Redner(in): Angela Merkel
Datum: 24. Mai 2013

Untertitel: in Prora/Rügen
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Rede/2013/05/2013-05-24-merkel-ruegen.html


In Prora / Rügen

Sehr geehrter Herr Brickwedde,

sehr geehrter Herr Bayerköhler,

liebe Herren Minister aus dem Lande, Herr Backhaus und Harry Glawe,

sehr geehrter Herr Landrat,

sehr geehrter Herr Bürgermeister,

liebe Gäste dieser Veranstaltung

und alle, die zu diesem Projekt beigetragen haben,

ich freue mich, heute hier dabei zu sein. Angesichts der Tatsache, dass sich dieses Projekt auch noch in meinem Wahlkreis befindet, freue ich mich natürlich doppelt. Ich darf Sie beglückwünschen zu diesem "Naturerbe Zentrum", das hier in Prora eingeweiht wird das ist eine tolle Sache. Es ist das Ergebnis einer Kombination aus mehreren Glücksfallen. Der erste Glücksfall ist die historische Entwicklung. Denn nach dem Fall der Mauer wurden Flächen, die sehr lange unzugänglich waren, auch frei für zivile Nutzungen. Auch der zweite Glücksfall liegt schon mehr als 20 Jahre zurück. Damals wurde die Bundesstiftung Umwelt mit einem beachtlichen Stiftungsvermögen gegründet. Auch das war eine Sternstunde bundespolitischer Entscheidungen.

Aber es ist eben selten Glück allein; vielmehr stehen dahinter auch Menschen, die etwas gewollt haben, die etwas sehr bewusst entschieden haben. Und daraus lieber Herr Brickwedde, das sage ich auch mit Blick auf Sie und alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Bundesstiftung Umwelt, wurde auch etwas gemacht. Weitsichtige Akteure haben wichtige Vorarbeiten geleistet die DBU genauso wie der Naturschutzring und damit dieses Naturerbe-Konzept möglich gemacht.

Sie haben soeben die Koalitionsvereinbarung von 2005 zitiert. Ich freue mich, dass das darin Beschlossene wirklich vorangeht und die Versprechungen eingehalten wurden. Sie haben schon erwähnt, dass an den Flächenübertragungen weiter gearbeitet wird. Diese Entscheidungen müssen jeweils auch nicht nur von der Bundesregierung, sondern auch vom Deutschen Bundestag mitgetragen werden. Es ist natürlich so, dass es dort neben den Umweltpolitikern auf der einen Seite auch noch den Haushaltsausschuss auf der anderen Seite gibt. Wenn sich die Entscheidungen dort zusammenführen lassen, dann ist das natürlich sehr, sehr gut.

Hier werden nun Beschäftigte in einem wunderbaren Projekt arbeiten können, die mit der Liegenschaft bestens vertraut sind. Deshalb sind sie auch bei der Flächenentwicklung hier mit einbezogen worden. Die Bundesstiftung Umwelt ist zum Glück nicht nur bereit, sondern auch in der Lage, verantwortungsvoll mit einem solchen Projekt umzugehen. Wir feiern heute mit der Einweihung dieses Zentrums ein paar kleine Bauarbeiten sind noch zu leisten auch den erfolgreichen Abschluss der Umsetzung der ersten Tranche der Übertragung von Naturerbeflächen. Über die zweite Tranche haben wir eben schon gesprochen.

Die DBU braucht Partner, damit die Flächennutzung auch konkrete Gestalt annehmen kann. Daher ist es wunderbar, dass die Erlebnis Akademie hier ihr Know-how mit einbringt. Ich möchte mich bei allen Beteiligten auch bei den Architekten, bei den Bauleuten für dieses wirklich herausragende Gemeinschaftswerk bedanken. Es ist ja doch ein langer Weg zwischen einem abstrakten Konzept der Nutzung von Flächen bis zur praktischen Umsetzung. Dieser Weg vom abstrakten Naturschutz zum konkreten, greifbaren Naturschutz ist hier aber gelungen.

Wir wissen ja, dass es mit dem Naturschutz so eine Sache ist. Allgemein gefragt, ob Sie dafür sind, wird natürlich kaum einer sagen: Ich bin dagegen. Das ist auch erst einmal ein guter Ausgangspunkt. Aber wenn es darum geht, Natur und wirtschaftliche sowie zivile Nutzung in Einklang zu bringen, dann ergibt sich doch eine Vielzahl von Schwierigkeiten. So müssen wir auch immer wieder dafür werben, dass die Menschen mitziehen, wenn es darum geht, schonend mit Naturflächen umzugehen, Planungs- und Baurecht im Sinne der Nachhaltigkeit durchzuführen, die Waldstrategie zu verstehen und zu begreifen, was die Nationale Meeresstrategie bedeutet. Natürlich pochen auch Landwirte auf Nutzungsmöglichkeiten. Dafür, das alles zusammenzubringen, sind auf der einen Seite diejenigen, die Strategien und Leitlinien entwickeln, verantwortlich. Aber aus Absichtserklärungen müssen auch Taten folgen; und diese Taten müssen dann auch von den Menschen mitgetragen werden.

Wir haben noch Etliches im Bereich Naturschutz zu tun. Gerade auch beim Flächenverbrauch sind wir in Deutschland bis jetzt alles andere als vorbildlich. Wir haben uns aber das Ziel gesetzt, bis 2020 mindestens zwei Prozent der gesamten Landesfläche und fünf Prozent der Waldfläche als Wildnis der Natur zu überlassen. Doch das ist durchaus umstritten. Wir müssen aber vor allem deshalb noch mehr tun, weil wir eigentlich jeden Tag mehr Flächen verbrauchen und es noch nicht geschafft haben, unser Wirtschaftswachstum vom Flächenverbrauch zu entkoppeln. Wir sind gegenüber der Zeit, als ich Umweltministerin war, besser geworden; aber als ein sehr dicht besiedeltes Land sind wir nach wie vor auf einem Pfad, der noch nicht voll dem Prinzip der Nachhaltigkeit entspricht. Das Ziel, zwei Prozent der gesamten Landesfläche in Wildnis zu überführen, ist ein ehrgeiziges Ziel wir sind heute bei 0,7 Prozent der Landfläche.

Die Nutzungskonkurrenz nimmt zu. Jeder, der sich einmal mit dem Thema Ausbau der erneuerbaren Energien befasst hat, weiß, dass neben den Ausgleichsflächen, die wir im Baurecht brauchen, nunmehr auch die Flächennutzung für erneuerbare Energien dazukommt, sodass das Rangeln um die Flächen eher zugenommen als abgenommen hat.

Es stellt sich natürlich auch die Frage, auf wen das Ganze verteilt und konzentriert wird. Wir haben in Deutschland sehr unterschiedliche Bevölkerungsentwicklungen. Wir haben zum Teil Zuwachs unter anderem in den südlichen Bundesländern, wir haben aber auch erhebliche demografische Herausforderungen zum Beispiel hier in Mecklenburg-Vorpommern. Das darf nun aber nicht dazu führen, dass wir in den ländlichen Gebieten überhaupt keine gewerbliche Ansiedlung mehr möglich machen, denn das würde die Flucht aus den ländlichen Gebieten nur fördern. Insofern weiß ich als Abgeordnete des hiesigen Wahlkreises, dass wir immer auch vernünftig vorgehen müssen und nicht auf Infrastrukturbauten und Ähnliches verzichten können.

Bei all diesen Herausforderungen ist es aber auch wichtig, Verständnis bei den Menschen zu wecken, wenn es um die Frage geht: Was braucht die Natur was braucht die Fauna, was braucht die Flora? Da, so glaube ich, erweist sich die Akademie als ein riesiger Glücksfall. Wenn ich mir in den Prospekten anschaue, was in Zukunft möglich sein wird, komme ich zu dem Schluss, dass das Verständnis für das, was vor sich geht, sehr stark zunehmen wird.

Insbesondere hat mich die Animationsmöglichkeit angesprochen, die zeigt, was passiert, wenn man als Mensch in den Lebensraum von Tieren eindringt und sie stört. Insofern bin ich auf diesen Punkt der Ausstellung besonders neugierig. Ich finde, das ist eine ganz interessante Sache, weil man selber ein Gefühl dafür bekommen kann, wie man auf natürliche Bewohner wirkt Kraniche, Hasen, Rehe; Wildschweine scheinen sich nicht so sehr stören zu lassen, was natürlich auch davon abhängt, inwieweit sie am jeweiligen Ort schon an Menschen gewöhnt sind. Da dieser Ausstellungsteil "Eindringen in fremde Wohnungen" oder so ähnlich genannt wird, habe ich zunächst gedacht: Ist das eine Kriminalausstellung? In wessen Wohnraum will wer eindringen? Dann wurde mir aber schnell klar: Es geht um den Wohnraum unserer tierischen Mitlebewesen.

Das "Naturerbe Zentrum" ist im Übrigen auch das finde ich sehr gut barrierefrei gebaut, also auch für Menschen mit Behinderungen zugänglich.

Wir haben hier eine unglaubliche Vielfalt von Teilprojekten; das ergibt sich durch die Lage nah am Meer. Es gibt hier die Themen: Feuersteine, Offenland, Wald, Feuchtgebiete. Das lässt, glaube ich, das Herz derer, die von Artenschutz mehr verstehen als ich, höher schlagen. Insofern gibt es hier sehr viel Sehenswertes.

Ich wünsche allen, die für dieses Projekt in Zukunft Sorge tragen, und allen, die zu seiner Realisierung beigetragen haben, alles, alles Gute und sage Ihnen herzlichen Dank. Es fügt sich gut in die Landschaft ein. Es wird gewiss viele Besucher anziehen. Nach allem, was ich höre, gibt es wunderbare Ausblicke von den Bäumen herab. Insofern: Glückwunsch der Deutschen Bundesstiftung Umwelt und allen Partnern; und viel Freude den Menschen, die das "Naturerbe Zentrum" in Zukunft nutzen werden.