Redner(in): Bernd Neumann
Datum: 08. März 2012

Untertitel: "Der Schutz des geistigen Eigentums in der digitalen Welt ist für mich die größte kulturpolitische Herausforderung unserer Zeit", erklärte Kulturstaatsminister Bernd Neumann in seiner Rede zur Eröffnung des Symposiums.
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Rede/2012/03/2012-03-08-neumann-urheberrecht.html


Der Schutz des geistigen Eigentums in der digitalen Welt ist für mich die größte kulturpolitische Herausforderung unserer Zeit ", erklärte Kulturstaatsminister Bernd Neumann in seiner Rede zur Eröffnung des Symposiums.

Anrede,

der Zeitpunkt für das heutige Symposium könnte nicht besser gewählt sein. Das Urheberrecht ist auf dem besten Weg, von einem einstmals etwas abseitigen Spezialistenthema zu einer der zentralen gesellschaftlichen Fragen zu werden und das mit Recht, denn der Schutz des geistigen Eigentums in der digitalen Welt ist für mich die größte kulturpolitische Herausforderung unserer Zeit.

Mittlerweile findet eine erbitterte Auseinandersetzung über das Urheberrecht statt, die zum Teil schon demagogische Züge trägt und zwar auf beiden Seiten. Mindestens wird dadurch deutlich, dass wir wirklich im digitalen Zeitalter angekommen sind.

Kaum ein Tag, an dem wir nicht mit neuen Meldungen konfrontiert werden, die Fragestellungen des Urheberrechts in der digitalen Welt berühren und die Sie ja auch hier auf Ihrem Symposium ansprechen werden.

Ich will hier nur einige Stichworte nennen: die Schließung des illegalen Filmportals Kino. to, das Vorgehen des amerikanischen Justizministeriums gegen Megaupload unter anderem wegen schwerer Urheberrechtsverletzung, die Proteste gegen die US-Gesetzesinitiativen SOPA und PIPA sowie die europaweiten Demonstrationen gegen das ACTA-Abkommen. Am vergangenen Sonntag hat schließlich der Koalitionsausschuss beschlossen, ein Leistungsschutzrecht für Verlage einzuführen.

Im Kern geht es bei all dem um die Frage, wie viel uns Kreativität noch wert ist? Ob und wie der Schutz geistigen Eigentums im Internet erfolgen kann? Denn eins ist klar: Der Kreative, der Künstler und damit Kunst und Kultur überhaupt lebt von der Vergütung der Nutzung seines geistigen Eigentums. Wenn dies nicht mehr gewährleistet wird, entzieht man Künstlern ihre Existenzgrundlage und die kulturelle Vielfalt, die unser Land schmückt, wird nicht mehr erhalten werden können.

Gerade in Zeiten des Internets scheint eine "Gratis- und Kostenlos-Mentalität" ja weit verbreitet zu sein. Welche Auswirkungen hat also die zunehmende Digitalisierung, das Internet, auf das kulturelle Schaffen und den kulturellen Wertschöpfungsprozess? Diese Fragen wurden in der letzten Zeit schon oft gestellt und trotzdem fällt es nicht leicht, hierauf eine Antwort zu formulieren.

Die großen Chancen der Digitalisierung für die Nutzer wie auch für die Urheber wahrnehmen und zugleich die Risiken minimieren, ist daher mein Credo, um diese aktuell größte kulturpolitische Herausforderung zu bestehen. Natürlich kann nicht alles so bleiben, wie es ist.

Die Regeln der analogen Welt lassen sich nicht eins-zu-eins auf die digitale Welt übertragen. Das geltende Recht hat mit den technischen Entwicklungen nicht Schritt gehalten. Dennoch ist das Internet kein rechtsfreier Raum, in dem selbsternannte Piraten fröhlich Anarchie spielen. Dafür steht mit dem Erhalt unserer kulturellen Vielfalt zu viel auf dem Spiel.

Urheber müssen ihre Stimme erheben und ihre Interessen artikulieren entschiedener als bisher. Deshalb begrüße ich das heutige Forum außerordentlich. Wir müssen allerdings auch von den Verwertern verlangen, innovativ zu sein und attraktive Geschäftsmodelle zu entwickeln, die den neuen Bedingungen Rechnung tragen. Dafür gibt es bereits gute Beispiele in der Musikindustrie, wie ich bei meinem kürzlichen Besuch auf der MIDEM festgestellt habe.

Es ist positiv zu bewerten, wenn immer mehr Bezahlmodelle für legale Downloads entstehen. Mir geht es aber in erster Linie um die Urheber. Debatten um das geistige Eigentum werden nämlich allzu häufig abstrakt geführt.

Viel wird über das Urheberrecht gesprochen, meines Erachtens viel zu wenig über die Urheber selbst. Dabei geht es um Menschen, die von ihrer kreativen Arbeit leben müssen! Was manche mit einem verharmlosenden Unterton als "Internetpiraterie" abtun, betrifft im Kern das Schicksal von hunderttausenden Kreativen.

Kreative Arbeit ist keine Freizeitbeschäftigung, sondern "Broterwerb" für bildende Künstler, für Cutter, Kameraleute, Regisseure, Orchestermusiker, Journalisten, Komponisten und Textdichter, für Schriftsteller, Autoren, Übersetzer, Schauspieler, Designer, Filmschaffende, Fotografen, und viele, viele mehr.

Dass wir heute von einer auch im internationalen Vergleich höchst erfolgreichen Kultur- und Kreativwirtschaft in Deutschland sprechen können, ist vor allem ein Verdienst derer, die mit ihrer kreativen Arbeit den Grundstock der Wertschöpfungskette legen. Als Staatsminister für Kultur und Medien ist es meine Aufgabe, die Rahmenbedingungen für das kreative und künstlerische Schaffen mitzugestalten.

Und hierbei verstehe ich mich ganz klar als Anwalt der Kreativen! Aus diesem Grund habe ich mich schon vor über einem Jahr mit meinem 12-Punkte-Papier "Ohne Urheber keine kulturelle Vielfalt" öffentlich positioniert.

Die zentrale Aussage des Papiers lautet: Der Urheber ist und bleibt Ausgangspunkt des Urheberrechts unbeschadet der Interessen der Nutzer, die wir natürlich auch im Auge haben müssen. Viele betrachten das Urheberrecht als ein Instrument von gestern, aus der analogen Welt. Ich setze mich gegen Versuche ein, das Urheberrecht zu schwächen oder in ein Nutzerrecht umzudeuten.

Richtig ist sicher, dass das weltweite Netz Zugangsmöglichkeiten revolutioniert und auch die Kultur gottseidank! dadurch für viele Millionen Menschen mehr erreichbar wird. Aber: Das darf nicht auf Kosten derjenigen erfolgen, die kreative Werte schaffen und damit überhaupt erst den Inhalt produzieren, der das Netz attraktiv macht.

Ich möchte in diesem Kontext auch gerne einmal etwas klarstellen: Die Netzaktivisten mahnen an, dass auch im Internet Grund- und Menschenrechte der Nutzer zu beachten sind. Da haben sie natürlich recht. Niemand bestreitet das. Aber, und nur so wird das Bild komplett: Auch das Urheberrecht ist Grund-und Menschenrecht.

So heißt es in Artikel 27 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen von 1948 ich zitiere: "Jeder hat das Recht auf Schutz der geistigen und materiellen Interessen, die ihm als Urheber von Werken der Wissenschaft, Literatur oder Kunst erwachsen".

Im Koalitionsvertrag haben wir ausdrücklich festgelegt ich zitiere wörtlich: "Wir werden das Urheberrecht entschlossen weiterentwickeln mit dem Ziel, ein hohes Schutzniveau und eine wirksame Durchsetzbarkeit des Urheberrechts zu gewährleisten. Um dieses Ziel zu erreichen, werden wir zügig die Arbeit an einem Dritten Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft (" Dritter Korb ") aufnehmen. Wir werden unter Wahrung des Datenschutzes bessere und wirksame Instrumente zur konsequenten Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen im Internet schaffen."

Für den Vollzug dieser Vereinbarung ist federführend die Justizministerin zuständig, von der schon seit längerem ein Vorschlag zum so genannten 3. Korb erwartet wird. Das internationale Abkommen wie ACTA ist aus meiner Sicht grundsätzlich der richtige Ansatz, denn mit diesem Abkommen werden im Prinzip die bereits in Deutschland bestehenden Regeln zur internationalen Grundlage gemacht.

Deshalb verstehe ich die Aufregung nicht, zumal das Justizministerium das ACTA-Abkommen jahrelang mit begleitete und wir es im Bundeskabinett beschlossen haben. Das Parlament und damit auch der Kulturausschuss wurde im üblichen Verfahren durch die EU Kommission informiert. Der Vorwurf von Außenstehenden, das ganze sei nicht transparent genug vermittelt worden, mag zutreffen. O.K. dann muss man das eben nachholen. Aber wichtig ist, dass man nicht zugleich das Kind mit dem Bade ausschüttet.

Die meisten von Ihnen kennen die Vorschläge in meinem Zwölf-Punkte-Papier, das ja auch ins Netz gestellt wurde und das Sie legal von meiner Website herunterladen können der Urheber stellt auch keine weiteren Ansprüche! In diesem Papier wird von mir auch ein Warnhinweismodell bei illegalen Downloads vorgeschlagen. Ich kann nicht nachvollziehen, warum bereits warnende Hinweise abgelehnt und bekämpft werden.

Natürlich müssen dabei die Vorgaben von Verfassungsrecht und Datenschutz beachtet werden. Technische Maßnahmen wie etwa die Drosselung oder gar die Abschaltung des Internetzugangs bleiben für mich allerdings Tabu.

Ich begrüße in diesem Zusammenhang die vom Bundeswirtschaftsministerium kürzlich vorgelegte Studie zu Warnhinweismodellen in Europa. Die Studie zeigt, dass ein Warnhinweismodell in verfassungskonformer Weise möglich ist. Wichtig ist mir, dass auch Ansätze zur freiwilligen Selbstregulierung weiter verfolgt werden, bei der Provider Verantwortung wahrnehmen können.

Langfristig dient der bessere Schutz des geistigen Eigentums ja auch den Providern selbst. Denn wer hätte schon ernsthaftes Interesse an einem Internet, das ohne kreative Schöpfungen kaum mehr ist als eine inhaltsleere Technik? Dies führt mich zu meinem nächsten Punkt, dem Leistungsschutzrecht.

Presseerzeugnisse sind besonders im Internet noch nicht hinreichend geschützt. Deshalb hat die Koalition am vergangenen Wochenende einen Regelungsvorschlag für ein Leistungsschutzrecht beschlossen. Presseverleger müssen ein eigenes rechtliches Fundament zur Durchsetzung ihrer Rechte im Internet haben.

Es kann nicht sein, dass profitorientierte Anbieter gratis Inhalte kommerziell verwerten und nur darum geht es. Der Beschluss der Koalition vom Wochenende ist auch deshalb wichtig, weil er deutlich macht, dass die Bundesregierung geistiges Eigentum schützen will.

Zum Abschluss: ich sage Ihnen zu, dass ich mich als Kulturstaatsminister weiter mit Nachdruck für die Urheber und die Kulturschaffenden einsetzen werde dabei aber selbstverständlich auch die Interessen der Nutzer nicht aus den Augen verliere. In diesem Sinn danke ich den Veranstaltern für die Organisation des Symposiums und wünsche allen Beteiligten eine anregende Veranstaltung.