Redner(in): Bernd Neumann
Datum: 09.05.2011
Untertitel: In seiner Rede zur Eröffnung des vierten Erweiterungsbaus der Deutschen Nationalbibliothek in Leipzig würdigte Kulturstaatsminister Bernd Neumann den gelungenen Neubau. Zugleich wies er auf die Bedeutung der Digitalisierung hin, eine Aufgabe, deren Finanzierung die öffentliche Hand nicht alleine leisten kann.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_1498/Content/DE/Rede/2011/05/2011-05-09-neumann-nationalbibliothek,layoutVariant=Druckansicht.html
die Deutsche Nationalbibliothek nimmt nicht nur hinsichtlich ihres Etats - 2011 über 44 Mio. Euro - , sondern auch hinsichtlich ihrer gesellschaftlichen Funktion eine besondere Rolle im Geschäftsbereich meines Hauses ein. Die stetig wachsende Wissensproduktion und ihre zentrale Bedeutung in unserer heutigen Wissensgesellschaft erfordern geeignete Infrastrukturen. Zu deren Säulen gehört für die Bundesrepublik Deutschland die Deutsche Nationalbibliothek mit ihren Standorten in Frankfurt am Main und Leipzig.
Um den stets wachsenden Wissensmengen Rechnung zu tragen, hat die Bundesregierung die für den 4. Erweiterungsbau notwendigen Mittel in Höhe von rund 60 Millionen Euro in meinem Etat über die Jahre 2007 bis 2010 zusätzlich zur Verfügung gestellt. Dieser Erweiterungsbau ist Beleg für modernste Möglichkeiten der Wissensvermittlung. Er bildet einen wesentlichen Beitrag, den öffentlichen Zugang zu den Quellen unseres Wissens in guter Tradition und auf hohem Niveau in Deutschland weiter zu sichern und auszubauen.
Sehr geehrte Damen und Herren,
es ist auffällig, wie sehr sich der 4. Erweiterungsbau in seiner Transparenz von den früheren Bauabschnitten des Hauses unterscheidet. Dies ist kein Vorwurf an die Baumeister aus 100 Jahren Architekturgeschichte. Im Gegenteil, ein Gang durch diesen Lesesaal muss nicht nur Architektur- und Kulturinteressierte begeistern! Jugendstil, neue Sachlichkeit, Stilelemente der 1950er und 1960er Jahre reihen sich auf großartige Weise aneinander.
Aber die den neuen Bauabschnitt kennzeichnende Transparenz ist auch Symbol für einen Wandel unseres gesellschaftlichen und kulturellen Selbstverständnisses: Maximale Freiheit im Zugang zu Wissen ist heute eine Voraussetzung und wesentliches Merkmal einer funktionierenden Demokratie.
Den Zugang zu Wissen bereit zu halten, reicht aber nicht aus. Wissen muss auch gepflegt und bewahrt werden. Die Verwendung unterschiedlichster Medien im Laufe der Jahrhunderte als Wissensträger stellt uns heute vor erhebliche Herausforderungen.
Der Einsturz des Stadtarchivs in Köln oder auch der Brand der Anna-Amalia Bibliothek in Weimar haben die Verletzlichkeit papierbasierter Schriften und die Gefahr des Verlustes besonders deutlich gezeigt. Neben solchen Unglücksfällen sind alte Papiere aber auch ganz konkret von Säurefraß bedroht. Ich habe daher die Initiative zur Einrichtung eine Koordinierungsstelle bei der Stiftung Preußischer Kulturbesitz ergriffen, die in enger Zusammenarbeit von Bibliotheken und Archiven eine bundesweite Gesamtstrategie zur Erhaltung des schriftlichen Kulturerbes entwickeln soll. Daneben können auch Projekte finanziell unterstützt werden, die besonders innovativ und gut übertragbar sind, also Modellcharakter besitzen.
Sehr geehrte Damen und Herren,
neben der Restaurierung der Originale spielt für den Wissenserhalt und die Verbreiterung des Zugangs natürlich auch die Digitalisierung eine ganz wesentliche Rolle. Analoge und digitale Medien, das wissen wir längst, gehen Hand in Hand. Die aktuelle Debatte zeigt vor allem auch eins: der Finanzbedarf in den nächsten Jahren für die Digitalisierung von Kulturgut ist enorm. Er übersteigt bei weitem das, was Bund, Länder und Kommunen gemeinsam leisten können. Ich stehe deshalb einer Kooperation öffentlicher Einrichtungen mit der Privatwirtschaft durchaus aufgeschlossen gegenüber, so wie es die Bayerische Staatsbibliothek schon erfolgreich praktiziert.
Eines aber muss hierbei ganz klar sein: Weder darf dies zu Informationsmonopolen privater Unternehmen führen, noch dürfen die Vorgaben des Urheberrechts missachtet werden. Auch im Falle der Kooperation mit Privaten müssen Digitalisate den öffentlichen Einrichtungen weiter frei zur Verfügung stehen. Und auch für Wissenschaft und Private dürfen keine neuen Hürden beim Zugang zu Kulturgütern entstehen. Ich bin allerdings sehr zuversichtlich, dass auch unter diesen Voraussetzungen für alle Beteiligte lohnenswerte Kooperation möglich sind.
Dass die Digitalisate zukünftig ihren Weg zum Nutzer finden, dafür soll die Deutsche Digitale Bibliothek sorgen, deren zentrale Infrastruktur derzeit auch mit Mitteln meines Hauses aufgebaut wird. Die Digitalisate der rund 30.000 Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen Deutschlands zentral zugänglich zu machen, ist eine enorme Herausforderung. Wie hier mittels Digitalisierung aus den unterschiedlichsten Sparten sei es Musik, Literatur oder auch bildende Kunst Kultur erleb- und erforschbar gemacht wird, erfordert weiterhin die volle Unterstützung von Bund und Ländern.
Liebe Frau Dr. Niggemann, auch Sie persönlich spielen dabei eine Vorreiterrolle: nicht nur als Generaldirektorin der Deutschen Nationalbibliothek, sondern auch als Präsidentin der Stiftung Europäische Digitale Bibliothek und als Mitglied des von der EU-Kommission eingesetzten "Weisen-Komitees". Ich möchte Ihnen herzlich dafür danken, dass Sie diese Rolle für Deutschland so hervorragend ausfüllen!
Sehr geehrte Damen und Herren,
obwohl wir uns darüber im Klaren sind, dass digitale Medien das zukünftige Format wissenschaftlichen Arbeitens und öffentlicher Meinungsbildung prägen, bleiben Orte der persönlichen Zusammenkunft, physisch greifbare Orte des kulturellen Selbstverständnisses eines Landes von vitaler Bedeutung
Der vierte Erweiterungsbau der Deutschen Nationalbibliothek ist ein wesentlicher Beitrag zur Erfüllung ihrer nationalen Aufgaben in Gegenwart und Zukunft und eine wunderbare Bereicherung der sächsischen Metropole Leipzig.