Redner(in): Angela Merkel
Datum: 01.12.2010

Untertitel: in Kasachstan
Anrede: Herr Präsident, meine Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_1498/Content/DE/Rede/2010/12/2010-12-01-merkel-osze-gipfel,layoutVariant=Druckansicht.html


ich möchte mich ganz herzlich bei dem kasachischen Präsidenten Nasarbajew und seiner Regierung für die Gastfreundschaft und die Herzlichkeit bedanken, mit der wir hier in Astana aufgenommen wurden.

Zum ersten Mal findet ein OSZE-Meeting in Zentralasien auf der Ebene der Regierungschefs statt. Sicherlich bietet dieses Treffen uns allen die Gelegenheit zu schauen, welche Entwicklungen in dieser Region vonstattengegangen sind. Astana ist dafür erkennbar ein sehr beeindruckendes Beispiel.

Wir treffen uns hier 35 Jahre nach Unterzeichnung der KSZE-Schlussakte von Helsinki. Der damalige Prozess hat die Welt verändert; so kann man das sagen. Die Partnerschaft von Vancouver bis Wladiwostock hat heute eine völlig andere Qualität, als man das damals voraussehen konnte. Man hat es sich gewünscht, aber das Schöne an dieser politischen Arbeit ist, dass sie sich in weiten Teilen realisiert hat.

Wir treffen uns 20 Jahre nach dem Treffen in Paris, wo wir uns auf das Zeitalter der Demokratie, des Friedens und der Einheit verpflichtet hatten. In diesen 20 Jahren ist unbestritten vieles passiert. Aber wir müssen auch sagen, dass sich manche Prozesse langsamer gestalten, als wir uns das vielleicht vor 20 Jahren vorgestellt haben. Deshalb sollte Astana eine kritische Bestandsaufnahme sein: Was haben wir geschafft? Welche Arbeit liegt noch vor uns?

Ich finde es deshalb wichtig, dass wir uns auf der einen Seite noch einmal zu den Grundsätzen des Prozesses bekennen Menschenrechte, Freiheit, Rechtssicherheit, demokratische Grundrechte, wirtschaftliches Wachstum und Sicherheit sind die Aufgaben, die wir zu realisieren haben und dass wir auf der anderen Seite im Aktionsplan deutlich machen, was in nächster Zeit noch zu tun ist.

Ich glaube, dass man ehrlicherweise auch sagen muss, dass wir im August 2008, als es die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Georgien und Russland gegeben hat, eine schwere Vertrauenskrise erlebt haben. Wir können sehr froh darüber sein, dass diese auch durch den Korfu-Prozess überwunden werden konnte und dass wir heute sagen können ob beim NATO-Russland-Gipfel in Lissabon, bei der Kooperation von Russland und der Europäischen Union oder aber der Kooperation hier in dieser Organisation, dass Schritt für Schritt wieder Vertrauen aufgebaut werden kann. Ich glaube, die Partnerschaft, die in dieser Organisation gelebt wird, zeigt sich vor allen Dingen daran, wie viel Vertrauen wir uns gegenseitig entgegenbringen.

Ich möchte auf drei Bereiche eingehen, die für die Arbeit in den nächsten Jahren von großer Bedeutung sind.

Erstens: Die Lösung von Regionalkonflikten. Sicherheit ist unteilbar. Die Sicherheit jedes einzelnen Mitgliedes der OSZE hängt mit der Sicherheit anderer Mitglieder auf das Engste zusammen. Deshalb muss es gelingen, die Konflikte, die noch nicht gelöst sind, auch wirklich zu lösen. Deshalb wäre ich froh, wenn es uns gelänge, im Aktionsplan auf den Transnistrien-Konflikt hinzuweisen und die Fünf-plus-zwei-Gespräche zu formalisieren.

Ich möchte mich beim russischen Präsidenten bedanken. Wir haben im Frühsommer in Deutschland darüber gesprochen, wie wir diesen Prozess wieder aktivieren können. Seitdem ist einiges geschehen. Wenn wir zu formalen Gesprächen kämen, dann sehe ich eine gute Grundlage, dass wir auch Fortschritte erzielen.

Zweitens: Wir bekennen uns zur territorialen Integrität und Souveränität Georgiens. Deshalb sollten auch die Bemühungen weitergehen, insbesondere in den Genfer Gesprächen die Sicherheit zu stärken und die humanitäre und menschenrechtliche Lage zu verbessern. Ich bin deshalb auch sehr dafür, dass die OSZE in ganz Georgien wieder eine sichtbare Präsenz zeigen kann.

Drittens: Bergkarabach. Die Minsker Gruppe muss in der nächsten Zeit weiter Fortschritte erzielen. Ich glaube, man kann mit den erreichten Fortschritten noch nicht zufrieden sein, obwohl vieles unternommen wurde.

Ein weiterer Punkt ist die Rüstungskontrolle. Ich glaube, dass wir die konventionelle Rüstungskontrolle und ebenfalls vertrauens- und sicherheitsbildende Maßnahmen verstärken sollten. Wir haben vor elf Jahren auf dem letzten OSZE-Gipfel in Istanbul das Wiener Dokument 1999 über vertrauens- und sicherheitsbildende Maßnahmen verabschiedet. Es leistet nach wie vor einen wesentlichen Beitrag zur Transparenz und Berechenbarkeit im militärischen Bereich in Europa. Natürlich haben sich die Realitäten verändert. Deshalb müssen hier Anpassungen vorgenommen werden.

Ich könnte mir auch vorstellen, obwohl das bei diesem Treffen wohl noch nicht gelingen wird, dass wir wieder dazu kommen, das KSE-Vertragsregime weiter zu entwickeln und zur Realität werden zu lassen. Ich glaube, es könnte ein wirklich modernes konventionelles Rüstungskontrollregime sein, das die aktuellen Sicherheitsbedürfnisse berücksichtigt und die Transparenz erheblich erhöhen würde.

Ein weiterer Punkt betrifft die Menschenrechte und die soziale Marktwirtschaft. Die bessere Umsetzung unserer gemeinsamen Verpflichtung zur Achtung von Menschenrechten und Grundfreiheiten ist nach wie vor ein wichtiges Thema auf der Tagesordnung. Ich will das Thema freie Medien erwähnen, das wir umfassend in unserer Organisation brauchen. Rechtssicherheit ist nach wie vor auch ein Thema, an dem an einigen Stellen noch gearbeitet werden muss. Natürlich müssen die menschenrechtlichen Garantien der Helsinki-Schlussakte zur Demonstrationsfreiheit, Meinungs- und Medienfreiheit umfassend in all unseren Mitgliedsstaaten umgesetzt werden. Wir alle haben erlebt, wie wichtig es ist, dass man dies auch wirklich vorantreibt.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, die OSZE hat also noch einiges zu tun, damit wir wirklich zu einem kooperativen Sicherheitsforum auf der Basis von Demokratie und Freiheit werden können. Ich möchte all denen, die im Rahmen der OSZE in den Missionen jeden Tag ihre Arbeit tun sei es in den Missionen der Länder oder aber in den Wahlbeobachtungsmissionen, ein herzliches Dankeschön sagen. Es sind oft sehr mühselige und in den Ländern umkämpfte Prozesse. Aber jeder Einzelne, der dort arbeitet, leistet einen Beitrag zu den Grundprinzipien dieser Organisation. Deshalb ein herzliches Dankeschön!

Genauso sage ich ein Dankeschön an die Kooperationspartner, denn wir haben gerade im Blick auf Afghanistan gezeigt, dass die OSZE bereit ist, bei den zentralen Konflikten Verantwortung zu übernehmen. Ich glaube, dass wir in diesem Sinne auf das stolz sein können, was wir geschafft haben. Aber wir sollten den Kopf nicht in den Sand stecken. Es gibt noch eine Menge zu tun.

Herzlichen Dank!