Redner(in): Bernd Neumann
Datum: 11.08.2011

Untertitel: In seiner Rede betonte Kulturstaatsminister Bernd Neumann, dass in dieser Ausstellung auf herausragende Weise die markanten zeithistorischen Ereignisse Berlin-Krise und Mauerbau - aus internationaler Perspektive aufgegriffen werden.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_1498/Content/DE/Rede/2011/08/2011-08-11-neumann-alliiertenmuseum,layoutVariant=Druckansicht.html


vor fünfzig Jahren, in den frühen Morgenstunden des 13. August 1961, wurde die Weltöffentlichkeit Zeuge, wie das DDR-Regime den Ostteil Berlins mit Stacheldraht und Barrikaden abriegelte um schließlich in den folgenden Tagen eine brutale und gegen die eigene Bevölkerung gerichtete Mauer zu bauen. Auf Drängen Ulbrichts und auf Befehl Chruschtschows wurden die Fluchtwege aus dem Gefängnis DDR geschlossen, aus dem seit 1949 rund 3 Millionen Menschen geflohen waren.

28 Jahre trennte die Mauer ein Volk, Familien, Freunde und diente als tödliches Bollwerk einer Diktatur. Berlin war geteilt, und mit ihm Deutschland und Europa. Und das SED-Regime machte umgehend ernst: Schon elf Tage nach der Abriegelung der Sektorengrenze, am 24. August, starb ganz in der Nähe des heutigen Bundeskanzleramtes, im Humboldthafen, der erste Flüchtling durch gezielte Schüsse in den Kopf. Günter Litfin, das erste Opfer im Feuer der Grenzschützer, war ein junger Mann von knapp über 20 Jahren. Wir dürfen ihn und die 135 weiteren Opfer allein an der Berliner Mauer nicht vergessen!

Meine Damen und Herren,

die Mauer war eine menschliche Tragödie, und sie war und ist bis heute ein politisches Memento von welthistorischer Dimension. Die Ausstellung, die wir hier heute im AlliiertenMuseum eröffnen, ist deutschlandweit die einzige, die dieses markante zeithistorische Ereignis aus internationaler Perspektive aufgreift. Sie führt uns die internationale Situation vor Augen, in der Berlin eine Schlüsselrolle einnahm. Anders als in der ersten Berlin-Krise von 1948/49 war die UdSSR im Jahr des Mauerbaus zur Nuklearmacht aufgestiegen.

Vom Chruschtschow-Ultimatum im Jahre 1958 bis zur Kuba-Krise 1962 stand die Welt um Haaresbreite erneut vor einem Krieg, kaum 16 Jahre nach dem Ende des vorangegangenen. Und diesmal würde es ein Atomkrieg sein, das schien gewiss.

Die Pläne, die Amerikaner, Briten und Franzosen für den militärischen Ernstfall ausgearbeitet hatten, sind eines der spannendsten Themen der Ausstellung. Dass die Westmächte 1961 jedoch nicht entschlossener eingriffen, enttäuschte die Berliner zutiefst. Doch wir dürfen nicht vergessen: Die Alliierten sicherten nach wie vor den freien Zugang nach Westberlin. General Lucius D. Clay, der "Vater der Luftbrücke", nahm deshalb im Oktober 1961 sogar eine Panzerkonfrontation mit den Sowjets am Checkpoint Charlie in Kauf. Fast drei Jahrzehnte war das geflügelte Wort "Ich bin ein Berliner", das John F. Kennedy 1963 vor dem Schöneberger Rathaus sprach, geradezu ein Glaubensbekenntnis, das den Deutschen die Solidarität der USA zusicherte.

Die Verteidigung von Freiheit und Demokratie begann für den US-Präsidenten in Berlin und ohne die Alliierten und ihr Festhalten am Status Westberlins wäre auch die Deutsche Einheit wohl nie zustande gekommen.

Man sollte aus Anlass der diesjährigen Feierlichkeiten nicht vergessen, dass 1987, als US-Präsident Ronald Reagan in seiner historischen Rede forderte: "Mr. Gorbachev, tear down this wall!", sich viele in der Bundesrepublik schon mit der Teilung arrangiert hatten und das Ziel der Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit in den Hintergrund gerückt war.

In manchen politischen Kreisen und bei vielen Intellektuellen hatte sich die Ansicht durchgesetzt, die DDR sei ein anerkennenswerter Staat und eine "kommode Diktatur", wie es Günter Grass einmal ausdrückte. Aus meiner Sicht ein höchst zynische Sichtweise.

Doch ich sage: Selbst in Zeiten atomarer Hochrüstung bestand kein Anlass, sich bei einer Diktatur anzubiedern und Unrecht nicht auch beim Namen zu nennen, sondern zu beschönigen! Die faktische Hinnahme der deutschen Teilung und die weitgehende Aufgabe des Ziels der Wiedervereinigung durch breite, auch politische Kreise in den 70er und auch noch in den 80er Jahren standen, das will ich hier deutlich sagen, im Widerspruch zum Wiedervereinigungsgebot des Grundgesetzes.

Darüber hinaus entsprach dies auch nicht dem Gefühl der weitaus überwiegenden Zahl der Bundesbürger. Für sie galt weiterhin die Aussage von Konrad Adenauer vom Tag des Mauerbaus: "Mit den Deutschen in der Sowjetzone und in Ost-Berlin fühlen wir uns nach wie vor aufs engste verbunden; sie sind und bleiben unsere deutschen Brüder und Schwestern."

Es war erst wieder Helmut Kohl, der die Deutsche Einheit als Ziel unmissverständlich betonte und das trennende zwischen Freiheit und Diktatur beim Namen nannte. Er sorgte dafür, dass das Thema nicht klammheimlich zu den Akten gelegt wurde, sondern auch öffentlich präsent blieb.

Die Ausreisewellen von DDR-Bürgern und die Protestbewegung der Friedlichen Revolution seit dem Sommer 1989 zeigten, dass auch 28 Jahre Mauer und Repression das Streben der Menschen nach Freiheit nicht unterdrücken konnten.

Wichtig war damals, dass Bundeskanzler Helmut Kohl mit der Durchsetzung des 1979 von Helmut Schmidt initiierten NATO-Doppelbeschlusses das Vertrauen der westlichen Alliierten in die Verlässlichkeit Deutschlands neu begründen konnte. Die Reformen Gorbatschows machten danach den Weg frei für die Freiheitsbewegungen im östlichen Europa und nicht zuletzt in der DDR. Durch den bewundernswerten Mut und die Besonnenheit der Bürgerbewegung in der DDR wurde dann auf friedliche Weise die SED-Diktatur zum endgültigen Einsturz gebracht.

Aber es brauchte in der Folge vor allem den Mut und die Weitsicht von Helmut Kohl, von Michail Gorbatschow und George Bush, den deutschen und europäischen Einheitsprozess erfolgreich abzuschließen. Ich möchte den Alliierten, und dabei vor allem den Amerikanern, hier an dieser Stelle meinen herzlichen Dank aussprechen!

Meine Damen und Herren,

mit der Deutschen Teilung und dem SED-Regime setzen sich bundesweit auch die durch mein Haus geförderten Gedenkstätten an authentischen Orten auseinander.

Ich nenne nur die Gedenkstätte Bernauer Straße, das Deutsch-Deutsche Museum Mödlareuth, Point Alpha oder die neue Ausstellung im Berliner Tränenpalast, die wir im September eröffnen. Das AlliiertenMuseum, das seine Gründung und auch seine herausragende Sammlung den Regierungen der USA, Großbritanniens und Frankreichs verdankt, setzt mit seiner Darstellung der internationalen Perspektive einen besonderen Akzent. Es stärkt nachhaltig das Bewusstsein für die Freiheit und die Werte unserer Demokratie gerade auch bei der jüngeren Generation, für die die Teilung nurmehr eine historische Tatsache aber keine biographische Erfahrung mehr ist!

Das AlliiertenMuseum ist mit seiner Struktur und Zielsetzung einzigartig. Wie keine andere Einrichtung legt es Zeugnis ab von der Rolle des damaligen westlichen Bündnisses als Gemeinschaft der Werte und der Entschlossenheit, diese zu verteidigen. Nur dieses Bündnis sicherte Freiheit und Demokratie in Berlin und in der Bundesrepublik Deutschland. Die Geschichte Deutschlands ist von den internationalen Entwicklungen der damaligen Zeit tief geprägt; deshalb leistet das AlliiertenMuseum einen unverzichtbaren Beitrag, besonders diesen Aspekt darzustellen.

Die Bundesregierung wird sich nachdrücklich bei der Weiterentwicklung des AlliertenMuseums engagieren. Wir unterstützen das Museum dabei, als zentrale Einrichtung zur Geschichte des Kalten Krieges in seiner Bedeutung für Deutschland noch sichtbarer und für Besucher noch anziehender zu werden. Dabei ist die in der Trägerschaft des Museums verankerte Mitwirkung der Alliierten wichtig und hilfreich. So wird bei der Darstellung des Kalten Krieges in profunder Weise das wissenschaftliche Know-How der USA, Großbritanniens und Frankreichs einbezogen im Übrigen auch das unserer heutigen osteuropäischen Partner und keine verengte oder gar relativierende Geschichtserzählung betrieben.