Redner(in): Bernd Neumann
Datum: 09.08.2011

Untertitel: Bei einem Pressetermin in der Gedenkstätte Berliner Mauer anlässlich des bevorstehenden 50. Jahrestags des Mauerbaus am 13. August hob Kulturstaatsminister Bernd Neumann hervor, dass die Erinnerung an den Mauerbau ein unverzichtbarer Beitrag für die Aufarbeitung unserer Geschichte ist.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_1498/Content/DE/Rede/2011/08/2011-08-09-neumann-pk-mauerbau,layoutVariant=Druckansicht.html


am 13. August jährt sich der Tag des Baus der Berliner Mauer zum 50. Mal. Dies ist ein gewichtiger Anlass, an die gewaltsame Teilung Berlins und Deutschlands, deren sichtbares Zeichen seit 1961 die Berliner Mauer darstellte, zu erinnern.

Am 13. August 1961 schloss die DDR-Führung die Berliner Sektorengrenze und versperrte den letzten offenen Fluchtweg in den Westen. Für viele Menschen in Ostdeutschland zerbrach an diesem 13. August die letzte Hoffnung auf ein Leben in Freiheit. Bis dahin hatten bereits über drei Millionen Menschen dem sozialistischen deutschen Teilstaat den Rücken gekehrt.

Nicht einmal 12 Jahre nach der Gründung der DDR war der Mauerbau der endgültige politische und moralische Offenbarungseid der SED-Diktatur.

In der Folgezeit wurde der Eiserne Vorhang in Berlin und entlang der innerdeutschen Grenze zu einem nahezu unüberwindlichen, tief gestaffelten Grenzsperrsystem ausgebaut mit Wachtürmen, Panzersperren, Stacheldraht und Selbstschussanlagen. Den Versuch, über Mauer und Grenze hinweg in die Freiheit zu gelangen, bezahlten viele Menschen mit dem Leben. Die Mauer trennte nicht nur Deutsche von Deutschen, sondern ganz Europa.

Die Erinnerung an die deutsche Teilung und das Gedenken an die Opfer des kommunistischen Unrechts sind wichtige Säulen der Gedenkstättenkonzeption des Bundes. Die Bundesregierung hat ihre Anstrengungen zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und ihrer Folgen in den letzten Jahren deutlich erhöht, nicht zuletzt finanziell. Wir fördern insbesondere zahlreiche Gedenkstätten und Einrichtungen, die sich der Erinnerung an Mauer und Grenze sowie dem Gedenken an deren Opfer widmen. Gerade sie sind geeignet, dem Vergessen und Verklären des kommunistischen Unrechts entschieden entgegenzuwirken.

Die Stiftung Berliner Mauer mit ihren zwei Standbeinen, der Gedenkstätte Bernauer Straße und der Erinnerungsstätte Notaufnahmelager Marienfelde, leistet hierzu einen überaus wichtigen Beitrag. Das ist der Grund, weshalb der Bund die Stiftung Berliner Mauer seit 2009 gemeinsam mit dem Land Berlin auch institutionell fördert. Er hat sich darüber hinaus am Ausbau des neuen Open-Air-Gedenkareals entlang der Bernauer Straße und dem notwendigen Erwerb von Grundstücken im ehemaligen Mauerstreifen mit insgesamt 8,5 Mio. Euro beteiligt.

Als Ergebnis gemeinsamer Anstrengungen von Bund, Land Berlin und Stiftung Berliner Mauer ist hier, an einem der symbolträchtigsten Orte des Eisernen Vorhangs, eine weitläufige Erinnerungs- und Gedenklandschaft entstanden, die wir im Rahmen der gemeinsamen zentralen Gedenkveranstaltung am 13. August, an der der Bundespräsident und die Bundeskanzlerin teilnehmen, eröffnen werden.

Die wesentlich erweiterte Gedenkstätte wird nun ein Gelände von 1,3 Kilometern Länge / 4,4 Hektar umfassen und die bisher bestehenden Elemente des Ortes stärker zusammen binden. Zukünftig wird das tief gestaffelte Sperrsystem erlebbar, die vielschichtige Historie des tödlichen Orts verstehbar. Zugleich wird sich die dramatische Ereignisgeschichte an der Bernauer Straße besser nachvollziehen lassen.

Die Erinnerung an die Toten der Mauer ist mir ein besonderes Anliegen. Vor zwei Jahren konnte die von meinem Haus geförderte Forschungsarbeit über die "Todesopfer an der Berliner Mauer" veröffentlicht werden: 136 Biografien, 136 Menschenleben, die durch diese unmenschliche Grenze ausgelöscht wurden. Es ging bei dieser Untersuchung jedoch nicht um Zahlen, sondern darum, den Toten Gesicht und Namen und damit ihre Würde wiederzugeben.

Dem Bund ist es wichtig, bei der Aufarbeitung der SED-Diktatur möglichst viele Facetten zu beleuchten. Deshalb freue ich mich sehr, dass in einem Monat die Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland am authentischen Ort des denkmalgeschützten "Tränenpalasts" am Bahnhof Friedrichstraße in Anwesenheit der Bundeskanzlerin ihre neue Ausstellung "GrenzErfahrungen. Alltag der deutschen Teilung" eröffnet.

Mit aussagekräftigen biografischen Beispielen, prägnanten Originalobjekten und Zeitzeugeninterviews geht die neue Dauerausstellung den Auswirkungen von Teilung und Grenze auf das Alltagsleben der Menschen im geteilten Deutschland nach und trägt dabei der besonderen Bedeutung der früheren Grenzübergangsstelle Bahnhof Friedrichstraße Rechnung.

Meine Damen und Herren,

die Erinnerung an die deutsche Teilung ist keine Angelegenheit nur Berlins oder der neuen Länder, sondern eine gesamtstaatliche Aufgabe. Zwar ist Berlin das Symbol der Teilung, doch die Grenze war 1.400 Kilometer lang! Deshalb unterstützt mein Haus auch Gedenkstätten und Erinnerungsorte im ganzen Land, die die Brutalität der Grenze und das Unrecht des SED-Staats dokumentieren. Das sind zum Beispiel die Gedenkstätte Deutsche Teilung in Marienborn, das Deutsch-Deutsche Museum Mödlareuth oder das Grenzlandmuseum Eichsfeld.

Gerade die authentischen Orte sind geeignet, dem Vergessen und Verklären des kommunistischen Unrechts entschieden entgegenzuwirken. Und das brauchen wir in diesen Zeiten, in denen immer noch oder vieleicht sogar: wieder mehr Menschen das System der DDR schönreden!

Ich habe kein Verständnis für diejenigen, die sich weigern, die DDR als das zu bezeichnen, was sie war. Ohne Zweifel war sie ein Unrechtsstaat, der die fundamentalen Bürgerrechte wie Meinungs- , Presse- , Reise- und Versammlungsfreiheit und freie Wahlen versagte! Eine unabhängige Justiz gab es nicht, Andersdenkende wurden bespitzelt, verfolgt und inhaftiert.

Wer dieses Unrecht verharmlost, relativiert zugleich auch den Mut derjenigen, die in der DDR nicht müde wurden, diese Zustände anzuprangern und schließlich halfen, sie zu überwinden!

Die Erinnerung an die Mauer ist natürlich untrennbar verbunden mit dem 9. November 1989 dem Fall dieses menschenverachtenden Monstrums. Dieser Tag gehört zu den schönsten und fröhlichsten in der deutschen und auch europäischen Geschichte. Das Ende des Kalten Krieges wie auch die Wiedervereinigung der Deutschen waren damit eingeleitet.

Meine Damen und Herren,

Orte wie hier, an der Bernauer Straße, machen deutlich: Frieden und Freiheit sind höchste Güter, die immer wieder neu errungen werden müssen. Und sie warnen: Wer die Vorzüge einer freiheitlichen Gesellschaft nicht zu benennen weiß, wer totalitäre Systeme nicht von freiheitlichen Demokratien unterscheiden kann, wird anfällig für neue Versuchungen.

Der 13. August und in diesem Jahr die Erinnerung an den Mauerbau vor 50 Jahren sind für die Aufarbeitung unserer Geschichte ein unverzichtbarer Beitrag.