Redner(in): Bernd Neumann
Datum: 12.03.2011

Untertitel: Die Verleihung des Gertrud-Eysoldt-Ringesjährte sich zum 25. Mal und zähltzu denwichtigsten Auszeichnungen des deutschen Theaters. Für Staatsminister Bernd Neumann ist die Tatsache, dass dieser für die Darstellende Kunst bedeutende Preis in Bensheim verliehenwird, und nicht in einer Metropole wie Berlin oder München, einBeleg für die Lebendigkeit des Kulturföderalismus in Deutschland.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_1498/Content/DE/Rede/2011/03/2011-03-12-neumann-eysoldt-ring,layoutVariant=Druckansicht.html


ich freue mich heute bei der Verleihung des Gertrud-Eysoldt-Ringes dabei zu sein und bedanke mich bei meinem Bundestagskollegen Michael Meister, der mich eingeladen hat. Es gibt aber eine ganze Reihe von weiteren Gründen für meine Präsenz. Da ist zunächst das Jubiläum: Der Ring und die mit ihm einhergehende Preissumme werden in diesem Jahr zum 25. Mal vergeben. Der Preis ist damit noch vergleichsweise jung und kann doch auf eine beeindruckende Tradition zurückblicken. Als eine der wichtigsten Auszeichnungen des Theaters in Deutschland hat er sich seit langem etabliert. Wer einen Blick auf die Liste der bisherigen Preisträger und Juroren wirft, liest ein Who is Who der Darstellenden Kunst. Der Stellenwert des Eysoldt-Ringes erklärt sich wesentlich durch die kontinuierliche Juryarbeit, die mit Sachkenntnis und Sensibilität in jedem Jahr die herausragende Rollengestaltung des deutschen Sprachraums auswählt. Den Mitgliedern der dafür verantwortlichen Deutschen Akademie der Darstellenden Künste gilt für diese Leistung alle Anerkennung; stellvertretend sage ich ein herzliches Dankeschön dem Präsidenten Hermann Beil. Die Bedeutung der Auszeichnung liegt für mich aber auch in der geglückten Verbindung von bürgerschaftlichem Engagement und öffentlicher Unterstützung. Der Initiator des Preises, Wilhelm Ringelband, hinterließ bekanntlich ein nicht ganz einfach zu handhabendes Erbe, das von Frankfurt und München ausgeschlagen wurde. Die Stadt Bensheim dagegen griff beherzt zu und hat sich so auf die Landkarte des Theaters in Deutschland gesetzt. Die Kommune hat erkannt, dass Kultur nicht Luxus ist, der in weniger guten Zeiten verzichtbar wäre, sondern elementarer Bestandteil des städtischen Lebens. Es geht hier ja nicht nur um ein jährliches Event, das in der Übergabe des Rings besteht, sondern um die Profilierung Bensheims als Ort des Theaters. Zum Ausdruck kommt dies nicht zuletzt darin, dass die Deutsche Akademie der Darstellenden Künste ihren Sitz vor einigen Jahren nach Bensheim verlegt hat. Allen Bürgern und politisch Verantwortlichen, die an dieser Profilierung mitgewirkt haben, möchte ich meinen Dank und Respekt aussprechen. Kompliment Herr Bürgermeister Herrmann! Mit dem Gertrud-Eysoldt-Ring verbindet sich für die mittelgroße Stadt Bensheim eine bundesweite Aufmerksamkeit. Dies ist aus meiner Sicht auch ein Beleg für die Lebendigkeit des Kulturföderalismus in Deutschland. Es gibt eben in Deutschland nicht nur ein Zentrum wie London oder Paris, auch wenn Berlin inzwischen durchaus den Rang einer Kulturmetropole beanspruchen kann. Aber die Qualität des Kulturschaffens in Deutschland also die Kulturnation Deutschland hat sich bis heute immer aus einer Vielfalt von Städten und Regionen gespeist. Kulturelle Einrichtungen und Veranstaltungen von nationaler Bedeutung gibt es nicht nur in Berlin, Frankfurt oder München, sondern ebenso in Weimar, Bayreuth, Kassel oder wie heute in Bensheim. Die föderal verfasste Kulturlandschaft in Deutschlands fußt wesentlich auf dem Theater. Das System des Stadttheaters ermöglicht ein qualitativ hoch stehendes, kontinuierliches und nahezu flächendeckendes Angebot an die Bürgerinnen und Bürger. Dies muss so bleiben: Das Theater bildet die umfassendste Kunstform, denn es resultiert aus dem Zusammenspiel ganz unterschiedlicher künstlerischer Elemente und Rollen - vom Autor über den Regisseur und die Darsteller bis zum Masken- und Bühnenbildner. Indem das Theater immer an die Unmittelbarkeit des Geschehens auf der Bühne und im Zuschauerraum gebunden ist, stellt es eine spezifisch öffentliche Sparte der Kunst dar. Diese Form der Öffentlichkeit hat stets einen ausgeprägten Bezug zum kommunalen Leben, zum Ort des Theaters, zum Stadtgespräch. Auch dies trägt zu seiner Faszination und zu seiner gesellschaftlichen Wertschätzung bei. Das Theater genießt in Deutschland einen hohen Stellenwert. Seine Förderung braucht keinen internationalen Vergleich zu scheuen. Dem hohen Stellenwert stehen allerdings auch unübersehbare Probleme gegenüber. Ich kann hier nur einige Stichworte nennen: die angespannte Lage der öffentlichen Haushalte, die scharfe Konkurrenz der Freizeitangebote, die demografische Entwicklung und die damit einhergehende Herausforderung, neue Publikumsschichten zu gewinnen. Die Kulturpolitik auf Bundesebene kann nicht alle dieser Probleme lösen, denn die Verantwortung für den Erhalt der Theaterlandschaft liegt eindeutig bei den Ländern und Kommunen. Ich sage aber ebenso klar: Im Rahmen seiner verfassungsrechtlichen Kompetenz steht der Bund zu seinem Engagement. Konkret bedeutet dies zum Beispiel, dass wir Leuchtturm-Veranstaltungen mit nationaler und internationaler Ausstrahlung fördern. Ich denke an das Festival "Theater der Welt" oder an das Theatertreffen in Berlin. Die Auswahl für das diesjährige Theatertreffen belegt ja in bemerkenswerter Weise die Vielfalt des deutschen Theaters. Eingeladen sind eben nicht die großen Häuser aus Berlin, München oder Hamburg, sondern z. B. auch Oberhausen und Schwerin. Förderungen sind das eine; mindestens ebenso wichtig aber ist die grundsätzliche kulturpolitische Auseinandersetzung. Ich stelle mich dieser Auseinandersetzung, wo immer sich die Gelegenheit bietet. Nicht zuletzt die Wirtschafts- und Finanzkrise hat zur Verunsicherung geführt. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage: Können wir uns eine so umfangreiche, öffentlich finanzierte kulturelle Infrastruktur weiterhin leisten? Was bringt sie uns? Brauchen wir sie alle, die 150 Theater, aber auch die 130 Orchester, die die öffentliche Hand finanziert, die tausenden von Museen, Galerien und Ausstellungshallen? Meine Antwort ist: Ja, ja und nochmals ja! Es ist die Kultur, die unser Wertefundament bildet, es sind die Künste, die uns zum Reflektieren und Besinnen ermuntern, es ist dieses gleichsam überflüssig Scheinende, das ganz wesentlich die Basis unseres Gemeinwesens bildet. Lassen Sie es mich plastisch sagen: Kunst ist nicht das Sahnehäubchen, sondern die Hefe im Teig. Der kulturelle Reichtum unseres Landes und seine Attraktivität auch im Ausland hängen nicht zuletzt mit unserer vielfältigen und dichten Kulturlandschaft zusammen. Das breite Angebot in allen Regionen ist das Fundament unserer Kulturnation! Hier wird vieles gerade auch durch hohen, bürgerschaftlichen Einsatz geleistet. Diese Verbindung von öffentlicher Förderung mit privater Verantwortung für die Kultur in unserem Lande ist unabdingbar, auch wenn keine Krisenszenarien drohen. Sparmaßnahmen sind unverzichtbar aber mit Kürzungen bei der Kultur kann man keinen Haushalt sanieren, liegt doch der Anteil in Ländern und Gemeinden bei mageren 1,9 % . Deshalb lautet mein Appell: Schont die Kultur! Sehr geehrte Damen und Herren,

die kulturpolitische Auseinandersetzung ist wichtig, aber sie steht nicht im Zentrum des heutigen Abends. Im Mittelpunkt stehen die Künstler und ihre herausragenden Leistungen. Ich gratuliere Ihnen, Frau Dene, Herr Khuon und Herr Rittberger, sehr herzlich, und wünsche Ihnen, aber auch uns allen, einen schönen Abend.