Redner(in): Angela Merkel
Datum: 23. Mai 2014

Anrede: Sehr geehrter Herr Mattes,sehr geehrter Herr Botschafter,meine Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Rede/2014/05/2014-05-26-rede-merkel-american-chamber.html


Ich habe ihn noch nicht gesehen, aber Fred Irwin soll auch hier sein,

Ich freue mich hier zu sein und bedanke mich für die Einladung. Ich habe auch Fred Irwin erwähnt, weil er mich so oft eingeladen hat und ich so oft "Nein" gesagt habe, weshalb ich ein bisschen ein schlechtes Gewissen habe. Da er jetzt nicht mehr Chef ist, wollte ich noch einmal sagen: Danke für die Arbeit. Aber ich denke natürlich, dass in den Händen von Herrn Mattes die Sache genauso gut läuft.

Danke dafür, dass ich zur 111. Jahrestagung der American Chamber of Commerce in Germany hier in Düsseldorf bei Ihnen sein darf. Die AmCham hat sich in diesen 111 Jahren als Glücksfall für viele amerikanische und deutsche Unternehmen erwiesen. Wenn wir 111 Jahre zurückschauen, dann führt uns das zurück zu den Anfängen des 20. Jahrhunderts. 2014 ist ohnehin ein Jahr bedeutender Gedenktage. Zum Beispiel begann vor 100 Jahren, also 1914, der Erste Weltkrieg.

Ich sage in diesen Tagen, in denen wir uns im Europawahlkampf befinden, immer wieder zu den Menschen auf den Plätzen: Viele Bürgerinnen und Bürger erreichen heute das 100. Lebensjahr. Ich schreibe ihnen dann, wenn sie CDU-Mitglieder sind, als Parteivorsitzende einen Brief. An dieser Stelle wird regelmäßig gelacht. Ich darf Sie aber beruhigen: Diejenigen, die nicht CDU-Mitglieder sind, bekommen einen Brief vom Bundespräsidenten. Das ist die Aufgabenteilung. Es lohnt sich also, 100 zu werden. Sie bekommen in jedem Fall einen Brief oder zwei Briefe. Ich weiß nicht, wie es bei der SPD ist, ob sie dort auch Briefe schreiben.

Um wieder zum Ernst zurückzukommen man muss sich das einmal vorstellen, in welchem Jahr diese Menschen geboren wurden: ihre ersten vier Lebensjahre haben sie im Krieg verlebt; als sie 25 Jahre alt waren, begann der Zweite Weltkrieg. In beiden Weltkriegen standen sich Amerikaner und Deutsche als erbitterte Feinde gegenüber. Umso bemerkenswerter ist es, dass die Vereinigten Staaten den Großmut bewiesen und sich auch die Weitsicht zugetraut haben, nach den Schrecken dieser Kriege und dem Zivilisationsbruch der Shoah unserem Land, Deutschland, wieder den Weg in die Völkergemeinschaft zu ebnen. Amerika hatte entscheidenden Anteil daran, dass sich die alte Bundesrepublik zu einer lebendigen Demokratie entwickeln konnte. Ich sage dies heute, am 23. Mai, unserem Verfassungstag, an dem wir an 65 Jahre Bundesrepublik Deutschland denken.

Am 9. November werden wir den 25. Jahrestag des Falls der Mauer haben. Amerika stand auch an der Seite aller Deutschen in West und Ost, als sich 1989/90 die Chance zur Deutschen Einheit bot. Deshalb, meine Damen und Herren, möchte ich sagen: Das werden wir den Amerikanern nicht vergessen. Sie haben uns Vertrauen entgegengebracht. Das ist nicht nur allein mit strategischen Erwägungen begründbar. Nein, dieses Vertrauen nährte sich aus Überzeugungen und Werten, die wir teilen, aus vielfältigen Kontakten und Verbindungen, die es zwischen unseren Ländern und zwischen den Menschen gab und gibt. Dabei kommt natürlich auch den Wirtschaftsbeziehungen eine zentrale Bedeutung zu.

Die AmCham hat sich über die Jahrzehnte hinweg als stabiler Brückenpfeiler, als außerordentlich wichtiger Mittler zwischen der deutschen und amerikanischen Wirtschaft etabliert. Sie begleitete unzählige Unternehmen aus unseren beiden Ländern mit Rat und Tat. Die Wirtschaftsdaten künden ja nun wirklich von einer Erfolgsgeschichte, die wir in den nächsten Jahren vielleicht noch mehr unter die Leute bringen müssen. Das deutsch-amerikanische Handelsvolumen belief sich 2013 auf rund 137 Milliarden Euro. Der Bestand der US-amerikanischen Investitionen in Deutschland wuchs auf über 50 Milliarden Euro an. Damit stammt über die Hälfte aller außereuropäischen Investitionen am Standort Deutschland aus den USA. Amerikanische Unternehmen beschäftigen hierzulande 800.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Diese Zahlen spiegeln das große Vertrauen der amerikanischen Wirtschaft in den Standort Deutschland wider. Das Business Barometer, das die AmCham regelmäßig erstellt, untermauert diesen Eindruck. Demnach ist unser Land aus Sicht amerikanischer Unternehmen der mit Abstand attraktivste Standort in Europa.

Dies kommt das sage ich auch etwas selbstbewusst nicht von ungefähr, denn Deutschland hat sich unter den großen Industrieländern am schnellsten von der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise erholt. Wir gelten als Stabilitätsanker und Wirtschaftsmotor in Europa und auch darüber hinaus. Ausländische Investoren wissen, worauf sie in Deutschland zählen können: vor allen Dingen auf hochqualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, leistungsfähige Zuliefernetzwerke, attraktive Rahmenbedingungen für Forschung und Entwicklung und eine doch im Großen und Ganzen exzellente Infrastruktur.

Um private Investitionen insgesamt zu stärken, wird die Bundesregierung auch weiterhin ein besonderes Augenmerk auf gute Standortbedingungen hierzulande legen. Deshalb haben wir sehr viel Wert darauf gelegt, dass keine Steuern für Unternehmen erhöht werden. Wir verpflichten uns, dem Abbau bürokratischer Hürden auch weiterhin große Aufmerksamkeit zu widmen.

Auch im Verlauf der Energiewende achten wir auf die Attraktivität des Standorts Deutschland. Sicherlich ist es auch angesichts der Anwesenheit des CEO von Dow sehr wichtig, auf die Attraktivität des Standorts Deutschland in Bezug auf die Energieversorgung hinzuweisen. Auch Herr Mattes achtet natürlich darauf und viele andere von Ihnen ebenso. Aber wenn ich den Chef von Dow sehe, dann weiß ich gleich, was sich bei diesem Thema in seinem Kopf abspielt.

Meine Damen und Herren, wir wissen, dass wir uns in einem scharfen Wettbewerb befinden, wenn wir uns die Entwicklung der Energiepreise in den Vereinigten Staaten von Amerika ansehen, die sich in den letzten Jahren ergeben hat. Wir verfolgen das sehr aufmerksam und werden deshalb noch mehr Aufmerksamkeit auf die Frage bezahlbarer Energiepreise hierzulande lenken. Heute hat im Bundesrat, also in der Länderkammer, die erste Lesung zum neuen EEG-Gesetz stattgefunden, mit dem wir ein besonderes Augenmerk auf die energieintensive Industrie legen. Wir haben intensive Diskussionen mit der Europäischen Kommission geführt, um für sie, wie ich glaube, akzeptable Bedingungen zu erreichen. Aber wir wissen, welch großes Maß an Arbeit noch vor uns liegt.

Natürlich ist auch vor dem Hintergrund der aktuellen außenpolitischen Konstellation die Frage der Diversifizierung unserer Energiequellen in Europa ein zentrales Thema. Ich wünsche mir, dass wir hierbei auch mit den Vereinigten Staaten von Amerika angesichts der neueren Entwicklungen zu einer engeren Zusammenarbeit kommen. Die Signale hierfür sind nach meinem Besuch in den Vereinigten Staaten von Amerika durchaus positiv.

Meine Damen und Herren, ich werbe natürlich auch dafür, die Vorteile der erneuerbaren Energien zu sehen: Sie dienen nicht nur dem Klima- und Umweltschutz, sie machen uns nicht nur unabhängiger von Öl- und Gasimporten, sondern sie bringen auch ein großes Innovationspotential und die Chancen neuer Wachstumsmärkte mit sich.

Neben der Sorge um die Zukunft der Energieversorgung gibt es gleichzeitig die Sorge um den wichtigsten Rohstoff unseres Landes: Wissen, Forschung und Entwicklung. Jeder junge Mensch soll seine Begabungen und Talente entfalten können und möglichst Zugang zu guter Bildung und Ausbildung haben.

Es gibt einen weiteren gravierenden Unterschied zu den Vereinigten Staaten von Amerika: Es gibt eine demografische Veränderung unserer Bevölkerung, die für die nächsten Jahrzehnte vorgezeichnet ist. Das heißt, wir müssen sehr darauf achten, keinen jungen Menschen zurückzulassen, wenn es um Bildung geht, und jedem gute Chancen einräumen. Ich darf Ihnen berichten, dass wir inzwischen, gerade auch was die Hochschul- und Fachhochschulausbildung anbelangt, einen Riesenschritt vorangekommen sind, auch durch eine gute Kooperation von Bund und Ländern. Als ich im Jahr 2005 Bundeskanzlerin wurde, hat etwa ein Drittel eines Jahrgangs ein Hochschulstudium aufgenommen. Heute sind es über 50 Prozent eines Jahrgangs. Wir müssen uns deshalb schon fast Sorgen machen, dass die zweite Säule unseres Ausbildungssystems, nämlich die duale Berufsausbildung, nicht zu kurz kommt. Deshalb werden wir in dieser Legislaturperiode viel Kraft darauf verwenden, den Ausbildungspakt weiterzuentwickeln und die Berufsausbildung weiter attraktiv zu halten, denn es wäre ein Treppenwitz der Geschichte, wenn gerade in dem Moment, in dem ganz Europa erkennt, welche Vorzüge die duale Berufsausbildung hat, sie nun ausgerechnet in Deutschland schwächeln würde.

Meine Damen und Herren, auch amerikanische Unternehmen schätzen das hohe Niveau der beruflichen Bildung in Deutschland. Ihnen allen, die Sie im Bereich Berufsausbildung sehr aktiv sind, bin ich dankbar. Wir akzeptieren auch, wenn Sie manches von der guten Berufsausbildung nach Amerika transferieren aber bitte nicht gleich die ganze Fabrik mit transferieren, sondern schön sozusagen weiter voneinander lernen und weiter kooperieren. Wir hören natürlich vom Trend der Reindustrialisierung alles prima; aber alles bitte in Maßen. Wir wollen auch weiterhin unseren Anteil daran haben und werden auch alles dafür tun.

Investitionen in Bildung und Ausbildung sind Investitionen in die Zukunft. Wir sind sehr darum bemüht, verlässliche Rahmenbedingungen im gesamten Bereich Forschung zu haben. Wir haben uns in Europa vor Jahr und Tag das war, glaube ich, bereits im Jahr 2000 das Ziel gesetzt, drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Forschung und Entwicklung auszugeben. Das haben wir jetzt in Deutschland nahezu geschafft: Wir sind bei 2,98 Prozent. Zwei Drittel davon sind Ausgaben der Wirtschaft, ein Drittel entfällt auf Bund und Länder. Der Bund übernimmt hierbei einen erheblichen Anteil.

Wir freuen uns, dass sich Deutschland durch die Langfristigkeit und Planbarkeit der Rahmenbedingungen gerade auch in der außeruniversitären Forschung zu einem attraktiven Forschungsstandort entwickelt hat. Wir werden auch einiges in Zukunft dafür tun, damit außeruniversitäre und universitäre Forschung in Deutschland besser zusammenwirken können, damit wir Cluster-Wirkungen haben, wie wir sie zum Teil auch in den Vereinigten Staaten von Amerika sehen. Wenn man an der Weltspitze sein will, muss man das in Zukunft auch so gut hinbekommen.

Meine Damen und Herren, ein weiteres Thema, das mit Zukunftsvorsorge verbunden ist, ist die Frage des Einklangs von Ausgaben und Einnahmen im öffentlichen Haushalt. Darüber führen wir oft eine auch durchaus spannungsgeladene Diskussion mit unseren Freunden in den Vereinigten Staaten von Amerika. Ich weise bei dieser Gelegenheit auf zwei Umstände hin und werbe hierbei um Verständnis.

Der erste Punkt ist, dass Deutschland, jedenfalls absehbar, eine völlig andere demografische Entwicklung vor sich hat als die Vereinigten Staaten von Amerika. Wir haben inzwischen sehr zugelegt, was die Attraktivität für die Zuwanderung von gut ausgebildeten Facharbeitern und Hochschulabsolventen angeht. Nach den Vereinigten Staaten von Amerika ist Deutschland im Augenblick das zweitattraktivste Land in Sachen Zuwanderung. Das waren wir lange Zeit nicht. Wir hatten bei qualifizierten Kräften lange Zeit mehr Abwanderung als Zuwanderung. Aber wir müssen auf die Demografie Rücksicht nehmen. Auch deshalb dürfen wir unsere Gesamtverschuldung nicht immer weiter erhöhen, denn ansonsten werden wir uns immer mehr Spielräume für Investitionen in der Zukunft verbauen.

Der zweite Punkt: Wir leben in der Europäischen Union und auch in einem Währungsverbund. Solange es keine Vergemeinschaftung der Verantwortlichkeiten gibt diese haben wir nicht; und diese steht uns auch nicht ins Haus, solange ist auch die Notwendigkeit des Einhaltens gemeinsamer Spielregeln absolut wichtig. Das macht einen erheblichen Unterschied zwischen dem Euro-Währungsgebiet und zum Beispiel den Vereinigten Staaten von Amerika aus. Für uns ist es sehr wichtig, Solidität, Stabilität und Berechenbarkeit bei den Neuverschuldungen für alle EU-Euroländer zu haben. In Deutschland haben wir uns vorgenommen, im nächsten Jahr einen ausgeglichenen Haushalt zu haben. Es bleibt dann immer noch eine hohe Gesamtverschuldung. Aber wir zeigen der zukünftigen Generation wenigstens, dass wir nicht immer weiter zu Lasten der Zukunft leben wollen.

Meine Damen und Herren, wir haben natürlich im Auge, dass wir erheblich mehr investieren und für Wachstum tun müssen. Deshalb sind neben den notwendigen Investitionen in die Infrastruktur, wobei unsere Planungen für diese Legislaturperiode sicherlich nur ein erster Schritt sein können, etwa auch die Attraktivität des Arbeitsmarkts sowie unsere Handelsbeziehungen als Exportnation wichtige Fragen.

Damit komme ich zu einem Projekt für die nächsten Jahre, das mit Sicherheit auch von der AmCham mit aller Kraft begleitet wird. Ich möchte mich dafür bei Ihnen bedanken. Wir haben bereits während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft die ersten Schritte für eine intensivere transatlantische Wirtschaftspartnerschaft eingeleitet. Wir haben damals sehr darauf geachtet, nicht nur tarifäre Handelshemmnisse ins Auge zu nehmen, sondern auch die nicht-tarifären Handelshemmnisse zwischen unseren beiden Märkten. Wir wollen ich sage das für die Bundesregierung ein Transatlantisches Handels- und Investitionspartnerschaftsabkommen schließen. Wir wissen auch, wie das Zeitfenster dafür gesteckt und gestrickt ist. Es gibt gute Gründe, zu versuchen, im Laufe des nächsten Jahres damit fertig zu werden. Sie alle sehen aber, welche Vorurteile es gibt. Deshalb wird es sehr, sehr wichtig sein, dass wir die richtige Balance finden dass wir für Transparenz sorgen und uns der gesellschaftlichen Diskussion stellen, uns gleichzeitig aber unsere Verhandlungsposition nicht zerstören.

Das Abkommen wird von der Europäischen Union mit dem Mandat, das ihr die Mitgliedstaaten gibt, verhandelt. Es gibt eine Vielzahl von Vorurteilen und Befürchtungen, die man zu großen Teilen sehr gut entkräften kann. Das Chlorhühnchen ist auf der deutschen Seite sozusagen zum Symbol geworden. Ich weiß nicht, ob der französische Schimmelpilzkäse schon eine ähnliche Berühmtheit in den Vereinigten Staaten von Amerika erlangt hat. Wir haben, glaube ich, auf beiden Seiten verstanden, dass das Chlorhühnchen in Europa keine Akzeptanz finden wird. Wir müssen den Menschen immer wieder versichern, dass gentechnisch veränderte Lebensmittel auch künftig unbedingt gekennzeichnet sein müssen. Das ist heute schon so; und daran wird sich überhaupt nichts ändern. Das heißt, wir müssen meiner Meinung nach jetzt einmal ein paar Dinge aufschreiben und immer wieder benennen, die gar nicht passieren werden, weil es sonst immer wieder die Sorge gibt, dass sie passieren würden. Nicht alles, was nicht im Verhandlungsmandat steht, kann passieren, sondern manches ist einfach nicht aufgeschrieben, weil man schon wusste, dass man darüber gar nicht zu sprechen braucht.

Wenn wir eine solche Negativliste haben und sagen "das wird nicht so sein; darum geht es nicht" und versichern, dass wir hohe Umweltschutz- und Verbraucherschutzstandards haben wollen, dann wird die zweite Aufgabe darin bestehen, mit lebendigen und praxisnahen Beispielen darüber zu sprechen, worum es denn eigentlich geht. Als ich kürzlich in Washington war, habe ich darüber gesprochen, dass zum Beispiel Kabelbäume jeweils neu entwickelt und neu getestet werden müssen; es gibt das Beispiel der Blinklichter an Autos, die einmal rot und einmal orange sein müssen, ohne dass irgendjemand auf der Welt sagen könnte, dass mit rot oder mit orange ein besseres oder schlechteres Sicherheitsniveau verbunden ist. Aber es muss alles doppelt gemacht werden. Wenn man sich überlegt, dass gemeinsame Standards Doppelregulierungen, Doppelentwicklungen und Doppeltests erheblich einsparen helfen, dann muss man aber immer noch davon ausgehen, dass die, die heute von den Tests leben, nicht glücklich sind. Aber zumindest die, die heute das Geld für die Tests ausgeben, sollten auf unserer Seite sein, weil sie in Zukunft dieses Geld für Innovation, Forschung und andere wichtige Dinge ausgeben könnten.

Da wir zusammen nun mit Sicherheit eine Riesenmarktmacht entfalten, da es uns schon seitens der Europäischen Union gelungen ist, ein Freihandelsabkommen mit Kanada und eines mit Südkorea zu verhandeln, da wir in relativ ruhigen Verhandlungen mit Japan sind, da wir mit Indien recht weit sind, da die Vereinigten Staaten von Amerika mit dem pazifischen Raum Freihandelsabkommen verhandeln, da China und Indonesien eines haben und China sogar schon Freihandelsabkommen mit der Schweiz und mit Island in Europa hat, wäre es wirklich wichtig, dass auch wir mit diesen beiden großen und so eng verbundenen Märkten zu einer solchen Übereinkunft kommen würden, weil dies für unsere gesamte wirtschaftliche Entwicklung einer der kostengünstigsten Wachstumsimpulse wäre, die man sich vorstellen kann.

Ich habe soeben über nicht-tarifäre Hemmnisse gesprochen. Da gibt es im Übrigen auch mit Blick auf neue Gebiete eine große Notwendigkeit. Wir haben uns zum Beispiel in Bezug auf die Nanotechnologie überlegt, gar nicht erst unterschiedliche Standards aufkommen zu lassen. Aber es gibt auch eine Reihe bestehender tarifärer Hemmnisse. Zum Beispiel zahlt die deutsche Automobilbranche rund eine Milliarde Euro an Zöllen im transatlantischen Handel. Wenn man davon wegkäme, könnte man mit dieser erheblichen Summe etwas anderes machen.

Mein Plädoyer an Sie, die Sie mit Ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Gespräch sind: Lassen Sie uns offen darüber diskutieren. Es wird keinen Zweck haben, irgendwelche Vorurteile unter den Tisch zu kehren, sondern wir müssen sie offen aufnehmen. Ich glaube, wir haben gute Gründe und Möglichkeiten, das zu tun.

Meine Damen und Herren, die Transatlantische Investitions- und Handelspartnerschaft ist ein Projekt, das nach Ende des Kalten Krieges unsere gesamte Partnerschaft wieder beleben und ihr mehr Praxisbedeutung verleihen könnte, denn die vielen hunderttausend und Millionen von Soldaten aus den Vereinigten Staaten von Amerika, die wir in Deutschland über die Verantwortung als ehemalige Alliierte kennengelernt haben, wird es ja so nicht mehr geben. Dadurch wird es natürlich weniger Kontakte geben. Umso wichtiger ist es, dass wir auch künftig wirklich zusammenstehen. Ich bin trotz aller Unterschiede, die wir bei den Diskussionen über den Datenschutz und das Thema NSA hatten und auch noch haben, immer der Meinung: Die Vereinigten Staaten von Amerika sind für uns und für ganz Europa unabdingbar ein wichtiger und wirklich guter Partner, weil uns gemeinsame Werte einen. Wir sehen das ja auch im Hinblick auf viele internationale Herausforderungen sei es das iranische Nuklearprogramm, der Nahost-Friedensprozess oder die Krise in der Ukraine.

Ich hoffe, dass die Präsidentschaftswahlen in der Ukraine am Sonntag frei und möglichst fair ablaufen können, so wie es für uns in Europa ganz selbstverständlich ist, am Sonntag ein neues Europäisches Parlament wählen zu können. Trotzdem möchte ich Sie bitten: Nehmen Sie auch diese Europäische Union nicht als selbstverständlich an. Auch für sie muss immer wieder gearbeitet werden. Die Europäische Union ist unsere Zukunft. Der europäische Binnenmarkt ist auch für den großen amerikanischen Markt ein absolut interessanter Kooperationspartner. Deutschland exportiert viel in die Vereinigten Staaten von Amerika, aber wir leben eben auch stark von den Exporten innerhalb Europas. Fast 60 Prozent der deutschen Exporte fließen in andere Länder der Europäischen Union.

Meine Damen und Herren, gemeinsam können wir in der Welt und für die Welt viel erreichen, viel mehr als jeder für sich allein. Wir, die Europäische Union, Deutschland und auch die Vereinigten Staaten von Amerika sehen uns einem zunehmenden internationalen Wettbewerb gegenüber. Wir sehen uns vielen Ländern gegenüber, die nicht von vornherein die gleiche Wertebasis mit uns teilen. Ich weiß, dass Unternehmen immer sehr pragmatisch denken und oft auch politisches Handeln etwas skeptisch sehen, wenn es zum Beispiel um Sanktionen geht. Ich sage Ihnen aber auch: In freiheitlichen Ländern gibt es ein hohes Maß an verlässlichen Investitionsbedingungen. Das ist ein großer Vorteil, den es sowohl in der Europäischen Union als auch in den Vereinigten Staaten gibt. 111 Jahre AmCham Germany sind ein wunderbarer Beleg.

Zum Schluss eine scherzhafte Bemerkung: Ich habe immer gedacht, dass man, wenn man die Zahl 111 hört, unweigerlich an den 11. 11. denken muss, an Karneval in Nordrhein-Westfalen und in Köln, Herr Mattes. Insofern hat es vielleicht seinen Sinn, dass 111 Jahre gerade hier in Düsseldorf, unweit von Köln, gefeiert werden. Ich weiß nicht, ob ich mit einer solchen Aussage einen Beitrag zum besseren Zusammenwachsen der beiden Städte leiste; jedenfalls kenne ich die Animositäten. Doch angesichts unseres hehren Ziels, ein Transatlantisches Handels- und Investitionsabkommen abzuschließen, sollten auch die kleinen Nickeligkeiten zwischen zwei Städten überwunden werden können. In diesem Sinne: Herzlichen Glückwunsch zu 111 Jahren; und auf die nächsten guten 111 Jahre.