung ein Grußwort spreche. Denn ich sehe im Deutschen Hygiene-Museum nicht nur einem Leuchtturm unserer Museumslandschaft, sondern auch ein gelungenes Beispiel auf dem Wege zur Vollendung der deutschen Einheit!
In der DDR wurden in kulturellen Einrichtungen und insbesondere in den Museen über Jahrzehnte die notwendigen Sanierungsmaßnahmen nicht geleistet. Deshalb war 1990 die bauliche Substanz vieler Einrichtungen, aber auch die der Innenstädte, sehr heruntergekommen. Heute, 20 Jahre nach der Deutschen Einheit, erblüht die Kultur wieder! Wie viele andere Museen in den Neuen Ländern ich denke da nur an das beeindruckende Ozeaneum in Stralsund oder die Museen im GRASSI in Leipzig hat das Deutsche Hygienemuseum in den vergangenen Jahren beträchtliche Förderung durch den Bund erhalten. Ziel war es, das Haus in die Lage zu versetzen, dass es den ihm gebührenden Spitzenplatz als international vorbildliches Haus wieder einnehmen kann. Und das ist auch gelungen wie wir heute sehen können! 10,8 Mio. Euro Bundesmittel über ein Viertel der gesamten Bausumme! sind in die Sanierung geflossen, unter anderem in die beiden Säle, die wir heute als letzte komplett modernisiert eröffnen! Mit weiteren 3 Mio. Euro hat der Bund nach der großen Elbeflutkatastrophe 2002 die Errichtung des zentralen Depots bezuschusst. Damit kann das Haus einem zentralen Auftrag eines Museums, nämlich dem Bewahren, noch besser nachkommen und seine einmalige Sammlung vor solchen Naturkatastrophen schützen. Insgesamt wurden knapp 14 Mio. Euro in den vergangenen 10 Jahren hier durch den Bund investiert eine stolze Bilanz! Das Deutsche Hygienemuseum kann nun seiner selbstgesetzten Kernaufgabe der kulturellen Vermittlung noch mehr gerecht werden.
Kulturelle Bildung, meine Damen und Herren, ist für das Deutsche Hygienemuseum kein Feigenblatt, mit dem man schamhaft etwaige didaktische Lücken bei der Präsentation verdeckt. Sie ist vielmehr integraler Bestandteil des Konzepts, denn Vermittlung fängt hier schon ganz am Anfang, nämlich bei der Themenwahl und der Ausstellungsgestaltung an und damit ist das Deutsche Hygienemuseum Dresden Weg weisend in Deutschland. Im vergangenen Jahr hat die Bundesregierung das Deutsche Hygienemuseum deshalb eingeladen, sein Vermittlungskonzept bei unserer großen internationalen Tagung zur kulturellen Bildung in Genshagen bei Berlin vorzustellen mit großem Erfolg!
Kulturelle Bildung ist ein zentraler Schwerpunkt für uns, darum haben wir mit der Stiftung Genshagen eine europäische Plattform für den Austausch über dieses wichtige Thema eingerichtet. Aber nicht nur hier war das Deutsche Hygienemuseum gleich von Anbeginn dabei. Es ist auch eine der ersten geförderten Einrichtungen in unserem neuen Förderprogramm zu kulturellen Bildung, in dem wir in diesem Jahr Mittel in Millionenhöhe vergeben. Mit 100.000 Euro fördern wir ein neues vorbildliches Projekt. Gemeinsam mit dem Freistaat Sachsen wird auf breiter Basis untersucht, wie kulturelle Bildung an dem viel beschworenen außerschulischen Lernort Museum eigentlich wirklich funktioniert. Das Deutsche Hygienemuseum entwickelt auch gleich einen praktischen Leitfaden zum Gebrauch für andere Museen. Dieses Projekt ist ein gutes Beispiel für die Zusammenarbeit des Bundes mit einer vom Land und der Kommune als Stifter getragenen Einrichtung.
Mein Damen und Herren,
Museen sind neben den Bibliotheken und Archiven die wahren Schatzkammern unserer Identität und das Gedächtnis unserer Kultur. Soll unsere Gesellschaft nicht in Amnesie verfallen, ist stetige Arbeit an diesem Gedächtnis unabdingbar! Ich kann es nicht nachvollziehen, dass mittlerweile nicht mehr nur über Schließungen von gut etablierten Museen nachgedacht wird, sondern sie tatsächlich exekutiert werden. Für mich steht dies im krassen Widerspruch zu unserem Selbstverständnis als Kulturnation und auch das sollten wir nicht vergessen als eine der reichsten Industrienationen der Welt!
Vergegenwärtigt man sich die Geschichte der Museumsentwicklung zum Ende des ausgehenden 19. Jahrhunderts, so kristallisiert sich die Alleinstellung des Deutschen Hygienemuseums als Themenmuseum recht schnell heraus. Sicher könnte man sagen, es handelt sich hier um eine Spätzündung, denn dieses Museum entstand erst im 20. Jahrhundert, somit einige Jahrzehnte später als die großen Kunst- und Naturkundemuseen in Deutschland. Und dennoch trat das Museum recht schnell mit einer geschickten Inszenierung seines Themas den Siegeszug in der Museumslandschaft an. Mit der ersten Internationalen Hygiene-Ausstellung 1911 erreichte es bereits einen Ausstellungsrekord von mehr als fünf Millionen Besuchern. Knapp 20 Jahre später konnte das Museum seinen festen Standort in Dresden mit der Eröffnung des Neubaus 1930 beziehen. Das Hygienemuseum warb erfolgreich für sich mit seinen Wanderausstellungen und war damit schnell über Deutschlands Grenzen hinaus bekannt. Mit seinen Ausstellungen und Lehrmaterialien durfte es als die Institution charakterisiert werden, die es verstand, mit einem neuen didaktischen Ansatz den historischen Begriff der Hygiene unter ganzheitlichen Gesichtspunkten als Weg zur gesundheitsbewussten Lebensführung zu betrachten.
Das Deutsche Hygiene-Museum konnte nach der Wiedervereinigung an die Tradition, seine Ausstellungen an anderen Orten zu zeigen, erfolgreich anknüpfen. Erinnert sei hier an die, unter anderem im Martin-Gropius-Bau mit großem Erfolg gezeigte Ausstellung "Der ime Mensch. Vom Recht auf Unvollkommenheit" im Jahr 2000/2001. Und schauen wir uns die Liste der Ausstellungen der letzten Jahre an, so erfahren wir, dass das Hygiene-Museum eine reiche Themenpalette abdeckt und sich in erster Linie auf Fragen unseres Menschseins spezialisiert hat. Mit seinen Ausstellungen hat das Hygiene-Museum Fragen aufgeworfen, die immer wieder um unsere Verantwortung als Mensch für jedes Geschöpf dieser Erde kreisen und damit längst die Ebene der Hygiene des Menschen verlassen haben. In den Ausstellungen des Deutschen Hygiene-Museums werden somit grundsätzlich ethische Fragestellungen verhandelt, die keiner Ideologie und Staatsdoktrin unterworfen sein sollten.
Das Deutsche Hygienemuseum hat aber auch problematische Kapitel in seiner Geschichte. In der NS-Zeit war es ein rassekundliches Propagandainstitut. In der DDR wurde es als staatliches Gesundheitsmuseum fortgeführt und unumwunden für die Staatsdoktrin in Dienst genommen. Dies ist eine Vergangenheit, die man nicht wegdiskutieren oder verschweigen kann man muss sich ihr stellen, will man auch in Zukunft glaubwürdig sein. Ich finde es darum sehr anerkennenswert, dass sich das Deutsche Hygienemuseum schon seit Jahren aktiv für die Aufarbeitung einsetzt. Seit dem 1. Oktober läuft nun auch in Zusammenarbeit mit dem Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte in Berlin und der Universität Bielefeld ein umfangreiches Forschungsprojekt zur Geschichte des Museums, das auch die NS-Zeit und die DDR in den Blick nimmt. Das ist vorbildlich!
Meine Damen und Herren, In den Jahren der Teilung waren Kunst und Kultur trotz unterschiedlicher Entwicklung der beiden Staaten in Deutschland eine Grundlage der fortbestehenden Einheit der deutschen Nation " so heißt es in Artikel 35 des Einigungsvertrages vom 31.8.1990. Es sind eben die gemeinsame Kultur und Geschichte, die unsere Identität als Deutsche ausmachen, die uns zusammenhalten damals im geteilten Deutschland und jetzt als wiedervereinigtes Land in einem vereinigten Europa. Heute, zwanzig Jahre nach der Herbeiführung der Deutschen Einheit, kommt der kulturelle Reichtum der neuen Länder wieder so zur Geltung, wie es seinem Rang entspricht. Das Deutsche Hygiene Museum Dresden mit seinem wechselvollen Schicksal spiegelt in gewisser Hinsicht die deutsche Geschichte der letzen hundert Jahre und es zeigt zugleich auch die Kraft, die unser Land hat, sich immer wieder neu auf den Weg zu machen.
Mit der Vollendung des Baus wachsen naturgemäß die Erwartungen, die an das Deutsche Hygiene Museums gestellt werden. Ich bin jedoch zuversichtlich, dass Sie, Herr Professor Vogel, und Ihre Mitarbeiter diese Aufgabe auch dank der Unterstützung und des Engagements der Förderer und Stifter meistern werden. Nun bleibt nur noch, von meiner Seite dem Deutschen Hygiene-Museum für die Zukunft alles Gute zu wünschen!