Redner(in): Angela Merkel
Datum: 12.09.2011

Untertitel: in München
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_1498/Content/DE/Rede/2011/09/2011-09-12-merkel-friedenstreffen,layoutVariant=Druckansicht.html


Sehr geehrter Herr Kardinal Marx,

sehr geehrter Herr Professor Riccardi,

sehr geehrter Herr Professor Impagliazzo,

Exzellenzen,

Eminenzen,

liebe Gäste,

ich bin sehr gerne hierhergekommen und freue mich, dass ich bei diesem Treffen, dem Friedenstreffen von Sant " Egidio im Erzbistum München und Freising, zum zweiten Mal in Deutschland heute hier bei Ihnen sein kann. Ich grüße auch die, die außerhalb dieses Raums diese Veranstaltung mitverfolgen.

Ich möchte noch einmal daran erinnern, dass die Tradition dieser Treffen, wie es eben auch gesagt wurde, schon 25Jahre zurückreicht. Wenn wir uns die Welt im Jahre 1986 in Erinnerung rufen, dann sah sie doch beträchtlich anders aus als die Welt von heute. Zum Beispiel hatten Terroranschläge, wie wir sie am 11. September des Jahres 2001 wir hatten gestern den zehnten Jahrestag erlebt haben, damals unsere Vorstellungskraft überstiegen. Aber wir hatten damals die "Ordnung" des Kalten Krieges, eine scheinbar unüberwindliche Trennung zwischen Ost und West. Die ganze Welt hatte sich dem unterzuordnen; es gab zwei große Machtsphären. Die Fronten dieses Kalten Krieges verliefen quer durch Deutschland, quer durch Europa.

Allein die Tatsache, dass ich hier heute als Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland stehe, aufgewachsen im östlichen Teil Deutschlands, zeigt, was sich verändert hat. Wer hat mehr davon profitiert, wer hat mehr gewonnen als gerade wir Deutschen, die wir jetzt wieder vereint in einem einigen Europa Freiheit und Demokratie leben können?

Der 1986 in Assisi abgehaltene Gebetstag für den Frieden war ein Zeichen der Hoffnung. Vertreter unterschiedlicher Glaubensrichtungen waren auf Einladung von Papst Johannes PaulII. aus aller Herren Länder in die Stadt des Heiligen Franziskus gekommen. Sie wollten den Nationen der Welt eine Botschaft der Versöhnung senden. Dieses Wollen ist in eine Tradition übergegangen. Dies ist eine dauerhafte Botschaft der Versöhnung geworden. Die Laienbewegung Sant " Egidio knüpfte nämlich daran an. Noch immer tragen ihre Treffen den Geist von Assisi in die Welt. Die Botschaft heißt, immer wieder um das gedeihliche Miteinander von Menschen unterschiedlichen Glaubens zu ringen.

Dass wir uns heute mitten im geeinten Europa treffen, das zeigt, dass dieser Geist doch schon beträchtliche Früchte getragen hat, auch wenn wir auf dieser Welt noch viel zu tun haben. Der Eiserne Vorhang ist nunmehr längst Vergangenheit. Sein Fall 1989 hat gezeigt: Ausdauer, Mut und Hoffnung können Teilungen und Spaltungen überwinden. Das ist die Botschaft, die wir Europäer für andere Teile der Welt haben, in denen das noch nicht gelungen ist. Es gibt Hoffnung.

Was ist die Ursache dafür, dass sich die Hoffnung immer wieder Bahn brechen kann? Das sind gemeinsame Grundüberzeugungen, gemeinsame Vorstellungen von Gerechtigkeit und Teilhabe, viele Kontakte, die allen Hürden zum Trotz aufrechterhalten geblieben sind.

Die Kirchen hatten an der Überwindung solcher Hürden immer einen großen Anteil. Nicht nur, dass ihre Lehren eine wichtige Basis unserer gemeinsamen Werte in Europa sind. Wir dürfen das in Europa nicht vergessen. Als wir über den Verfassungsvertrag diskutiert haben, hätten wir es jedenfalls in der Partei, der ich angehöre, sehr gerne gehabt, wenn wir den Gottesbezug ähnlich wie in unserem Grundgesetz auch in den europäischen Verträgen verankert hätten, denn wir sollten uns immer wieder unserer Wurzeln besinnen. Die Menschen leben von Religion, die Menschen leben aus dem Verständnis, dass wir Menschen Schöpfung Gottes sind und dass wir als solche unser Leben auf Erden gestalten.

Wir freuen uns in Deutschland auf den Besuch des Papstes BenediktXVI. in wenigen Tagen, der immer wieder darauf hingewiesen hat: Die Säkularisierung in Europa, auch die Trennung von Kirche und Staat dürfen uns niemals vergessen lassen, dass wir ohne Glauben an Gott hier sind Vertreter vieler Religionsgemeinschaften als Menschen schnell überheblich werden und aus den Augen verlieren, wozu unser Leben bestimmt ist. Deshalb sollten wir das immer auch in unseren Worten berücksichtigen, auch in der Tagespolitik.

Meine Damen und Herren, Politik kann Zusammenhalt fördern, aber sie kann ihn nicht verordnen. Wir leben von Dingen, die wir selber nicht schaffen können. Die Basis für ein Gemeinschaftsgefühl bildet sich im vorpolitischen Raum. Dort spielen die Kirchen eine zentrale Rolle. Ihre Offenheit für andere, ihr Anspruch der Nächstenliebe, die Akzeptanz, dass Menschen auch Fehler begehen, aber auch aufgehoben sind und Geborgenheit erfahren all das prägt Einstellungen für unsere Gesellschaft, auf denen Politik aufbauen kann, die Politik aber nicht selber schaffen kann. An solche Grundhaltungen und ethischen Überzeugungen müssen politische Entscheidungen anknüpfen, sonst laufen sie ins Leere.

Deshalb sind Treffen wie das Ihre hier in München so wunderbar, so wichtig, so inspirierend. Daraus entsteht ein Zusammengehörigkeitsgefühl, eine stabile Gemeinschaft. So gelingt auch die Gemeinschaft der Staaten nur, wenn sie an ein gemeinsames Verständnis vom Menschen anknüpfen kann. Wir als Europäerinnen und Europäer empfinden uns als Gemeinschaft. Wir haben zum 50. Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge, den wir während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft in Berlin gefeiert haben, gesagt: "Wir Europäer wir sind zu unserem Glück vereint."

Wir haben ein gemeinsames Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell in einer immer enger vernetzten Welt, wir wissen um unseren Auftrag. Wir wissen aber auch: Unser Kontinent hat über viele Jahrhunderte und unter Mühen vor allem eines lernen müssen: Unterschiede lassen sich friedlich miteinander vereinbaren, wenn sie ein gemeinsames Verständnis von Menschenwürde, Freiheit und Verantwortung trägt. Nur dann gelingt es auch, friedlich miteinander zu leben.

Diese Erkenntnis ist es, auf der das Haus Europa gebaut ist. Es beherbergt unter seinem Dach heute eine halbe Milliarde Menschen, die die wesentlichen Grundüberzeugungen teilen, die in Frieden und Wohlstand leben, die die Unteilbarkeit der Würde jedes einzelnen Menschen akzeptieren und die glauben und zeigen, dass wir in Respekt, in Toleranz auch zwischen den Religionen in Europa unser Leben gestalten.

Dieses Haus Europa ist nicht über Nacht entstanden. Es ist nach jahrhundertelangen Mühen, nach Unfrieden, Krieg und schrecklichen Taten entstanden. Wer wüsste das besser als wir Deutschen. Aber ich glaube, das Haus Europa ist heute solide, es ist eine wirkliche Gemeinschaft. Den Gründervätern der europäischen Einigung gelang das Wunder, die Gräben der Unterschiede zu überbrücken. Wenn ich allein daran denke, dass wir das Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich als Erbfeindschaft oder Erzfeindschaft bezeichnet haben, so haben wir das heute glücklicherweise überwunden.

Es gelang den Gründervätern der europäischen Einigung, im Bewusstsein der Vergangenheit, also auch des von Deutschland ausgegangenen Zivilisationsbruchs der Schoah und des Krieges, Zukunft zu gestalten. Wir haben die Teilung des Kontinents überwunden, wir haben die Weichen für die Erweiterung der Europäischen Union gestellt. Heute ist es die Aufgabe der politisch Aktiven, Europa wettbewerbsstark, krisenfest und international handlungsfähig zu machen. Das ist auch eine große Herausforderung, aber gemessen an denen, die Europa schon überwunden hat, eine gestaltbare Herausforderung.

Wir haben in diesen Tagen die Schuldenkrise im Euro-Raum zu überwinden eine Krise, die mit vielen technischen Begriffen immer wieder erklärt wird, die uns aber in Wahrheit zwingt, anders zu leben, nämlich nachhaltig zu leben, nicht unentwegt auf Kosten zukünftiger Generationen Werte zu verbrauchen, sondern auch an zukünftige Generationen zu denken. Dies muss und wird auch ich bin davon überzeugt unser gemeinsames Verständnis sein. Ich bitte Sie, uns auch mit Ihrem Gebet und mit Ihren Veranstaltungen dabei zu helfen, einfach deutlich zu machen: Europa ist ein reicher Kontinent es sollte uns gelingen, nicht den Reichtum zukünftiger Generationen zu verbrauchen. Nur so werden wir auch Frieden und Demokratie bei uns erhalten.

Trotz aller Schwierigkeiten: Unser europäisches Modell von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Meinungsfreiheit, gepaart mit den Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft, ist es wahrlich wert, immer wieder gestärkt zu werden. Wir wissen doch: Viele Menschen in anderen Regionen der Welt schauen auf uns Europäer, denn die Vision eines friedlichen Zusammenlebens, die Vision der Bewahrung der Menschenrechte ist bei uns Wirklichkeit. In vielen Regionen der Welt wird genau darum noch gerungen.

Aber wir erleben in diesen Tagen und Monaten auch hoffnungsvolle Entwicklungen. Es ist noch nicht einmal ein Jahr her, als sich die aufgestaute Sehnsucht vieler Menschen nach Freiheit in Nordafrika Bahn gebrochen hat. Tausende Menschen gingen zunächst vor allem in Tunesien und Ägypten auf die Straße. Nach und nach ergriff und ergreift diese Bewegung immer mehr Länder im arabischen Raum. Aktuell stehen wir vor gravierenden Problemen in Libyen und in Syrien, aber immer wieder ist es das eine, um das wir kämpfen sollten: Die Würde jedes einzelnen Menschen ist unteilbar, unantastbar. Das muss das Prinzip sein, nach dem Schritt für Schritt alle politisch Verantwortlichen auf der Welt arbeiten und sich engagieren.

Männer und Frauen sind immer wieder bereit gewesen, ihr Leben für eine bessere Zukunft, für mehr Demokratie, für mehr Rechtsstaatlichkeit einzusetzen. Gerade junge Menschen in der arabischen Welt fordern für sich eine Perspektive ein. Wer wollte das nicht besser verstehen als wir in Europa, die diese Perspektive bereits haben? Auch sie streben nach wirtschaftlicher und politischer Teilhabe. Sie wollen sich nicht mit Armut und staatlicher Willkür abfinden. Und dabei haben sie unsere Unterstützung.

Umso wichtiger ist es, dass jetzt die vielen Hoffnungen nicht in Enttäuschungen umschlagen. Aus der Stärke Europas erwächst uns Verantwortung Verantwortung für ganz konkrete Hilfen und Unterstützungen, gerade auch für die Jugend in diesen Ländern des Umbruchs. So begrüße ich es zum Beispiel, dass die deutschen Unternehmen und Auslandshandelskammern die Initiative ergriffen haben für einen Pakt für Beschäftigung, womit zum Beispiel in Ägypten 5.000 Jugendlichen betriebliche Ausbildungs- und Arbeitsplätze vor Ort angeboten werden. Wir brauchen viele solcher konkreten Initiativen, denn jeder einzelne Mensch fragt zu Recht nach seinen Möglichkeiten.

Die Veränderungen in der arabischen Welt bewegen viele Menschen auch in Europa. Der nordafrikanische Raum ist unsere Nachbarschaft; wir sind durch das Mittelmeer verbunden. Stabilität in unserer Nachbarschaft liegt in unserem ureigensten Interesse. Das gilt auch und erst recht für Israel. Dort mischt sich die Beobachtung des Wandels im arabischen Raum auch mit Skepsis und der Sorge um die eigene Sicherheit. Das ist nur zu verständlich. Die jüngsten Vorfälle an der Grenze zu Ägypten und mehr noch die Stürmung der israelischen Botschaft in Kairo in der Nacht von Freitag auf Samstag zeigen, wie angespannt die Situation ist. Die ägyptische Regierung muss dafür Sorge tragen, dass sich derartiges nicht wiederholt.

Gerade jetzt, in dieser Phase, kommt es darauf an, dass wir trotz scheinbar sehr, sehr schwieriger Bedingungen im Nahost-Friedensprozess vorankommen. Deutschland setzt sich dafür sehr stark ein. Wir wollen eine Zweistaatenlösung mit Israel als jüdischen demokratischen Staat in anerkannten Grenzen und mit einem lebensfähigen palästinensischen Staat. Anders ist ein dauerhafter Friede in der Region nicht erreichbar. Wir wissen: Das verlangt von Israel genauso wie von den Palästinensern schmerzhafte Kompromisse, aber das wissen vor allen Dingen auch Sie Frieden ist jede Anstrengung wert; eine Anstrengung, bei der Deutschland und die internationale Gemeinschaft natürlich zur Seite stehen werden. Wir sollten alles daransetzen, die verbleibenden Tage bis zu den Beratungen in den Vereinen Nationen zu nutzen, vorneweg im Nahost-Quartett, um Wege zu finden, die eine Wiederaufnahme des Friedensprozesses nicht noch zusätzlich erschweren, sondern erleichtern.

Meine Damen und Herren, ob im Nahen Osten, im arabischen Raum oder anderswo auf der Welt eine nachhaltige Entwicklung ist nur mit gelebten Menschenrechten denkbar. Wir brauchen Entwicklung auf unserer Welt, um die Grundbedürfnisse des Menschen zu erfüllen, Durst zu löschen, Hunger zu stillen, Krankheiten zu heilen, Bildung und damit auch berufliche und gesellschaftliche Teilhabe zu sichern. Aber nur wer dabei die Menschenrechte achtet, schafft auch eine verlässliche Basis für Entwicklung.

Ähnliches gilt auch für den Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Wir sind inzwischen sieben Milliarden Menschen auf dieser Welt. Ich habe es jetzt noch einmal nachgelesen: 1950, kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, waren es weltweit nur zweieinhalb Milliarden Menschen. Es sind jetzt sieben Milliarden Menschen, die Wohlstand möchten, die in Würde leben wollen. Dies wird nur möglich sein, wenn wir lernen, sorgsam, nachhaltig, im Sinne der Schöpfungsgeschichte mit unseren natürlichen Ressourcen umzugehen."Macht euch die Erde untertan" das war keine Aufforderung zum Raubbau, sondern das war eine Aufforderung für eine dauerhaft glückliche Menschheit, meine Damen und Herren.

Deshalb wird es, wenn es um Entwicklungszusammenarbeit geht, wenn es um den Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen geht, in Zukunft ganz wesentlich immer auch um Frieden oder kriegerische Auseinandersetzungen gehen. Je nachdem, wie wir die Fragen nach nachhaltigem Wirtschaften beantworten, wird sich entscheiden, ob die Welt in Frieden leben kann. Deshalb ist ein effizienter, fairer, sorgsamer Umgang mit unseren natürlichen Ressourcen das A und O unserer zukünftigen Gestaltung der Welt.

Die Frage heißt: Sichern wir Zukunft oder verbrauchen wir Zukunft? Das ist eine zutiefst moralische Frage, die Politik wiederum nicht allein lösen kann, sondern die sie nur lösen kann, wenn sie auf Menschen trifft, die sich diese Frage auch zu ihrem eigenen Anliegen gemacht haben. Auch hierbei gilt natürlich für uns in Europa, auch für uns in Deutschland: Aus unserer Stärke erwächst Verantwortung. Aus der Stärke der Industriestaaten folgt eine besondere Verantwortung, den Gedanken des nachhaltigen Wirtschaftens zu fördern.

Dabei stehen wir erstens in der Pflicht, die Rechnung für unseren Wohlstand selbst zu zahlen. Wir dürfen die Lasten nicht weiter auf andere abwälzen weder auf andere Regionen noch auf künftige Generationen. Zweitens ist jeder von uns gefordert, im Alltag den Nachhaltigkeitsgedanken stärker zu verinnerlichen beim Energieverbrauch, bei Konsum- und bei Produktionsentscheidungen. Drittens sind wir gefragt, Entwicklungs- und Schwellenländer auf ihrem Weg zu mehr Wohlstand zu unterstützen, ohne dabei die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen. Exemplarisch dafür steht das Thema des Klimawandels, der Energiepolitik, des Energieverbrauchs. Wir könnten genauso über andere Fragen, wie zum Beispiel über die der Biodiversität, der Vielfalt unserer Arten sprechen.

Immer wieder steht international die Frage im Raum: Wie viel Entwicklung gestehen wir anderen zu und wie weit sind wir selber Vorbilder, um zu zeigen, dass Wohlstand auch mit nachhaltigem Wirtschaften erreicht werden kann? Wir brauchen hierfür internationale Übereinkünfte. Die Welt kann nicht mehr national regiert werden, auch nicht allein durch Regionalorganisationen. Deshalb kommt auch den Vereinten Nationen aus meiner Sicht eine so zentrale Bedeutung zu. Ja, es ist kompliziert, mit über 190Nationen immer wieder Einvernehmen herzustellen. Aber die Menschenrechtscharta der Vereinten Nationen ist aus einer so unmittelbaren Kraft heraus entstanden, als Erfahrung aus dem Zweiten Weltkrieg, so dass, wenn alle Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen sich an das, was sie unterzeichnet haben, halten würden, die Welt sehr viel friedlicher wäre. Ich fordere Sie auf, die Sie ja immer wieder in der Welt Ihr Wort erheben: Sagen Sie laut, wo die Menschenrechtscharta der Vereinten Nationen nicht eingehalten wird.

Daraus entsteht auch die Notwendigkeit, verbindliche Abkommen zu schließen. Gerade was die Abkommen zum Klimawandel anbelangt, so haben wir das steht auch für viele andere Abkommen immer noch dramatische Probleme zu lösen. Aber ich sage auch: Wir haben auf der Welt schon viele dicke Bretter gebohrt, wir haben schon viele Blockaden überwunden und so werden wir es auch lernen, als Menschheit mit unseren natürlichen Ressourcen gemeinsam verantwortlich umzugehen. Ich bin davon zutiefst überzeugt.

Meine Damen und Herren

und liebe Teilnehmer, die Friedenstreffen von Sant " Egidio leisten zu alldem einen großen Beitrag. Sie führen Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen zusammen, sie überwinden Grenzen, sie schärfen den Blick für das Verbindende. Darin liegt ihr unschätzbares Verdienst. Deshalb sind wir, wenn ich das so sagen darf, auch Verbündete im Kampf um Menschenwürde, um Frieden und Freiheit und Menschenrechte.

Gerade an die Religionen richtete sich in den vergangenen Jahren verstärkt die Frage, was uns Menschen eint oder was uns Menschen trennt. Wer was glaubt, ist wieder mehr von öffentlichem Interesse, weil die Menschen spüren: Wir brauchen die Kraft des Glaubens, um die Fragen unserer Zeit zu bewältigen. Der Dialog der Religionen hat neuen Zuspruch, neuen Wind bekommen. Das ist positiv. Negativ, muss man allerdings sagen, ist der Hintergrund, vor dem diese Entwicklung Nahrung gefunden hat. Denn Religionen werden auch in unserer Zeit sträflichst missbraucht, insbesondere um Terrorismus zu begründen, wie wir bei den Terroranschlägen am 11. September 2001 gesehen haben. Umso wichtiger ist der Dialog der Religionen, die Gemeinsamkeit der Religionen, die Sie in Ihren Treffen verfolgen. Denn eines ist klar: Religionen sehen den Menschen als Gottes Geschöpf. Deshalb ist seine Zerstörung, so wie wir das in tausendfacher Form am 11. September, aber auch danach erlebt haben, genau das Gegenteil von dem, was Religion will.

Wenn wir dieser Tage in aller Welt der Toten des Anschlags vom 11. September gedenken, dann gedenken wir der Opfer des Terrors, wir gedenken all der gefallenen Soldaten, der getöteten Sicherheitskräfte, vieler Helfer, die antraten, um Terror einzudämmen. Mit diesem Gedenken tragen wir auch die Botschaft in die Welt: Die dem Menschen ureigene Sehnsucht nach Freiheit lässt sich durch Terror und Unterdrückung nicht ausradieren. Freiheit lässt sich nicht besiegen, meine Damen und Herren.

Auch heute können Menschen immer wieder Mittel und Wege finden, Anschläge zu verüben, aber wir werden uns davon unsere Überzeugung nicht nehmen lassen. Die Staatengemeinschaft wird sich weiter engagieren und auch engagieren müssen. Ob das als ultima ratio auch mit militärischen Mitteln geschieht, ist in Ihren Kreisen sicherlich stark umstritten. Wir glauben, dass es notwendig ist, aber wir glauben niemals, dass militärische Mittel allein wirklichen Frieden bringen können. Frieden wird nur durch eine Vielzahl von Aktivitäten gebracht.

Wir müssen natürlich lernen, mit den Feinden des Friedens und der Freiheit umzugehen. Im Unterschied zur Zeit um 1986, in der Ihre Friedenstreffen ihre Ursprünge fanden, haben wir es heute mit Bedrohungen zu tun, bei denen Menschen bereit sind, ihr Leben für die falsche Sache aufs Spiel zu setzen, nämlich für den Tod anderer Menschen. Mit diesen Bedrohungen, die wir asymmetrische Bedrohungen nennen, werden wir uns noch weiter auseinandersetzen müssen. Ich glaube, dass die Bekämpfung von Armut und die Bekämpfung von Ungerechtigkeit gute Mittel sind, um dem Terrorismus seine Wurzeln zu entziehen. So arbeiten wir gemeinsam genau daran.

Mit die wirksamste Form der Krisenprävention ist und bleibt also die Armutsbekämpfung. Darauf hat auch Sant "Egidio immer und immer wieder hingewiesen. Seit ihren Anfängen Ende der 60er Jahre widmet sich die Bewegung dem Dienst an den Armen. Sie lindert Leid und fragt zugleich nach den Ursachen. Eine wichtige Erkenntnis lautet, dass Krieg der Vater aller Armut ist. Im Umkehrschluss könnten wir sagen, dass Frieden als Mutter aller Entwicklung bezeichnet werden kann. Ich hoffe, Sie nehmen mir die Zuordnung zu" Vater "und" Mutter " nicht übel; das ist geschlechtsneutral gemeint, meine Damen und Herren.

Deshalb möchte ich Ihnen und Sant " Egidio dafür danken, dass Sie Ihre Kontakte und Freundschaften rund um den Globus nutzen, um für mehr Stabilität auf der Welt einzutreten. Dieses Engagement ist ein wichtiger Baustein christlicher Friedensarbeit. Herzlichen Dank dafür.

Papst Johannes PaulII. hat beim Treffen in Assisi vor 25Jahren gesagt: "Der Friede, der von so anfälliger Gesundheit ist, erfordert ständige und intensive Pflege." Jede Generation muss Frieden vor neuen Anfechtungen und Gefahren bewahren. Sie zu erkennen, ist nur das eine; sie mutig und entschlossen anzugehen, das ist das andere. Und darin liegt unser gemeinsamer Auftrag. Lassen Sie mich deshalb nochmals Papst Johannes PaulII. zitieren: "Wir wollen danach trachten, Friedensstifter im Denken und Tun zu sein, mit Geist und Herz auf die Einheit der menschlichen Familie ausgerichtet." Davon dürfen wir uns alle angesprochen und ermutigt fühlen Sie, die Sie unsere Gäste in der Bundesrepublik Deutschland sind, und auch wir als Politiker.

Sant " Egidio und allen Gästen des Friedenstreffens danke ich dafür, dass Sie immer wieder und auf vielfältige, kreative, fantasievolle Art und Weise Versöhnung und Verständigung den Weg bereiten. Mir bleibt jetzt nur noch, Ihnen weiterhin Erfolg zu wünschen und schöne Tage, gute Tage, erfüllte Tage in der wunderschönen Stadt München. Herzlichen Dank.