Redner(in): Bernd Neumann
Datum: 15.09.2011

Untertitel: In seiner Redehob Kulturstaatsminister Bernd Neumann die Bedeutung der Kirchen in der Kulturförderung hervor und wies auf die Lutherdekade und das kommende Reformationsjubiläum hin.
Anrede: Anrede,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/nn_1498/Content/DE/Rede/2011/09/2011-09-15-neumann-ekd,layoutVariant=Druckansicht.html


als Mit-Schirmherr des Kirchen-Kultur-Kongresses der EKD freue ich mich, an dieser Premiere teilzunehmen. Und damit meine ich nicht nur die Ur-Aufführung des Musiktheaterstücks "Paulus" im Anschluss, sondern vor allem auch die Tatsache, dass es sich um den ersten Kulturkongress der EKD handelt. Dieses ist nicht nur für die Kirche ein wichtiges und richtiges Signal, sondern auch für die Kulturpolitik in Deutschland.

Aus diesem Grund hat der Bund im Rahmen seiner Förderung der Lutherdekade den Kongress und die heutige Aufführung gern unterstützt. Die Leistungen der Kirchen für die Kultur sind ein existenzieller, unverzichtbarer Bestandteil der Kultur in Deutschland. Dass dieses mittlerweile fast jedermann bewusst ist, haben wir nicht zuletzt dem Engagement von Petra Bahr zu verdanken. Es war für die Kultur ein sehr positives Signal, dass die Evangelische Kirche Deutschlands vor 5 Jahren das Amt der Kulturbeauftragten eingerichtet hat.

Der Titel einer Publikation des Kulturrats von 2007,"Die Kirchen, die unbekannte kulturpolitische Macht", ist jedenfalls heute kaum noch denkbar.

Spätestens seit dem Bericht der Enquete-Kommission "Kultur in Deutschland" des Deutschen Bundestages dürfte Allgemeingut sein, dass die Kirchen in Deutschland neben Bund Ländern und Kommunen zu den maßgeblichen Kulturträgern unseres Landes gehören.

Insgesamt geben die öffentlichen Hände in Deutschland etwa 9 Mrd. Euro jährlich für Kultur aus.

88 % kommen ungefähr hälftig von den Ländern und Kommunen, etwa 12 % vom Bund. Private Förderer und Sponsoren bringen noch einmal 500 Mio. Euro auf.

Im Kirchengutachten von 2005, das das "Institut für kulturelle Infrastruktur Sachsen" im Auftrag der Enquete Kommission des Deutschen Bundestages erstellt hat, wird errechnet, dass beide Kirchen in Deutschland jährlich 3,5 bis 4,8 Mrd. Euro für Kultur aufbringen soviel also wie jeweils alle Länder oder alle Kommunen zusammen. Ich gebe gerne zu, ich war selbst überrascht, als ich zum ersten Mal von diesen Zahlen hörte und selbst in kirchlichen Kreisen lösen diese Zahlen Erstaunen aus, wenn ich sie bei Gelegenheit anführe.

Doch wenn wir uns die Bandbreite der Themen anschauen, die in den nächsten Tagen hier in Berlin im Rahmen des Kongresses verhandelt werden, dann werden diese Zahlen plausibel.

Staat und Kirche sind nach unserem Verständnis und unserer Verfassung klar getrennt. Aber sie können gute Partner sein, und das ist im Bereich der Kultur der Fall. Lassen Sie mich dieses exemplarisch an drei Themen aufzeigen.

Ich beginne mit dem Erhalt unseres kulturellen Erbes im Bereich des Denkmalschutzes. Hier ist die Zusammenarbeit des Bundes mit den Kirchen besonders intensiv. Die Kulturgeschichte unseres Landes vom frühen Mittelalter bis heute lässt sich in einzigartiger Weise an den rund 50.000 Kirchenbauten in unserem Land ablesen dreiviertel davon stehen unter Denkmalschutz!

In jeder Stadt, ja in fast jedem Dorf, war die Kirche über Jahrhunderte auch kulturelles und geistiges Zentrum, sie gab Orientierung für Wegsuchende, und das tut sie bis heute, auch wenn sich dies leider bei vielen mehr auf das Optische bezieht. Die Kirchen mit ihren unterschiedlichen Architekturen und Baustilen sind nach wie vor die faszinierendsten Zeugen unserer vielfältigen Kunst- und Kulturgeschichte. Dieses kulturelle Erbe gilt es zu erhalten. Damit sind die Kirchengemeinden allein häufig überfordert, obwohl ein Großteil der Kulturausgaben der Kirchen in den baulichen Erhalt fließt. Hier gibt es aus meiner Sicht eine kulturelle Mitverantwortung des Staates.

Der Bund steht deshalb den Kirchen zur Seite: Über die Hälfte aller Sanierungsprojekte, die im Programm "National wertvolle Kulturdenkmäler" gefördert werden, betreffen kirchliche Bauten. Von insgesamt 162 Projekten seit 2008 waren 102 Kirchen und Klöster. In den zusätzlichen Denkmalschutzsonderprogrammen der letzten 3 Jahre wurden insgesamt rund 360 Projekte gefördert davon waren 140 Kirchen und Klöster.

Denkmalpflege heißt jedoch nicht Musealisierung! Kirchen müssen lebendige Stätten bleiben. Sie stehen für den Glauben und für die Werte, auf denen unsere Gesellschaft beruht. Sie sind aber auch Stätten lebendigen kulturellen Austauschs.

Die Elisabeth-Kirche, in der wir uns jetzt befinden, ist das beste Beispiel dafür, dass eine kulturelle Nutzung mehr ist als ein Notnagel, der aus den Zwängen demographischer Entwicklungen geboren wird. Im Übrigen: das neuere Konzept der so genannten Kulturkirche ist aus meiner Sicht fast tautologisch. Kirchen sind seit vielen Jahrhunderten immer auch kulturelle Räume. Das ist nicht neu. Wir alle erkennen darüber hinaus zunehmend, dass der freiheitliche säkularisierte Staat von Voraussetzungen lebt, die er allein nicht garantieren kann. Kirche und Kultur geben Antworten auf existenzielle Fragen unseres Lebens, die uns letztlich alle bewegen.

Dies mag auch ein Grund dafür sein, dass sich zeitgenössische Künstler wieder verstärkt der Kirche zuwenden. Ich denke da nur an die beeindruckenden Elisabeth-Fenster von Neo Rauch im Naumburger Dom oder das Domfenster von Gerhard Richter in Köln.

Und was mir auch immer wieder auffällt: Es sind nicht nur die großen Dome, sondern vor allem auch die kleinen Dorfkirchen, für die sich Bürgerinnen und Bürger mit viel Energie und Begeisterung einsetzen. Für sie ist die Denkmalpflege ein aktiver Teil des örtlichen Gemeindelebens und damit eine tragende Säule gelebter Demokratie.

Als Cineast freue ich mich natürlich, dass Sie hier ein breit angelegtes Panel zum Thema Film veranstalten werden. Es ist mein Credo, dass auch das Kino ein besonderer Kulturort ist. Die einerseits kollektive, anderseits aber auch höchst individuell bewegende Erfahrung im Kinosaal kann auf ganz eigene Art ein Erweckungserlebnis sein.

Die Kirchen haben schon früh die kulturelle Bedeutung des Kinos für unsere Gegenwart erkannt. Insbesondere der Evangelische Pressedienst genießt mit epd-Film einen hervorragenden Ruf als Organ sachkundiger Information.

Der Bund fördert mit der Deutschen Kinemathek, der Berlinale und dem Deutschen Filmpreis oder dem medienpädagogischen Angebot "Vision Kino" zentrale Institutionen der Filmvermittlung und ich freue mich, dass mit dem Vorstandvorsitzenden von Vision Kino auch ein Vertreter dieser wichtigen Einrichtungen meines Hauses beim Kirchen-Kultur-Kongress mitdiskutieren wird!

Meine Damen und Herren,

auch bei einem dritten Themenbereich, der Gedenkkultur, spielt die Evangelische Kirche eine bedeutende Rolle.

Petra Bahr ist gemeinsam mit Helge Klassohn Mitglied im Stiftungsrat der "Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung" und darüber hinaus ist sie Mitglied in der "Stiftung Berliner Mauer" und ich schätze die überaus konstruktive Zusammenarbeit außerordentlich! Der Bund hat hier in Berlin in enger Zusammenarbeit mit der evangelischen Kirche das Gedenkareal in der Bernauer Straße aufgebaut, das wir am 13. August der Öffentlichkeit übergeben haben. Ich bin mir bewusst, dass viele Gedenkstätten und Erinnerungsorte ohne das Engagement kirchlicher Kreise nicht entstanden wären.

Meine Damen und Herren,

derzeit haben wir gemeinsam mit der EKD ein großes Projekt: Das 500. Reformationsjubiläum im Jahr 2017. Wir wollen dazu beitragen, daran zu erinnern, dass die Reformation zu den geistigen Wurzeln unseres Gemeinwesens gehört. Mit der Reformation sind Grundwerte unserer Gesellschaft verbunden, wie der christliche Freiheitsbegriff, Eigenverantwortlichkeit und die Bedeutung religiöser Toleranz.

Die Bundesregierung fördert ab 2011 mit 5 Millionen Euro jährlich unterschiedliche Veranstaltungen im ganzen Land wie Konferenzen oder Maßnahmen zur kulturellen Bildung sowie den Erhalt und die Sanierung der bedeutenden Lutherstätten.

Bis 2017 werden damit insgesamt 30 Millionen Euro an Sondermitteln allein aus meinem Etat für Aktivitäten der Lutherdekade bis hin zum eigentlichen Reformationsjubiläum zur Verfügung gestellt.

Meine Damen und Herren,

ich freue mich, dass sich die Evangelische Kirche in Deutschland mit dem ersten Kirchen-Kultur-Kongress sozusagen zurück zu den Wurzeln und zugleich zu neuen Ufern begibt. Wir brauchen den Dialog zwischen Kirche und Kultur, um uns von einem sicheren Standpunkt aus immer wieder den neuen und sich ständig wandelnden Anforderungen der Zeit zu stellen.

Der erste Kirchen-Kultur-Kongress ist Ihr Werk, liebe Petra Bahr, und ich bin sicher, er wird auf die kulturpolitischen Diskurse Einfluss haben nicht nur hier in Berlin, sondern im ganzen Land. Ihnen und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern herzlichen Dank für Ihr großes Engagement!

Ich wünsche dem Kongress gutes Gelingen und inspirierende Einsichten und heute einen besinnlichen Abend!