Redner(in): Bernd Neumann
Datum: 09. Februar 2012

Untertitel: In seiner Rede in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften sprach Kulturstaatsminister Bernd Neumann über die Lage des deutschen Films, die FFG-Abgabe, den DFFF, die Digitalisierung der Kinos sowie über notwendige Urheber- und Leistungsschutzrechte.
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Rede/2012/02/2012-02-09-neumann-produzentenallianz.html


In seiner Rede in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften sprach Kulturstaatsminister Bernd Neumann über die Lage des deutschen Films, die FFG-Abgabe, den DFFF, die Digitalisierung der Kinos sowie über notwendige Urheber- und Leistungsschutzrechte.

Anrede,

dass die Produzentenallianz sozusagen den Auftakt am Berlinale Eröffnungstag macht, halte ich für richtig und wichtig. Ohne Produzenten keine Filme und ohne Filme keine Berlinale so einfach geht die Gleichung. Das diesjährige Berlinale-Programm zeigt deutlich, dass die deutschen Filme international konkurrenzfähig sind: Von 395 Filmen sind 87 mit deutsche Beteiligung entstanden, drei deutsche Regisseure stehen im Wettbewerb.

Auch auf anderen internationalen Festivals sind deutsche Filme präsent und gewinnen Preise. Deutsche Filme verkaufen sich im Ausland zunehmend besser. Ich brauche nicht zu betonen, wie sehr ich mich darüber freue als Kulturstaatsminister, der als Filmliebhaber bezeichnet wird.

Ich würde mir jedoch wünschen, dass der deutsche Kinofilm auch im Fernsehen wieder an Präsenz gewinnt. Auch die Fernsehveranstalter müssen aus meiner Sicht ihren Beitrag dazu leisten, dass der deutsche Kinofilm, von den Anfängen der Filmkunst bis heute, sichtbar bleibt und ein größeres Publikum erreicht. Ich hoffe hier auf die Privaten, zähle aber wegen des Kulturauftrags besonders auf die öffentlich-rechtlichen Sender.

Nach Zahlen von media control lag der Anteil deutscher Kino-Produktionen an den Gesamt-Spielfilmminuten der fünf quotenstärksten Sender im letzten Frühjahr bei lediglich rund neun Prozent. ARD, ZDF, RTL, Sat. 1 und ProSieben zeigten im Zeitraum vom 1. Januar bis zum 10. April 2011 rund 6.312 Minuten deutschen Kinofilm. Ausländische Kino-Produktionen kamen dagegen auf 66.774 Minuten.

Meine Damen und Herren,

Sie werden mir sicherlich beipflichten, dass einen diese Zahlen geradezu sprachlos machen!

Der deutsche Film ist vielfältig, vielschichtig und von großer künstlerischer Qualität. Deshalb ist es nicht nachvollziehbar, dass er insbesondere auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen quasi nicht oder nur am Rande vorkommt, und wenn, nur zu Sendezeiten, in denen viele Bürgerinnen und Bürger bereits schlafen.

Die zentrale Legitimation der Gebührenfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist die Bereitstellung verlässlicher und qualitativ hochwertiger Programme und Stoffe. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss aus meiner Sicht kultureller Relevanz wie auch anspruchsvoller Information den Vorzug vor purer Unterhaltung geben auch in der Hauptsendezeit. Und das kann man auch nicht in digitale Spartenkanäle ablegen. Wir brauchen feste und attraktive Programmplätze für deutsche Spielfilme und natürlich auch für den Dokumentarfilm.

Es ist nicht zu viel verlangt, wenn ein Abend pro Woche für den deutschen Film reserviert würde und dies zur besten Sendezeit um 20:15 Uhr! Das für 2012 geplante Sommerkino der ARD ist gut gemeint, aber reicht bei weitem nicht aus!

In einem anderen Punkt bin ich den Fernsehveranstaltern allerdings dankbar. In Zeiten, in denen Hauptnutznießer des Films nämlich Kinobetreiber oder besser Kinoketten die Existenz der FFA gefährden, können wir uns auf die Fernsehveranstalter verlassen wenn es um die Zahlung der FFG-Abgabe geht. Mein Dank gilt hier den privaten wie den öffentlich-rechtlichen Sendern, letztere leisten sogar etwas mehr, als das Gesetz vorsieht.

Vor dem Ausblick einen kurzen Rückblick. Das Filmjahr 2011 war ein sehr bewegendes Jahr, auch für mich persönlich. Der überraschende Tod von Bernd Eichinger im Januar hat uns alle sehr getroffen. Er fehlt!

Bewegende Momente gab es 2011 auch auf der Leinwand. Um nur einige hervorzuheben: Das berührende Drama "Halt auf freier Strecke" von Andreas Dresen wurde in Cannes in der Reihe "Un Certain Regard" ausgezeichnet und erhielt den Bayerischen Filmpreis als bester Film. Pina " von Wim Wenders ist nicht nur eine in jeder Hinsicht eindrückliche Hommage an eine große Tänzerin, sondern hat auch auf bemerkenswerte Weise gezeigt, wie wertvoll der Einsatz von 3D-Technik im Arthouse-Bereich sein kann. Der Film war mit fast einer halben Million Besuchern nicht nur ein Publikumserfolg, sondern wurde auch als bester Dokumentarfilm beim Deutschen Filmpreis und beim Europäischen Filmpreis ausgezeichnet. Ich drücke Wim Wenders die Daumen für die Oscar-Verleihung das wäre wirklich die Krönung seines Erfolgs!

Daneben gab es natürlich zahlreiche andere deutsche Filme, die begeistern konnten, sei es durch ihre Geschichte, den gezielten Einsatz modernster Technik oder den spürbaren kreativen Geist ihrer Macher, darunter eine beachtliche Zahl von Besuchermillionären. Zahlenmäßig liegt bei deutschen Filmen im Jahr 2011 mit 4,3 Mio. Besuchern Til Schweigers "Kokowääh" an der Spitze. An dieser Stelle möchte ich Herrn Schweiger, dessen Filme stets Kassenschlager sind, meinen persönlichen Dank aussprechen. Wir brauchen auch Filme wie "Kokowääh".

Nicht nur gute Artikel in den Feuilletons, sondern auch der Erfolg an der Kinokasse ist ein essentiell wichtiger Faktor für den deutschen Film und den Filmstandort Deutschland.

Was den Marktanteil deutscher Produktionen anbetrifft, ist er von 16,8 % im Jahre 2010 auf knapp 22 % im vergangenen Jahr gestiegen. Damit reichen wir zwar noch nicht an den Traumwert von 2009 mit über 27 % heran, aber es gibt einen deutlichen Aufwärtstrend. Das Ergebnis für die deutsche Kinowirtschaft mit fast 130 Mio. verkauften Tickets und einem Gesamtumsatz von rund 958 Mio. Euro kann sich sehen lassen.

Insgesamt können wir also mit dem letzten Film- und Kinojahr zufrieden sein, vor allem wenn man bedenkt, dass die Wirtschafts- und Finanzkrise keinen Bereich ausnimmt. Nach dem schwierigen Jahr 2010 hat der deutsche Film im Jahr 2011 wieder Fahrt aufgenommen!

Was mich allerdings ärgert das sage ich offen, sind die Störaktionen von Seiten der großen Kinoketten in Sachen FFG. Wir haben vor dem Bundesverwaltungsgericht auf der ganzen Linie gewonnen. Trotzdem fällt einer Kinokette nichts anderes ein, als weiter Unsicherheit durch eine Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe schüren zu wollen. Das ist wahrlich im Interesse des Films, aber auch aller anderen Kinos bedauerlich.

Denn wir brauchen die großen Kinoketten ebenso wie die kleinen Filmkunsttheater. Sie alle sind Abspielstätten für den deutschen Kinofilm und wertvolle Vermittler der Filmkultur. Der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die 2012 zu erwarten ist, stehe ich übrigens gelassen gegenüber. Mit der so genannten Kleinen Novelle haben wir die ursprünglichen Bedenken gegen das FFG ausgeräumt. Deshalb sehe ich auch keine Notwendigkeit für irgendwelche Vergleiche.

2012 wird ganz im Zeichen der nächsten FFG-Novelle stehen. Das FFG das habe ich immer gesagt ist ein Gesetz der Filmbranche. Das ist für mich keine wohlfeile Phrase, sondern eine unabdingbare Notwendigkeit für die Filmförderung insgesamt.

Zusammenhalt ist nicht nur für die kritische Überprüfung der einzelnen Förderinstrumente nötig, sondern auch für das Bild, das die Filmwirtschaft nach außen vermittelt. Das aktuelle FFG läuft Ende 2013 aus. Bereits im letzten November habe ich den Startschuss für die Novellierung gegeben und die FFA gebeten, entsprechende Anregungen und Vorschläge aus der Branche einzuholen.

Der von der FFA versandte Fragenkatalog zur FFG-Novelle dürfte Ihnen allen bekannt sein. Die Stellungnahmen der involvierten Verbände werden derzeit durch die FFA ausgewertet. Sie können sich sicher sein, dass ich genauso gespannt auf die Ergebnisse dieser Auswertung bin wie Sie.

Ich habe vor, mich weiterhin für den DFFF stark zu machen. Wie Sie alle wissen, ist der DFFF kein Selbstläufer. Bis Ende 2012 konnte ich eine unveränderte Verlängerung des Programms durchsetzen. Ich versichere Ihnen, dass es mir persönlich ein großes Anliegen ist, dass die Erfolgsgeschichte des DFFF uneingeschränkt fortgeschrieben werden kann und der DFFF auch über 2012 hinaus in der bisherigen Höhe fortgesetzt wird.

Kürzlich wurde ich übrigens in einem Interview gefragt, ob es sich beim DFFF um "gut angelegtes Geld" handele. Was für eine Frage! Ich kann sie nur mit einem nachdrücklichen "JA" beantworten.

Mit Hilfe des DFFF ist es uns in den vergangenen fünf Jahren gelungen, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Filmwirtschaft in Deutschland und auch die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Dank des DFFF konnten wir nachhaltige Impulse für den Produktionsstandort Deutschland erzielen.

Die Bilanz des DFFF spricht für sich: Seit seiner Einführung im Januar 2007 wurden insgesamt 527 Filmproduktionen mit rund 294 Mio. Euro gefördert. Die Förderung hat Investitionen von insgesamt rund 1,8 Milliarden Euro in Deutschland ausgelöst. Das heißt für jeden Euro Förderung wurden sechs Euro in Deutschland investiert.

Die Nachfrage nach DFFF-Mitteln war auch 2011 ungebrochen hoch: Bewilligt wurden Förderanträge für 111 Filme, darunter 78 Spielfilme, 28 Dokumentarfilme und 5 Animationsfilme. Besonders erwähnenswert finde ich, dass im vergangenen Jahr allein 44 internationale Koproduktionen gefördert wurden; das sind zehn mehr als vor fünf Jahren. Dies ist ein Beweis für die wachsende Vernetzung zwischen deutschen und internationalen Produzenten.

Die hohe Attraktivität des Filmstandortes Deutschland macht es zudem möglich, dass inzwischen auch internationale Großprojekte wie "Die drei Musketiere" und "Der Wolkenatlas" von deutscher Seite initiiert und hierzulande umgesetzt werden können. Noch vor wenigen Jahren wäre dies kaum denkbar gewesen.

Bereits im vergangenen Jahr wurde eine Evaluierung der DFFF-Richtlinie mit Fachleuten und einer von mir geleiteten Expertenrunde durchgeführt. Gemeinsam sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass sich der DFFF in der bestehenden Form bewährt hat. Gravierenden Änderungsbedarf sehen wir nicht.

Um die Ernsthaftigkeit der Kinoauswertung der DFFF-geförderten Projekte sicherzustellen, werden wir allerdings eine moderate Erhöhung der Kopienzahl vornehmen. Ziel der Förderung des DFFF muss auch weiterhin eine umfassende Verwertung auf der Kinoleinwand sein. Deshalb werden wir für Spielfilme die Mindestkopienzahl von derzeit 30 Kopien auf 45 Kopien erhöhen.

Bei einer Zuwendung von unter 320.000 Euro muss der Film künftig mit mindestens 25 Kopien anstatt 15 Kopien in die Kinos gebracht werden. Für Produktionen, bei denen die DFFF-Förderung über der automatischen Förderung von derzeit 4 Mio. Euro liegt, werden wir eine Mindestzahl von 200 Kopien in die Richtlinie aufnehmen. Schließlich werden wir bei Dokumentarfilmen die Mindestkopienzahl von derzeit vier auf acht erhöhen.

Nun zu einem weiteren Thema, das filmpolitisch von großer Bedeutung ist: die Digitalisierung der Kinos. Seit dem Start der Förderprogramme meines Hauses und der FFA vor ziemlich genau einem Jahr sieht sich die FFA, die auch das Förderprogramm des BKM abwickelt, einer nicht abreißenden Flut von Anträgen gegenüber. Es ist geplant, dass mein Haus den Umrüstungsprozess auf digitales Abspiel mit insgesamt 20 Mio. Euro unterstützen wird. Die FFA wird sich in Höhe von 15 Mio. Euro beteiligen.

Sehr erfreulich ist auch, dass inzwischen alle Länder Förderprogramme aufgelegt haben. Sorge bereiten mir aber nach wie vor die Verleiher. Sie sind die größten Profiteure der Kinodigitalisierung. Vor mehr als einem Jahr haben sie mir zugesichert, dass sie sich mit mindestens 20 Mio. Euro am Umrüstungsprozess beteiligen werden. Seither wurden die Verträge für das Finanzierungskonzept zwischen Verleihern, Kinos und der FFA ausgehandelt und auch schon von einigen Verleihern unterzeichnet. Insbesondere einige große Verleiher mit US-amerikanischen Müttern sind jedoch äußerst zögerlich. Sie berufen sich zum Teil auf angeblich zeitintensive konzerninterne Abstimmungsprozesse.

Dies ist wenig überzeugend. Oder ist es etwa so, dass in diesen Unternehmen tatsächlich keine Telefone und Internetanschlüsse bestehen und alle Korrespondenz noch Wochen benötigt, um per Schiff über den Atlantik zu kommen?

Ich möchte daher nochmals an alle, insbesondere aber die großen Verleiher appellieren, ihren Worten endlich Taten folgen zu lassen. Die Kinos, die eine Umrüstung auf digitale Technik nicht aus eigener Kraft bewerkstelligen können, sind auf die Unterstützung der Verleiher angewiesen. Es kann nicht sein, dass ausgerechnet diejenigen Verleiher, die ihre Filme nach Branchenangaben bereits weitgehend nur noch in digitalem Format an die Kinos ausliefern, sich derart zögerlich verhalten.

Die Kinos, die nicht digital abspielen können, sind wegen dieser Distributionspolitik schon jetzt vor große Herausforderungen gestellt. Wir müssen unser Ziel, die flächendeckende Digitalisierung der deutschen Kinolandschaft, mit Nachdruck weiterverfolgen. Nur so können wir den Erhalt ihrer Vielfalt sichern.

Bevor ich meine "Tour d ' horizon" beende, möchte ich noch einen letzten Aspekt aufgreifen, der auch Ihnen besonders am Herzen liegen dürfte: Die Gefährdung des geistigen Eigentums. Die Rechte der Urheber und Kreativen sowie die Leistungsschutzrechte der Produzenten werden in Frage gestellt. Niemand weiß besser als Sie, die Film- und Fernsehproduzenten, wie wichtig Urheberrechte und Leistungsschutzrechte sind sowohl in ideeller als auch in wirtschaftlicher Hinsicht.

Als Kulturpolitiker setze ich mich beharrlich und mit Nachdruck für den Schutz geistigen Eigentums ein im Interesse der Kreativen, für die Kultur- und Kreativwirtschaft mit dem Produktionsstandort Deutschland und für unsere kulturelle Vielfalt. Bereits Ende 2010 habe ich mit meinem 12-Punkte-Papier "Ohne Urheber keine kulturelle Vielfalt" meine Vorstellungen präzisiert. Ich sehe mich hier mit meinem Ressort als Wegbegleiter des Bundesjustizministeriums, das für das Urheberrecht federführend zuständig ist.

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang klar sagen: Ich begrüße die Schließung bekannter Tauschbörsen und Portale, wie kino. to. Allerdings packen einzelne Maßnahmen und kleine Erfolge das Problem nicht an der Wurzel. Ich meine, dass die Politik auch hier strukturell ran muss.

Zum Schluss möchte ich mich bei Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, herzlich für die nette Pressemitteilung bedanken, die die Produzentenallianz kürzlich zu meinem 70. Geburtstag herausgebracht hat. Ich habe mich in der Formulierung "perfekte Übereinstimmung von Neigung und Pflicht" durchaus wiedergefunden.

Nun freue ich mich darauf, dabei sein zu können, wenn Artur Brauner die Ehrenmitgliedschaft der Produzentenallianz verliehen wird. Artur Brauner schreibt seit nunmehr über 60 Jahren deutsche Filmgeschichte. Vor seinem schon jetzt beeindruckenden Lebenswerk können wir uns nur verneigen.