Redner(in): Angela Merkel
Datum: 24.02.2011
Untertitel: in Berlin
Anrede: Lieber Michail Gorbatschow, lieber Herr Diekmann, meine Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_1498/Content/DE/Rede/2011/02/2011-02-24-bkin-fotoausstellung-gorbatschow,layoutVariant=Druckansicht.html
ich freue mich, heute hier im Kennedy-Museum eine Gorbatschow-Ausstellung zu eröffnen. Der Botschafter der Vereinigten Staaten ist hier; und wir alle versammeln uns, weil wir heute froh darüber sein können, dass Ost und West nicht mehr in dem Maße getrennt sind, wie es früher, vor über 20Jahren, der Fall war. Es gibt in diesen Tagen viele Jubiläen, die uns daran erinnern, was passiert ist. Vor wenigen Tagen haben wir des 100. Geburtstags von Ronald Reagan gedacht, der nicht mehr erleben konnte, dass man so vor dem Brandenburger Tor stehen kann, wie wir eben beim Fototermin. Lieber Michail Gorbatschow, in wenigen Tagen werden wir an Ihren 80. Geburtstag denken. Das heißt, denken tun wir heute schon daran, aber stattfinden wird er erst in wenigen Tagen. Auch Sie haben den Stein der Geschichte ein ganzes Stück weit zum Rollen gebracht. Sie haben im Kreml, als Sie dorthin kamen, eine andere Sprache als diejenigen gesprochen, die bis dahin dort waren. Sie haben es möglich gemacht, dass das, was wir in Deutschland die friedliche Revolution in der ehemaligen DDR nennen, stattfinden konnte. Wir sind ja Realisten: Ohne die damalige Sowjetunion wäre jede Freiheitsbestrebung auch in der ehemaligen DDR erstickt worden. Sie haben uns 1989 in Ostberlin ins Stammbuch geschrieben: "Ich glaube, Gefahren warten nur auf jene, die nicht auf das Leben reagieren." Genauso ist es das Leben gibt den Takt vor; und kluge Politik reagiert auf das Leben und gestaltet es zum Wohle der Menschen. Ich glaube, dass sich John F. Kennedy gefreut hätte, wenn er gewusst hätte, dass hier heute eine Ausstellung über einen Generalsekretär der KPdSU und Präsidenten stattfindet, der dazu beigetragen hat, dass der Kalte Krieg zu Ende gegangen ist. Das ist und bleibt Ihr Verdienst. Auch mein Leben hat sich dadurch sehr verändert. Viele haben damals dazu beigetragen. Es wurde dadurch ein glücklicher Moment der Geschichte, dass vernünftige, weitsichtige Persönlichkeiten wie Sie, wie Georg Bush, wie Helmut Kohl und wie viele andere die Geschichte geformt haben. Wir haben heute die Aufgabe, wenn wir uns so eine Ausstellung über Ihr Leben anschauen, zu sagen: Auch wir müssen wieder Weichen für die Zukunft stellen. Denn auch in unseren Tagen passiert vieles, mit dem wir nicht gerechnet haben, wenn ich allein an die Veränderungen in Nordafrika und anderswo denke. Sie haben allen Grund, stolz zurückzublicken. Aber ich habe eine Bitte an Sie, denn auch wenn man 80 wird, sollte man sich noch nicht zur Ruhe setzen. Deshalb lautet meine Bitte: Bleiben Sie dabei, dass Sie den jungen Menschen in Russland und den jungen Menschen in Deutschland immer wieder von dem erzählen, was Ihr Leben bewegt hat. Sie haben erlebt, dass sich das Leben ändern kann, wenn man das Richtige tut. Das muss auch der Geist sein, in dem wir heute unsere Geschichte formen. Lieber Michail Gorbatschow, ich wünsche Ihnen schon jetzt auch für die nächste Zeit alles Gute. In Deutschland sind wir ein bisschen abergläubisch: Wir gratulieren nicht zu früh zum Geburtstag. Aber ich sage auf jeden Fall: Es ist schön, dass wir diese Ausstellung hier haben. Wir werden sie uns ja gleich auch mit Freude anschauen. Herzlichen Dank, dass Sie so unmittelbar vor Ihrem Geburtstag wieder einmal zu uns gekommen sind. Vielleicht ist Ihnen, obwohl Ostberlin damals ein bisschen langsam war und Sie gesagt haben "Schlaft nicht, sondern packt an", über die Zeit hinweg Berlin auch eine kleine Heimat neben Ihrer großen Heimat Russland geworden. Wir sind auch ein bisschen stolz darauf, dass Sie zu einem kleinen Stück inzwischen auch hier Ihr Zuhause haben; die Deutschen empfinden das jedenfalls so. Herzlich willkommen. Danke dafür, dass wir hier dabei sein können.