Redner(in): Angela Merkel
Datum: 15.06.2011

Untertitel: auf Rügen
Anrede: Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, lieber Herr Sellering, sehr geehrter Herr Kollege, lieber Peter Ramsauer, liebe Kolleginnen und Kollegen des Deutschen Bundestags und des mecklenburg-vorpommerschen Landtags, Herr Minister aus dem Lande, sehr geehrte Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_1498/Content/DE/Rede/2011/06/2011-06-15-merkel-bundesstra_C3_9Fe,layoutVariant=Druckansicht.html


liebe Rüganerinnen und Rüganer,

liebe Gäste vom Festland,

ich habe bereits den Landrat aus Nordvorpommern und den Oberbürgermeister aus Stralsund hier gesehen. Sie haben ja, nachdem sie "ihre" Bauabschnitte des Autobahn- bzw. Rügenzubringers fertiggestellt haben, sicherlich Freude, wieder einmal etwas entstehen zu sehen.

Ich bin heute sehr gerne hierhergekommen und habe auch sehr gerne Peter Ramsauer mitgebracht. Es bleibt leider nicht viel Zeit, um ihm die Schönheiten dieses Wahlkreises zu zeigen wenn ich einmal eine Sekunde in die Rolle als Bundestagsabgeordnete schlüpfen darf. Er hat den Wahlkreis, zu dem zum Beispiel Traunstein und der Chiemsee gehört, inne. Wir sind also in einem ständigen Wettbewerb in der Frage, wer wohl den schöneren Wahlkreis hat. Ich kann nur sagen: Mir ist mein Bergen sehr lieb. Aber die Bürgermeisterin von Bergen freut sich auch über das bayerische Bergen. Insofern gibt es eine gute Partnerschaft.

Wir sind sehr gerne heute hierher gekommen, um den ersten Spatenstich für die B96n miteinander zu feiern. Die Schilder und Plakate zeigen: Hier ist viel gekämpft worden weniger dagegen, sondern vor allen Dingen dafür. Ich bedanke mich bei allen, die dazu beigetragen haben, dass dieser erste Spatenstich heute stattfinden kann.

Verbundenheit und Verbindung hängen eng zusammen das zeigt sich heute in ganz besonderer Weise. Denn wer sich Rügen verbunden fühlt, dem ist auch an einer guten Verkehrsverbindung zu und auf dieser Insel gelegen.

Mit dem heutigen ersten Spatenstich wird der Weg frei für ein lange diskutiertes Projekt. Es ist eine konsequente, logische Fortsetzung der Strelasund-Brücke, die wir vor dreieinhalb Jahren bei etwas niedrigeren Temperaturen eingeweiht haben. Das war damals ein Freudenfest für jeden, der die Staus vor den geschlossenen Schranken der alten Rügen-Brücke tüchtig satt hatte.

Und dennoch, bis heute heißt es an vielen Tagen: Problem verschoben, aber nicht behoben. Denn auch wenn die Ortsumgehung von Stralsund genutzt wurde und die Fahrzeuge die neue Brücke zügig passiert haben, bleiben sie nicht selten auf der verstopften alten B96 im Verkehr stecken. Wir hatten gerade Pfingsten. Ich glaube, das waren wieder solche Tage.

Deshalb war schon immer, seit dem ersten Projektgedanken, klar: Strelasund-Querung und B96 müssen zusammen gedacht werden; beides bildet eine Verkehrseinheit. Nun ist Licht am Ende des Tunnels. Das Warten hat bald ein Ende nicht nur das Warten auf eine neue Straße, sondern auch das Warten im Stau.

Rügen gewinnt mit der neuen B96 eine leistungsfähige Anbindung an das überregionale Verkehrsnetz. Das bedeutet eine ganze Reihe von Verbesserungen, die man bildlich wie wörtlich er-fahren kann.

Da sind zunächst die Bewohner von Altefähr, Samtens und Rambin. Bei ihnen herrscht vor allem in Urlaubswochen dicke Luft, wenn sich bis zu 25. 000Fahrzeuge am Tag vor ihrer Haustür vorbeiquälen. Deshalb begrüße ich außerordentlich, dass die neue Trasse der B96 auch zwei Ortsumfahrungen umfasst. Eine weitere wird später in Bergen hinzukommen. Das bedeutet: Weniger Durchgangsverkehr und mehr Lebensqualität.

Hinzu kommen die vielen Urlauber und Besucher. Sie werden es natürlich zu schätzen wissen, wenn kostbare Urlaubszeit nicht auf verstopften Straßen vergeudet wird, sondern am Strand oder am Urlaubsort verbracht werden kann.

Neben dem Tourismus zieht auch die Wirtschaft auf der Insel insgesamt erheblichen Nutzen aus der neuen Straße. Hier möchte ich ganz besonders den Fährhafen Sassnitz nennen, für den diese Anbindung geradezu lebenswichtig ist. Die kürzesten Seeverbindungen von Deutschland nach Skandinavien, Russland und in die baltischen Staaten, zahlreiche Fährverbindungen und ein sich gut entwickelnder Güterumschlag all diese Gegebenheiten lassen sich erst durch eine moderne Anbindung an das internationale Straßennetz richtig nutzen.

Deshalb sind aller guten Dinge drei: A20, Strelasund-Brücke, schließlich und endlich die neue B96. Alle, die sich hier auskennen, wissen, dass wir uns mehr als 20Jahre mit diesen Themen beschäftigt haben. Aber in diesem Fall wird alles realisiert. Das ist doch wirklich eine Erfolgsgeschichte. Damit wird für Rügen die Ampel auf Grün springen, künftig wird mehr wirtschaftliche Dynamik des Ostseeraums an dieser Insel anlanden.

Natürlich müssen wir bedenken, dass solche Straßenbauprojekte auch immer Eingriffe in die Natur bedeuten. Eine intakte Pflanzen- und Tierwelt der Ministerpräsident hat darauf verwiesen ist ein Markenzeichen der Insel, das es weiterhin zu schützen gilt. Deshalb möchte ich mich bei der DEGES und allen, die sich an den Planungen beteiligt haben, dafür bedanken, dass sie auf eine nachhaltige Umsetzung des Projekts geachtet haben. Dass bei der Auswahl der Trasse die neue Straße und die vorhandenen Verkehrswege zusammengelegt werden, wo immer das möglich ist, und dass vermieden wird, die Landschaft zusätzlich zu zerschneiden, ist ein Pluspunkt der ganzen Planung.

Mit viel Aufwand sind die Wanderungs- und Zugwege der hier lebenden und durchziehenden Tiere berücksichtigt und Biotope miteinander vernetzt worden. Es wird Wildbrücken geben. Eine ist schon auf dem Festland entstanden. Eine andere wird hier auf Insel gebaut. Schutz- und Ausgleichsmaßnahmen sind keine lästige Pflicht, sondern sie sind für eine moderne Infrastrukturentwicklung unverzichtbar.

Deshalb sage ich: Auch in diesem Sinne sprechen viele und gute Gründe für die Investitionen in einen modernen Straßenbau in Mecklenburg-Vorpommern. Wir haben aus dem Bundeshaushalt rund 200Millionen Euro jährlich zur Verfügung gestellt. Matthias Lietz als Bundestagsabgeordneter aus dem Land kümmert sich darum. Rund 40Millionen Euro sind es jetzt für den Abschnitt der B96 von Altefähr bis Samtens, den wir heute in Angriff nehmen. Über 40Millionen Euro kommen noch für die anschließende Strecke bis Bergen hinzu.

Die Modernisierung, der Neu- und Ausbau unserer Verkehrsinfrastruktur sind ein politischer Schwerpunkt der Arbeit der Bundesregierung. Peter Ramsauer als zuständiger Minister hat mir gerade im Auto wieder nachdrücklich klar gemacht, dass Deutschland als modernes Industrieland auch in Zukunft immer wieder Neubauten braucht.

Wir setzen in diesem Jahr über zehnMilliarden Euro bundesweit ein. Man muss allerdings auch sagen, dass unsere Substanz an Straßen in einigen Teilen insbesondere im Westen so ist, dass wir vieles erneuern müssen. Deshalb ist das gut angelegtes Geld, aber mit Sicherheit ist es auch nicht zu viel Geld für den Straßenbau.

Es geht um die Lebensadern unseres Landes. Mobilität ist ein wichtiger Standort- und Erfolgsfaktor. Gerade wir hier im nördlichen Teil Deutschlands wissen, wie sehr die Entwicklung unseres Wohlstands und die Entwicklung unserer Arbeitsplätze davon abhängen, dass wir eine gute Anbindung an das gesamte Straßennetz haben. Ich glaube, dass Peter Ramsauer die richtigen Prioritäten im Blick hat. Wenn wir heute hier den ersten Spatenstich machen, dann allemal. Aber das gilt auch insgesamt.

Wir haben mit diesem Startschuss für ein wichtiges Verkehrsprojekt heute ein wichtiges Beispiel gesetzt. Wir werden gleichzeitig die letzten Abschnitte der landseitigen Vernetzung der Nord- und Ostseehäfen insgesamt angehen. Diese Ergänzungen des transeuropäischen Straßennetzes stärken Deutschland als zentrale Logistik- und Verkehrsdrehscheibe in Europa. Auch da haben wir alle Hände voll zu tun, denn wir wissen: Unsere europäischen Nachbarn weder unsere polnischen noch unsere dänischen schlafen nicht. Deshalb ist es so wichtig, dass Mecklenburg-Vorpommern hierbei in umfassendem Sinne nicht unter die Räder kommt, sondern dass die Räder hier in unserem Land gut rollen können. Denn wir wollen an der dynamischen Entwicklung Europas teilhaben.

Dafür, dass Projekte alles in allem recht schnell vorangehen, für deutsche Verhältnisse zum Teil im Rekordtempo, zeichnet die DEGES verantwortlich. Sie ist über viele Jahre hinweg ein wunderbarer Partner für alle gewesen, die hier etwas über Straßenbau wissen wollten und die etwas voranbringen wollten. Deshalb auch all ihren Mitarbeitern ein ganz, ganz herzliches Dankeschön. Sie machen das prima, wenn ich das so sagen darf.

Allen Rüganern, die heute hier sind oder die den heutigen ersten Spatenstich vielleicht über Funk und Fernsehen verfolgen, sei gesagt: Es hat sich gelohnt, sich für diese Straße einzusetzen. Es war richtig, nicht nachzugeben. Es war gut, auch immer wieder für die Strelasund-Querung zu kämpfen. Dadurch, dass wir so gut zusammengehalten haben, haben wir heute gemeinsam einen schönen Tag. Alles Gute den Bauarbeitern bei der Umsetzung des Vorhabens.