Redner(in): Bernd Neumann
Datum: 28.06.2011

Untertitel: Staatsminister Bernd Neumann würdigte dieAusstellung über den Naumburger Meister als wegweisendes Projekt das zeigt, dass es Europa ohne den kulturellen Dialog nicht geben würde.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_1498/Content/DE/Rede/2011/06/2011-06-28-neumann-naumburg,layoutVariant=Druckansicht.html


zur heutigen Eröffnung der Ausstellung über das Wirken des Naumburger Meisters überbringe ich die herzlichen Grüße von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, die gemeinsam mit Staatspräsident Nicolas Sarkozy die Schirmherrschaft übernommen hat.

Die sachsen-anhaltische Landesausstellung zeigt die engen kulturellen und künstlerischen Bande zwischen Deutschland und Frankreich, den beiden europäischen Nationen, die Romain Rolland einmal mit einem schönen sprachlichen Bild als "die beiden Flügel des Abendlandes" bezeichnet hat. Sie zeigt aber auch, dass so etwas wie Globalisierung kein Phänomen ist, das allein unsere Gegenwart prägt.

Wer sich mit der Geschichte, und dabei insbesondere mit der mittelalterlichen, beschäftigt, dem wird schnell deutlich: Auch andere Zeiten kannten Formen der Globalisierung, die gerade im Bereich der Kultur dem mindestens ähnlich sind, was wir heute darunter verstehen.

Reisende Baumeister und Bauhütten verbreiteten in ganz Europa mit der Gotik nicht nur einen künstlerischen Stil, sondern vor allem immense technische Innovationen. Paradigmatisch für diese bedeutende Zeit steht der anonyme Künstler, dessen Werk wir ab heute mit dieser großen Ausstellung würdigen. Seine Spuren finden sich von den französischen Königslandschaften bis nach Meißen.

Aber hier, in Naumburg, ist sein Hauptwerk, das seit Generationen fasziniert und in den Bann schlägt. Ich erinnere mich gerne an meinen Besuch hier in Naumburg vor drei Jahren. Ich wollte mir anschauen, was aus den 1,6 Mio. Euro geworden ist, die aus meinem Haus an die "Vereinigten Domstifter" geflossen sind.

Der Naumburger Dom hat mich damals nachhaltig beeindruckt wie wohl alle 200.000 Besucher, die jedes Jahr aus aller Welt hierher, man muss schon fast sagen: pilgern. Und das vor allem wegen Uta für mich der Nofretete des Mittelalters!

Der Bund hat die sachsen-anhaltische Landesausstellung hier in Naumburg mit einem Drittel der Gesamtkosten ( über 1 Mio. Euro ) gefördert, denn wir fanden, eine Ausstellung zu diesem einzigartigen Künstler war längst überfällig. Dass es sie bislang noch nicht gab, mag auch der Deutschen Teilung geschuldet sein. Es ergibt nur Sinn, den Naumburger Meister in einer großen und vor allem internationalen Schau zu würdigen.

Dass diese jetzt möglich ist, verdanken wir auch dem Fall der Mauer, der den schrankenlosen kulturellen Austausch erst möglich gemacht hat. Er hat unseren Kontinent wieder zu dem geeinten Kulturraum werden lassen, in dem auch der Naumburger Meister sein Wirken entfalten konnte als wahrer Europäer!

Meine Damen und Herren,

Kultur ist mittlerweile ein nicht zu übersehender Standortfaktor für mich kein "weicher", sondern ein "harter" ! Wo wüsste man das besser als hier, in Sachsen-Anhalt! Kultureller Reichtum aber kann Fluch und Segen zugleich sein. Vom Fluch sprechen eher Finanzminister, für die Gesellschaft ist er ein Segen. Es vermag ein Land durchaus vor große Herausforderungen stellen, diesen Reichtum angemessen zu bewahren und zu vermitteln.

Sachsen-Anhalt, das muss ich anerkennend sagen, wuchert mit dem Pfund seines bedeutenden kulturellen Erbes sei es durch ausgeklügelte Tourismusmarketingstrategien, auf die andere Bundesländer nur neidisch sein können, sei es durch die zahlreichen spektakulären kulturhistorischen Ausstellungen der letzen Jahre in Magdeburg oder Halle. Auch das Reformationsjubiläum wird dem Land erneut ein Glanzlicht aufsetzen.

Lieber Herr Professor Böhmer, noch als Ministerpräsident haben Sie die Weichen für einen bemerkenswerten Beitrag Sachsen-Anhalts für die Lutherdekade gestellt und ich erinnere mich gerne an unseren gemeinsamen Besuch Wittenbergs Anfang März.

Lieber Herr Kulturminister Dorgerloh, als Beauftragter der EKD für die Lutherdekade trugen Sie bis vor kurzem die Verantwortung für die evangelische Kirche beim Reformationsjubiläum. Jetzt haben Sie als Kulturminister den Vorsitz des Lenkungsausschusses inne, in dem mit Hochdruck an der angemessenen Umsetzung des großen Jubiläums gearbeitet wird, das Deutschland als weltoffenes Land mit einer vielfältigen Kulturtradition zeigen wird.

Ich habe allein in meinem Haushalt jährlich 5 Mio. Euro vorgesehen, um dieses wahrhaft welthistorische Ereignis gebührend zu begleiten. Von hier, von Luthers Land, ging die Reformation aus und hier werden wir verstärkt in Projekte und auch Sanierungsvorhaben investieren.

Vor drei Wochen wurde im Rahmen der Kuratoriumssitzung in Eisenach beschlossen, schon in diesem Jahr zahlreiche Projekte in Sachsen-Anhalt zu fördern, darunter die Sanierung des Schlosses und des Melanchthon-Hauses in Wittenberg oder Theater- und kulturelle Bildungsprojekte im ganzen Land Sachsen-Anhalt.

Was für das Reformationsjubiläum gilt, trifft ebenso auf andere Bereiche zu: Die reiche sachsen-anhaltische Kulturlandschaft blüht heute auch deshalb, weil hier Bund, Land und Kommunen hervorragend zusammenarbeiten. Lieber Ministerpräsident Haseloff, ich kenne kaum ein anderes Bundesland auch unter den reicheren, das seine Geschichte und Kultur auf einem vergleichbaren Niveau pflegt.

Meine Damen und Herren,

Kultur prägt die Identität unseres Landes, sie gibt uns Heimatgefühl und ist damit auch der sichere Boden, von dem aus wir anderen Kulturen begegnen. Die kulturelle Vielfalt in Deutschland ist ein Teil unseres historischen Erbes, das wir pflegen müssen. Ich wehre mich deshalb dagegen, dass in Zeiten ökonomischer und Finanz-Krisen hier und dort Kürzungen im Bereich der Kultur propagiert werden und in manchen Städten sogar Schließungen kultureller Einrichtungen bevorstehen.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage: Können wir uns eine so umfangreiche, öffentlich finanzierte kulturelle Infrastruktur weiterhin leisten? Meine Antwort ist: Ja, ja und nochmals ja!

Denn es ist die Kultur, die unser Wertefundament bildet, es sind die Künste, die uns zum Reflektieren und Besinnen ermuntern, die ganz wesentlich die Basis unseres Gemeinwesens bilden. Lassen Sie es mich plastisch sagen: Kunst ist nicht das Sahnehäubchen, sondern die Hefe im Teig!

Sparmaßnahmen sind in allen Haushalten nach wie vor unverzichtbar aber mit Kürzungen bei der Kultur kann man keinen Haushalt sanieren, liegt doch ihr Anteil in Ländern und Gemeinden bei mageren 1,9 % , wobei Sachsen-Anhalt etliche Punkte darüber liegt ( 2,35 % ) . Darum ist mein Apell an die Länder und Kommunen: Schont die Kultur!

Allerdings kann man hier nicht Wasser predigen und Wein trinken. Der Bund geht trotz massiver Einsparungen in seinem Gesamthaushalt mit gutem Beispiel voran. Der Kulturetat wurde seit meinem Amtsantritt 2005 Jahr für Jahr kontinuierlich erhöht. Grundlage dafür ist unsere Koalitionsvereinbarung, in der es heißt: Kulturförderung ist keine Subvention, sondern eine unverzichtbare Investition in die Zukunft unserer Gesellschaft!

Lieber Graf von Zech,

mit der Ausstellung über den Naumburger Meister ist den Vereinigten Domstiftern ein Weg weisendes Projekt geglückt. Es zeigt, dass es Europa ohne den kulturellen Dialog nicht gäbe.

Der Vater der Europäischen Union, Jean Monnet, stellte mit Blick auf sein Lebenswerk fest: "Wenn ich noch einmal mit der Europäischen Einigung beginnen müsste, würde ich nicht mit der Wirtschaft, sondern mit der Kultur beginnen." Daran sollten wir uns auch verstärkt erinnern, wenn die ökonomischen Krisen derzeit unseren Kontinent und die Solidarität untereinander fast zu zerreißen drohen!

Über Jahrhunderte waren Künstlerinnen und Künstler die Wegbereiter jener geistigen, kulturellen und auch religiösen Einheit, die uns Europäer bis heute miteinander verbindet. Ohne Kunst und Kultur kann eine Wirtschafts- und Währungsunion und kann auch die politische Integration auf Dauer nicht bestehen. Deshalb weist diese Ausstellung weit über die Kunstgeschichte hinaus.

Jede Generation ist aufgerufen, ihren Teil dazu beizutragen, dass das europäische Bewusstsein lebendig bleibt und wir unser gemeinsames Erbe als Auftrag für die Zukunft begreifen.

Ich wünsche der Landesausstellung in diesem Sinne, dass sie viele Menschen in Deutschland, Frankreich und Europa erreicht.