Redner(in): Bernd Neumann
Datum: 08.06.2011

Untertitel: In seiner Rede ging Staatsminister Bernd Neumann auf das Leben und das Werk von Käthe Kollwitz ein,sprach kurz das Themafinanzielle Lage deutscher Museen an und betonte, dass Museen neben den Bibliotheken und Archiven die wahren Schatzkammern unserer Identität und das Gedächtnis unserer Kultur sind.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_1498/Content/DE/Rede/2011/06/2011-06-08-neumann-kollwitz,layoutVariant=Druckansicht.html


ich gratuliere Ihnen, liebes Ehepaar Fritsch, sehr herzlich zu einem Vierteljahrhundert Käthe Kollwitz Museum Berlin! Sie leisten einen vorbildlichen Beitrag zur Bewahrung und Vermittlung des Werks der Künstlerin. Der Erfolg gibt Ihnen Recht!

Käthe Kollwitz äußerte einmal anlässlich einer Ausstellungseröffnung: "Nie habe ich eine Arbeit kalt gemacht, sondern immer gewissermaßen mit meinem Blut. Das müssen die, die sie sehen, spüren". Und es ist so wir spüren mit jedem Blick auf das Werk von Käthe Kollwitz, dass sie für ihre Ideale lebte."Reine Kunst" sei ihre Sache nicht, so schrieb sie 1922: "Ich bin einverstanden damit, dass meine Kunst Zweck hat. Ich will wirken in dieser Zeit, in der die Menschen so ratlos und hilfsbedürftig sind".

Mit der Ausstellung "Käthe Kollwitz Bildhauerin aus Leidenschaft", die unter der Schirmherrschaft von Altbundeskanzler Helmut Kohl steht, gewinnen wir faszinierende Einblicke in das Werk einer Künstlerin, die nicht nur in ihrer Zeit gewirkt, sondern geradezu zeitlose, unvergessliche Werke geschaffen hat.

Als eine der bedeutendsten Künstlerinnen des 19. und 20. Jahrhunderts hatte sie weltweite Ausstrahlung bis hinein nach China und Russland.

Darum ist das Käthe Kollwitz Museum Berlin auch ein gefragter Partner für viel größere Häuser weltweit, ich nenne nur die National Gallery in Washington oder das Moskauer Puschkin Museum. 2009 hat das Käthe Kollwitz Museum eine Ausstellung in China zum Einfluss der Künstlerin auf die dortige Kunst unterstützt.

Aus meiner Sicht sind es solche Ausstellungen, die wirklich zu einem kulturellen Dialog beitragen, denn sie zeigen, dass die Kulturen sich schon seit langem wechselseitig beeinflussen. Das kann man so uneingeschränkt zu der viel aufwändigeren aktuellen Ausstellung deutscher Museen in Peking nicht sagen. Der Zauber von Käthe Kollwitz ‘ Werk ist nach wie vor ungebrochen.

Die Botschaft ihrer Werke ist universell; auf der auf der ganzen Welt berühren ihre Grafiken und Plastiken als leidenschaftliche Appelle gegen Krieg und Gewalt, für Humanität und Mitgefühl. Doch sie sind, bei aller politischen Parteinahme, zugleich große Kunst. Dabei müssen wir uns vergegenwärtigen, was es im ausgehenden 19. Jahrhundert hieß, eine Künstlerin zu sein.

Die großen Akademien waren Frauen verschlossen; auch Käthe Kollwitz studierte nur an privaten Kunstschulen für Frauen.

Viele Künstlerinnen malten sozusagen nur im Verborgenen wie die 10 Jahre jüngere Paula Modersohn-Becker, die ich gerade als Bremer sehr schätze und verehre. Die bildende Kunst war eine Männerdomäne, und in diese brach Käthe Kollwitz mit ihrer radikalen Kunst ein und hatte Erfolg.

1898 votierte der große Adolph Menzel dafür, dass die 30-jährige Künstlerin für ihren Zyklus zum Weberaufstand mit der Medaille der Großen Deutschen Kunstausstellung gewürdigt werden sollte. Allerdings waren die Ressentiments des Kaisers doch zu stark, was auch dem sozialkritischen Sujet der Künstlerin geschuldet war. Z

ahlreich aber waren die Ehrungen, die dann folgten: 1907 erhielt sie den Villa Romana Preis in Florenz, 1919 wurde Käthe Kollwitz als erste Frau zum Mitglied der Preußischen Akademie der Künste ernannt, der Vorläuferin der heutigen Akademie der Künste. 1929 schließlich begrüßte man sie als erste Frau im Orden "Pour le mérite".

Alle drei Institutionen die Villa Romana, die Akademie der Künste und den Orden pour le mérite betreut heute mein Haus, und ich bin schon ein wenig stolz darauf, dass man dort offenbar erkannte, welchen Rang Käthe Kollwitz hat. Nach wie vor macht betroffen, dass sie 1933 gezwungen wurde, ihr Amt an der Akademie niederzulegen, und dass sie nationalsozialistischen Repressionen ausgesetzt war.

Sie blieb aufrecht. Für mich bedeutet das Erbe von Käthe Kollwitz auch die Aufforderung, sich überall für die Freiheit von Kunst und Kultur einzusetzen und sich einzumischen, wenn diese von Diktaturen mit Füßen getreten wird wie zum Beispiel durch die Verhaftung des Künstlers Ai Weiwei in China.

Ich bin überzeugt, dass jeder, der die Pietà in der schinkelschen Neuen Wache sieht und das sind jährlich viele tausend Menschen aus aller Welt genau diese Botschaft versteht. Es war eine außerordentlich kluge und weitsichtige Entscheidung von Bundeskanzler Helmut Kohl, eine Vergrößerung des Originals, das sich hier in der Sammlung befindet, dort aufstellen zu lassen, denn bis heute steht Käthe Kollwitz` Leben auch für das eines politisch aufgeklärten Künstlers und ihr Werk ist nationales Kulturerbe.

Darum fördert der Bund die Ausstellung "Käthe Kollwitz. Bildhauerin aus Leidenschaft", die wir heute eröffnen, zu einem großen Teil.

Von entscheidender Bedeutung für unsere Förderung war jedoch auch die Tatsache, dass das Museum seit nunmehr 25 Jahren ein herausragendes Beispiel für außerordentliches ehrenamtliches Engagement ist.

Das Berliner Kollwitz-Museum kann sich auf einen breiten Kreis ehrenamtlicher Unterstützer verlassen.

Dazu gehört, neben den Mitgliedern des Vorstandes mit Eberhard Diepgen an der Spitze, der äußerst rührige Verein der Freunde des Museums und vor allem auch der prominent besetzte Beirat, dem u. a. Helmut Kohl, Rupert Scholz, Konrad Schily und Prof. Richard Schröder angehören.

Meine Damen und Herren,

Museen sind neben den Bibliotheken und Archiven die wahren Schatzkammern unserer Identität und das Gedächtnis unserer Kultur. Soll unsere Gesellschaft nicht in Amnesie verfallen, ist stetige Arbeit an diesem Gedächtnis unabdingbar!

Privatgeführte Einrichtungen wie das Berliner Kollwitz-Museum sind ein unverzichtbarer, unschätzbarer Teil unserer Museumslandschaft. Aber die von der öffentlichen Hand geförderten Museen sind ebenfalls unentbehrlich, wenn wir der fundamentalen Aufgabe der Museen als Gedächtnis der Nation gerecht werden wollen.

Deshalb fehlt mir jedes Verständnis dafür, wenn Museen in unserem Land ein finanzieller Kahlschlag droht, wie erst vorgestern auf dem Rheinischen Museumstag in Köln festgestellt. Für mich steht dies im krassen Widerspruch zu unserem Selbstverständnis als Kulturnation und auch das sollten wir nicht vergessen trotz Wirtschafts- und Finanzkrise als eine der reichsten Industrienationen der Welt!

Meine Damen und Herren,

ein Käthe Kollwitz-Museum gehört unbedingt nach Berlin, der Stadt, in der die Künstlerin ein halbes Jahrhundert lang gelebt und gearbeitet hat und in der sich ihr Grab befindet.

Mit ihren Werken in diesem Haus und im Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz befindet sich heute der umfangreichste Bestand in der Stadt ihres Wirkens. Einen wichtigen Beitrag dazu haben ihre Nachkommen geleistet.

Besonderer Dank gilt Herrn Professor Arne Kollwitz, dessen Familie 15 Plastiken zur Eröffnung des Museums gestiftet hatte. Das war der gesamte damals verfügbare Bestand der plastischen Arbeiten von Käthe Kollwitz. Diese Werke stehen im Mittelpunkt

dieser Ausstellung.

Käthe Kollwitz wird noch immer zumeist nur als Grafikerin wahrgenommen. Sie hat jedoch einmal gesagt: "Wenn ich wiedergeboren werde, dann will ich eine Bildhauerin sein!" Man möchte der Künstlerin heute angesichts dieser Ausstellung am liebsten zurufen: "Aber das warst Du doch!"

Ich wünsche der Ausstellung ein großes, begeistertes Publikum und dem Museum weiterhin viel Erfolg und noch einmal herzlichen Glückwunsch zum 25-jährigen Jubiläum!