Redner(in): Bernd Neumann
Datum: 26.04.2011

Untertitel: Im Rahmen des Podiumsgesprächs bekundeteStaatsminister Bernd Neumann seine Solidarität mit Ai Weiwei und erklärte, dass man für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit mit Nachdruck Flagge zeigen müsse. Die Forderung, die Ausstellung abzubrechen und Kulturaustausch mit autoritären oder totalitären Regimen zuunterlassen, sei keine Lösung. Vielmehrschaffe gerade die Kultur die Podien und Foren, auf denen klar Stellung bezogen werden könne.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_1498/Content/DE/Rede/2011/04/2011-04-26-neumann-aiweiwei,layoutVariant=Druckansicht.html


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Ai Weiwei und die Kunst der Aufklärung. Eine deutsche Debatte

Kamera: James- A. Wehse, Uwe Ziegenhagen, Stefan Gräfe

Schnitt: James- A. Wehse

Leitung: Thomas Grimm

Eine Co-Produktion der Akademie der Künste mit Zeitzeugen TV

Video in verschiedenen Formaten

Dank an Klaus Staeck für diese aktuelle Veranstaltung zum Thema "Ai Weiwei und die Kunst der Aufklärung Eine deutsche Debatte." Es ist wichtig, dass wir diese Debatte gerade in Deutschland führen und in Berlin, aber es ist nicht nur ein deutsches Thema, sondern hier ist die Kultur gefordert und herausgefordert weltweit!

Ich bin zuvörderst hier, um meine Solidarität mit Ai Weiwei zu bekunden. Seine plötzliche Inhaftierung führt uns erneut vor Augen, dass Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und vor allem die Freiheit der Kunst in China grob missachtet werden. Ais Festnahme konterkariert die Botschaft und den Geist der zurzeit in Peking laufenden deutschen Ausstellung zur "Kunst der Aufklärung", die für Toleranz und Freiheit steht. Seiner Festnahme sind in den letzten Monaten in China eine Vielzahl weiterer Inhaftierungen von Menschenrechtsaktivisten und Kritikern vorausgegangen. Wir leben heute in einer globalisierten Welt. Wenn wir unseren Nachbarn nicht mehr sagen können, dass ihr Verhalten grundlegende Wertevorstellungen verletzt, ermutigen wir die jeweilige Regierung, weiterzumachen wie bisher." Das sagte der Künstler Ai Weiwei drei Tage vor seinem Verschwinden in einem Zeitungsinterview.

Ai Weiwei hat stets gesagt, was er denkt. Er ist ein Künstler, der die gesellschaftliche Verantwortung seiner Zunft in ganzer Konsequenz und aller Furchtlosigkeit lebt. Das erklärt sicher auch die weltweite Anteilnahme, die sein Verschwinden ausgelöst hat. Ich möchte hier gar nicht über den künstlerischen Rang seines Werkes sprechen. Aber klar ist, dass er sich mit seiner Ausstellung in der Tate Modern, mit seiner politischen Aktionskunst, mit seinen Projekten in München oder auf der documenta 2007 als einer der vielleicht wirkungsvollsten Repräsentanten der zeitgenössischen Kunst erwiesen hat. Seine Arbeit "Teehaus" von 2009 ist übrigens als Dauerleihgabe im Museum für Asiatische Kunst in Dahlem zu besichtigen.

Ais Popularität und seine politischen Interventionen erklären womöglich auch, warum das Regime ihn derart fürchtet, dass es für seine Verhaftung erhebliche internationale Kritik in Kauf nimmt.

Ich kann daher nur an dieser Stelle wiederholen: Ich fordere die chinesische Regierung auf, Ai Weiwei umgehend frei zu lassen. Und ich appelliere an alle seine Freunde und Unterstützer, in ihren Aktionen und Bemühungen nicht nachzulassen. Denn nur die internationalen Reaktionen werden China zum Nachdenken bewegen. Ich habe auch wenig Verständnis dafür, dass im Kommentar eines beteiligten Museumsdirektors der Eindruck erweckt wurde, Ai Weiwei habe wegen seiner offensiven Kritik am chinesischen Staat quasi eine Mitschuld an seiner Verhaftung.

Eine derart tiefe Verbeugung gegenüber dem chinesischen Staat hat nichts mehr mit Höflichkeit zu tun, das ist anbiedernd und die Verhöhnung eines mutigen und bedeutenden Künstlers."Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren." So lautet Artikel 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948. Ein Satz, der es wert ist, immer wieder gehört und gelesen zu werden, auch wenn er vielen von uns selbstverständlich geworden ist.

Freiheit und Gleichheit aller Menschen, Würde und Grundrechte. In Artikel 1 klingt an, was wir nicht kleinreden oder relativieren lassen dürfen auch nicht durch wirtschaftliche Interessen.

Man mag einwenden, dass die chinesische Sicht auf den Menschen sich von der westlichen unterscheidet. Willkürliche Verhaftung und Verschwindenlassen sind aber auch mit dem chinesischen Recht nicht vereinbar. Auch darauf müssen wir immer wieder hinweisen.

Es ist völlig inakzeptabel, die Inhaftierung des Künstlers als singulären Fall anzusehen und die Notwendigkeit einer öffentlichen Auseinandersetzung zu relativieren. Im Gegenteil wir müssen eindeutig und mit Nachdruck Flagge zeigen für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Und wo es um die Freiheit von Kunst und Kultur geht, sind Kultur und Künstler besonders gefordert.

Kultur hat tatsächlich revolutionäres Potenzial. Die Ereignisse in den arabischen Staaten haben die chinesische Regierung tiefer verunsichert als angenommen. Auch dort waren Kunst und Kultur wichtige Motoren. Die Festnahme Ai Weiweis und anderer Künstler und Intellektueller zeigt etwas, woran wir vielleicht selbst nicht mehr ganz glauben: Kunst und Kultur haben gesellschafts-verändernde Kraft. Und darum werden sie von Diktaturen gefürchtet und bekämpft oder streng reglementiert. Besonders Deutschland mit seinen zwei Diktaturen, die Künstler verfemt und verfolgt haben, trägt nicht nur eine lebendige Erinnerung daran, sondern auch besondere Verantwortung.

Die am 1. April von Außenminister Westerwelle in Peking eröffnete Ausstellung "Die Kunst der Aufklärung" wird mit 6,6 Mio. Euro aus dem Haushalt des Auswärtigen Amtes finanziert. Die drei größten deutschen Kunstmuseen haben sich dafür zusammengetan und präsentieren im Nationalmuseum 600 hochrangige Exponate. Die Ausstellung ist ein Großprojekt des internationalen Kulturaustauschs. Sie ist als solche nicht das Problem. Ich halte es für richtig, dass derartige Vorhaben durchgeführt werden.

Angesichts der unverhohlenen Brüskierung durch China kann ich jedoch gut verstehen, dass von Abgeordneten des Bundestages, vom Kulturrat oder auch von Herta Müller die Forderung erhoben wird, die Ausstellung abzubrechen, und dass die grundsätzliche Frage gestellt wird, ob Kulturaustausch mit autoritären oder totalitären Regimen unterlassen werden sollte. Ich bin trotz der jüngsten Vorkommnisse überzeugt, dass beides falsch wäre.

Veränderungen erreicht man nur im Dialog, und kaum eine Sprache hat ein derart großes Potenzial, Veränderungen herbeizuführen, wie die Sprache der Kunst. Deshalb wäre es ein Kurzschluss zu glauben, man solle nun den Kulturaustausch mit Ländern wie China ganz einstellen, um der Gefahr der Vereinnahmung zu entgehen. Gerade die Kultur schafft die Podien und Foren, auf denen wir klar Stellung beziehen, Kritik wagen und dort bisher Ungehörtes sagen können.

Das hat der Bundesaußenminister bei seiner Eröffnungsrede auch durchaus getan, wie man nachlesen kann. Machen wir uns nichts vor: Die Ausstellung über die Kunst der Aufklärung wird China nicht über Nacht in ein aufgeklärtes Land verwandeln. Aber ihre unterschwelligen Botschaften werden bei denen, die mit offenen Augen durch die Ausstellung gehen oder am Rahmenprogramm teilnehmen, Spuren hinterlassen. Und ich möchte die Hoffnung nicht aufgeben, dass hier Ideen und Gedanken gesät werden, deren zarte Blüten in China vielleicht erst in vielen Jahren sichtbar werden.

In China bietet zudem das von der Mercator-Stiftung finanzierte und konzipierte Rahmenprogramm Gelegenheit, über Ai Weiwei zu sprechen, Solidarität und Empörung auszudrücken. Entscheidend ist aber, dass dies auch geschieht. Nach der Festnahme Ai Weiweis sollte klar sein, dass wir es nicht bei Höflichkeitsfloskeln belassen dürfen. Und jetzt setzt meine Kritik ein. Niemand sollte so naiv sein, die Ausstellung in Peking als reine Kunstausstellung zu sehen losgelöst vom politischen Umfeld. Das gilt allzumal für die drei verantwortlichen Direktoren. Hier muss man schon kulturpolitisch Position beziehen.

Von Klaus-Dieter Lehmann las ich, dass bei der Eröffnung die vielen weichgespülten Floskeln der Museumsdirektoren unangenehm aufgefallen seien, die sich in den Ohren der Chinesen so ähnlich anhörten wie die Sprache der eigenen Funktionäre. Inhaltliche Positionen wurden nicht klar und unmissverständlich ausgesprochen ( Tagesspiegel, 14. 04. ) . Wer sich auf dem Parkett der internationalen Kulturpolitik bewegt, muss sich immer bewusst sein, dass er gerade in unfreien Ländern ein Mandat als Anwalt der Freiheit wo immer es geht wahrzunehmen hat.

Beim Eröffnungsforum buhten Vertreter der Wirtschaft einen Journalisten aus, der nachfragte, warum Tilman Spengler ausgeladen wurde. Das ist mehr als geschmacklos. Hierzu passt die Schlagzeile in der Financial Times Deutschland: "China übt Zensur, der Westen übt sich in Selbstzensur". Das kann wohl nicht der richtige Weg sein!

Zur Ausstellung selbst: Ihr Rahmen sollte deutlich verbessert werden. Die Ausstellung wird bisher nicht beworben und ist im Gebäude geradezu versteckt. Eintritt ca. 3,20 Euro und der Katalog 115 Euro ( das Monatsgehalt eines Gymnasiallehrers ) sind für chinesische Verhältnisse viel zu teuer, zumal alle anderen Ausstellungen im Neuen Nationalmuseum kostenlos zu besichtigen sind. Nur nach einer Korrektur gäbe es die Chance, dass die Besucher, die schon jetzt zu tausenden in eine parallel laufende Ausstellung des Nationalmuseums strömen, auch den Weg in die deutsche Ausstellung finden.

Die Ausstellung dauert ein Jahr, man sollte die Zeit nutzen. Der chinesische Klangkünstler Yang Licai meinte in der ZEIT vom 14. April: "Ich würde die Ausstellung nicht zurückziehen, aber sie inhaltlich mehr mit der Gegenwart verknüpfen. Allein die Diskussion verleiht der Ausstellung eine neue Bedeutung." Das bedeutet, dass das Begleitprogramm unbedingt aktualisiert werden muss. Ich spreche dabei von den Foren und Salons, die die Mercator-Stiftung dankenswerterweise finanziert. Hier muss das Programm verändert und um den Vorgang Ai Weiwei aktualisiert werden. Auch das Goethe Institut sollte offensiv einsteigen. Dabei kann es nicht nur darum gehen, die Ausstellung als solche zu vermitteln, die in einem anderen Kulturkreis sicher noch schwerer verständlich ist als hier. Es geht vor allem darum zu zeigen, was das Erbe der Aufklärung heute bedeutet.

Meine Damen und Herren,

hier, keine 100 Meter entfernt vom Brandenburger Tor, wo einst die unmenschliche Mauer West und Ost voneinander trennte, ist genau der richtige Ort, um sich über die Freiheit der Kunst, über die Werte der Aufklärung und über den Mut zur Wahrheit auszutauschen.