Redner(in): Bernd Neumann
Datum: 12. Februar 2012

Untertitel: In seiner Rede würdigte Kulturstaatsminister Bernd Neumann das Studio Babelsberg als einen der wichtigsten Filmproduktionsstandorte Europas. Weiter hob er die Notwendigkeit der Sicherung des kulturellen Filmerbes hervor und wies auf die kommende Novellierung des Bundesarchivgesetzes hin.
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Rede/2012/02/2012-02-12-neumann-babelsberg.html


In seiner Rede würdigte Kulturstaatsminister Bernd Neumann das Studio Babelsberg als einen der wichtigsten Filmproduktionsstandorte Europas. Weiter hob er die Notwendigkeit der Sicherung des kulturellen Filmerbes hervor und wies auf die kommende Novellierung des Bundesarchivgesetzes hin.

Anrede,

heute vor 100 Jahren ließ die Deutsche Bioscop GmbH auf diesem Gelände die "erste Klappe" fallen. Es scheint fast wie ein Gleichnis auf die bewegte Geschichte des Studios, dass ein "Totentanz" die Filmstadt zum "Leben" erweckte der Mythos Babelsberg war geboren! Ausgehend von diesem Ort hat der deutsche Film die Welt erobert, hier liegt seine Wiege.

Von hier aus versetzte Nosferatu ein internationales Publikum in Angst und Schrecken, hier betörte Marlene Dietrich im "Blauen Engel" und hier berührte eine eigenwillige und unangepasste Frau namens Sunny die Kinozuschauer. Hier wurde in "The International" das nachgebaute Guggenheim Museum minutiös im Kugelhagel zersiebt ein Kabinettstück der Kulissenbaukunst, hier trieb Oscar-Preisträger Christoph Waltz sein Unwesen als Hans Landa in "Inglourious Basterds".

Heute ist Babelsberg eine Drehscheibe des globalisierten Filmbusiness und nach wie vor ein magischer Ort, an dem der Geist von Friedrich-Wilhelm Murnau und Fritz Lang immer noch lebendig ist und Regisseure wie Quentin Tarantino in seinen Bann zieht.

Übrigens: Von Tarantino sagt man, dass ihm das Straßenschild mit seinem Namen auf dem Studiogelände Babelsberg mehr am Herzen lag als ein Oscar in Hollywood!

Seit 100 Jahren werden hier Träume geboren, Stars geschaffen, Filme gedreht. Babelsberg, das älteste Großatelier-Filmstudio der Welt, verkörpert Glamour und Krise, Politik und Ästhetik, Kommerz und Kunst, es steht für bahnbrechende Entwicklungen in der Filmtechnik und für große Filmkunst ebenso wie für niedrigste und verabscheuungswürdigste Propaganda.

Die fünf Leben von Studio Babelsberg über fünf politische Systeme, von der Gründung in der Kaiserzeit über das Goldene Zeitalter der Filmkunst in der Weimarer Republik und durch zwei Diktaturen hindurch bis zum Neuanfang nach der Wiedervereinigung sind ein Spiegel unserer gesamtdeutschen Geschichte. Die Filmbilder, die hier entstanden sind, gehören untrennbar zu unserem kulturellen Gedächtnis!

Schon allein deshalb, weil unser kostbares Filmerbe ein Zeugnis unserer Geschichte ist, müssen wir es erhalten. Und damit meine ich nicht nur eine fachgerechte Konservierung und Archivierung, sondern vor allem auch das Ziel, das Filmerbe einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Ich habe deshalb dem Kulturausschuss des Deutschen Bundestages Mittwoch ein Konzept zur Sicherung unseres kulturellen Filmerbes vorgestellt, mit dem wir die ersten Schritte auf dem sicherlich längeren Weg der Erhaltung und Digitalisierung des umfassenden Filmerbes in Deutschland einleiten.

In einer ersten Stufe werden dem Bundesarchiv in diesem Jahr 230.000 Euro für die Digitalisierung von historischem Filmmaterial zur Verfügung gestellt, um vor allem die technischen Voraussetzungen für die zeitgemäße Sichtung von altem Filmmaterial zu schaffen und damit künftige Verwendungen in Film- und Fernsehproduktionen zu ermöglichen.

Als einen weiteren Anschub zur schrittweisen Digitalisierung deutschen Filmerbes werden zusätzlich schon in diesem Jahr sowohl der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung als auch der DEFA-Stiftung zusätzliche Mittel aus meinem Etat bereitgestellt. Diese Stiftungen zur Pflege des deutschen Filmerbes, für die der Bund eine besondere Verpflichtung sieht, haben wertvolle Filmbestände aus der Vor- und westdeutschen Nachkriegszeit beziehungsweise der ehemaligen DDR.

Der Bund hat beizeiten Vorkehrungen geschaffen, um unsere derzeit laufende Filmproduktion für die Zukunft zu erhalten.

Mit der Verpflichtung zur Hinterlegung sämtlicher geförderter Filme, die seit 2004 besteht, haben wir bereits etwa 80 bis 90 Prozent aller seither hergestellten Filme erfasst. Um einen vollständigen Überblick der Filmproduktion in Deutschland zu erhalten, werden wir im Rahmen der laufenden Novellierung des Bundesarchivgesetzes mit zusätzlichen Mitteln des BKM zunächst eine Pflichtregistrierung einführen. Im Bundesarchiv werden zurzeit die technischen Voraussetzungen dafür geschaffen. Die Novellierung des Bundesarchivgesetzes soll noch in diesem Jahr in Kraft treten.

Unbeschadet staatlicher Maßnahmen zum Erhalt des kulturellen Filmerbes sehe ich es als zwingend an, dass auch die Filmwirtschaft selbst hierzu einen maßgeblichen Beitrag leistet. Ich bin zuversichtlich, dass die Filmförderungsanstalt und somit die Filmbranche selbst sich dieser besonderen Verantwortung für das Filmerbe annehmen wird.

Meine Damen und Herren,

nach der Wiedervereinigung hat Babelsberg unter Beweis gestellt, dass es ein "Überlebenskünstler ersten Ranges" ist, wie Armin Müller-Stahl es einmal ausgedrückt hat.

Lieber VolkerSchlöndorff, es ist nun auch schon 20 Jahre her, dass Sie für fünf Jahre Studiochef von Babelsberg wurden. Dass ein Regisseur sich an so eine Aufgabe herantraute, hat es vorher nur einmal gegeben: Ernst Lubitsch bei Paramount. Sie hatten es nicht leicht die Wiedergeburt der Babelsberger Studios war durchaus schwierig und mühevoll; der Phönix wollte nicht so ohne weiteres aus der Asche.

Aber ohne Sie und Ihren Einsatz wäre die Traumfabrik vielleicht nie wieder in die Produktion gegangen wir danken Ihnen sehr!

In der Zeit vor den "Babelsberg Boys" Woebcken und Fisser wenn ich das mal so sagen darf gab es schon Erfolgsmomente: Roman Polanskis "Der Pianist", der 2002 in die Kinos kam, räumte sowohl bei den Oscars als auch in Cannes Auszeichnungen ab. Das setzt sich heute mit den zahlreichen Oscarnominierungen der letzten Jahre fort!

2004 sind Sie, lieber Herr Woebcken, lieber Herr Fisser, dann eingestiegen und die Filmproduktion hat wieder Fahrt aufgenommen. Sie kamen sozusagen zur rechten Zeit an den rechten Ort und haben es bisher hervorragend gemacht!

Kurz nach Ihrer Übernahme kam der DFFF, ohne den, das kann man wohl so sagen, der Aufstieg Babelsbergs undenkbar wäre.

Heute ist Studio Babelsberg einer der wichtigsten Filmproduktionsstandorte Europas. Doch nicht nur Geld zieht heute wieder viele namhafte Produzenten hierher, sondern auch hervorragende Produktionsbedingungen. Wo gibt es das noch, dass alles sozusagen aus einer Hand kommt: Vom Kostüm und Kulissenbau über die Vertonung durch das wunderbare Deutsche Filmorchester Babelsberg bis hin zu den Spezialeffekten!

Studio Babelsberg steht für ein globalisiertes Kino aber es steht genauso für Wertarbeit "Made in Germany" und das finde ich großartig! Der Vorleser "," Inglourious Basterds "," Anonymus "oder das gerade abgedrehte 100-Millionen-Euro-Projekt" Der Wolkenatlas " zeigen: Babelsberg lebt!

Wir haben es mit einem ganz außergewöhnlichen 100-jährigen Geburtstagskind zu tun. Es wird mit zunehmendem Alter immer dynamischer und produktiver. Es verschließt sich nie dem Geist der Zeit und es hat wie beneidenswert! mit den Jahren nicht an Attraktivität verloren, im Gegenteil.

Happy Birthday, Studio Babelsberg und alles Gute!