Redner(in): Monika Grütters
Datum: 04. September 2014
Untertitel: Kulturstaatsministerin Grütters würdigte in Ihrer Rede die Arbeit der Programmkinobetreiber und Filmkunstverleiher und betonte: Man muss schon "Überzeugungstäter" sein, um dem Zeitgeist die Stirn und der Filmkunst eine Leinwand zu bieten!
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Rede/2014/09/2014-09-04-gruetters-kinoprogrammpreis.html
Kulturstaatsministerin Grütters würdigte in Ihrer Rede die Arbeit der Programmkinobetreiber und Filmkunstverleiher und betonte: Man muss schon "Überzeugungstäter" sein, um dem Zeitgeist die Stirn und der Filmkunst eine Leinwand zu bieten!
Anrede,
es ist eine schöne Tradition, dass die Auszeichnung besonderer Programmkinos und Filmkunstverleiher alljährlich vor wechselnder Kulisse stattfindet - je nachdem, wo das Spitzenpreisträger-Kino des Vorjahres beheimatet ist. Die Auszeichnung des Kinos Breitwand im Schloss Seefeld 2013 - ein echtes cineastisches Kleinod, wie wir eben gesehen haben, nur leider etwas zu klein für uns alle - hat uns mit dem Starnberger See eine ganz besondere Kulisse beschert. Damit meine ich nicht nur die außergewöhnliche landschaftliche Schönheit Oberbayerns. Vielleicht kennen Sie das Buch "Mittelreich", das 2011 erschienene Roman-Debüt des Schauspielers Josef Bierbichler, der hier in der Gegend als Sohn eines Bauernhof- und Wirtshausbesitzers aufgewachsen ist. Er entfaltet in diesem so makellos anmutenden Postkarten-Idyll aus schmucken Dörfern, sattgrünen Wiesen, erhabenen Alpengipfeln und dem glänzenden Blau des Starnberger Sees eine Familiengeschichte, die den Leser in finstere Abgründe blicken lässt.
Die Spannung, die aus dem Gegensatz zwischen heiterer Landschaftskulisse und düsteren Seelenlandschaften entsteht, macht oft auch den Stoff, aus dem die Filmkunst ist - wer wüsste das besser als Sie, die Sie sich als Verleiher und Kinobetreiber mit viel Herzblut für den künstlerisch anspruchsvollen Film engagieren!
Vermutlich wissen Sie aber auch, was der italienische Filmproduzent Carlo Ponti gemeint hat, als er einmal süffisant feststellte: "Wenn ein Film Erfolg hat, ist er Geschäft. Wenn ein Film keinen Erfolg hat, ist er Kunst." Dieses schöne Bonmot insinuiert, dass Kunst und Erfolg, Niveau und Gefälligkeit sich zwangsläufig ausschließen müssen - was allein schon durch Ihre Präsenz, liebe Programmkinobetreiber und Filmkunstverleiher, empirisch widerlegt wird. Sie alle begeistern mit einem künstlerisch ambitionierten Filmangebot ein kulturell interessiertes und intellektuell anspruchsvolles Publikum und verhelfen damit so manchem Kunstwerk zum Erfolg. Aber natürlich ist es und bleibt es ein ökonomisches Risiko, die Anbiederung an den Massengeschmack zu verweigern und nicht auf die mainstreamigen, aus gewaltigen Marketing-Budgets beworbenen Kassenschlager zu setzen, zu denen die großen Multiplex-Kinos landauf landab eimerweise ihr Popcorn verkaufen. Man muss schon "Überzeugungstäter" sein, um dem Zeitgeist die Stirn und der Filmkunst eine Bühne - oder besser: eine Leinwand - zu bieten!
Ohne solche Überzeugungstäter, wie Sie es sind, wäre es schlecht bestellt um die Vielfalt der Kino- und Filmlandschaft in Deutschland. Sie tragen maßgeblich dazu bei, dass der Film nicht nur als Wirtschaftsgut, sondern auch als Kulturgut eine Zukunft hat! Genau aus diesem Grund liegt mir die Förderung der Programmkinos und der Filmkunstverleiher sehr am Herzen. Nachdem ich mich dafür in den letzten Jahren schon als Vorsitzende des Kulturausschusses im Deutschen Bundestag immer wieder eingesetzt habe, freue ich mich, dass ich heute erstmals als Kulturstaatsministerin mit Ihnen zusammen die Vergabe der Kinoprogramm- und Verleiherpreise feiern kann!
Wir zeichnen in diesem Jahr herausragende Kinoprogramme von 196 Filmtheatern mit 341 Preisen aus - die Preisgelder ergeben eine Gesamtsumme von 1,5 Millionen Euro. Prämiert werden die Kinos für ihr allgemeines Programm, aber auch für besondere Filmangebote für Kinder und Jugendliche oder ihr Kurzfilm- und Dokumentarfilmprogramm. Auch die Verleiher, die sich um künstlerisch wertvolle Filme verdient gemacht haben, verdienen Anerkennung. Drei Verleihfirmen werden jeweils 75.000 Euro erhalten. Diese Preisgelder sind ein wichtiges Förderinstrument für das Kulturgut Film. Wir honorieren damit besondere Verdienste bei der Verbreitung künstlerisch herausragender Filme.
Darüber hinaus ist es mir im Sinne einer vielfältigen Kinolandschaft aber auch wichtig, dass alle Kinos den Sprung in die digitale Ära schaffen. Dazu haben Bund und Länder Förderprogramme aufgelegt. Diese Förderprogramme haben einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, die Bandbreite an Kinos zu erhalten - übrigens gegen den Widerstand so mancher Kinokette, die auf Marktbereinigung durch Digitalisierung gesetzt hatte. Gerade kleinere Kinos in der Fläche sind bisher leider wegen der geltenden Mindestumsatz- und Besuchergrenzen aus unserem Förderraster gefallen. Deshalb habe ich vor drei Wochen ein zusätzliches Förderprogramm in Höhe von rund 900.000 Euro aufgelegt, das insbesondere kleinere Kinos mit filmkunstorientiertem Angebot bei der Umstellung auf digitales Abspiel unterstützen soll. Das ist eine weitere Investition in die Zukunftsfähigkeit des Kulturguts Film.
Für die Filmkunst gilt, was generell für die Rolle der Kultur in unserer Gesellschaft gilt: Sie ist avantgardistisch im besten Sinn, sie darf unbequem sein, sie gehört zum kritischen Korrektiv gesellschaftlicher Entwicklungen. Wenn sie dann auch noch unterhaltsam ist, umso besser! Der Film ist ja besonders intensiv, sinnlich und emotional und erreicht damit die Herzen der Zuschauerinnen und Zuschauer. Auch deshalb ist und bleibt die Filmförderung eine starke Säule unserer Kulturförderung.
Meine Damen und Herren, was wäre eine Preisverleihung ohne die Menschen, die ehrenamtlich eine Menge Zeit opfern, um die Anträge fachkundig zu beurteilen und die Veranstaltung vorzubereiten? Bevor wir die Preisträger des Jahres 2014 küren, verdienen all diejenigen einen Applaus, die uns heute einen schönen und inspirierenden Abend bescheren!
Das sind zum einen natürlich die Jury-Mitglieder des Kinoprogrammpreises: Sie hatten 11 ( ! ) Kisten mit Unterlagen zu sichten. Das macht man nicht eben mal schnell nach Feierabend. Einige Mitglieder der Jurys zum Kinoprogrammpreis und der Jury des Verleiherpreises konnte ich in diesem Jahr neu berufen, andere widmen sich nun schon bereits im vierten Jahr dieser verantwortungsvollen und sehr zeitaufwändigen Aufgabe. Herzlichen Dank an die Jury des Kinoprogrammpreises unter dem Vorsitz von Frau Magarete Papenhoff, die aus 272 Anträgen die heutigen Preisträger vorgeschlagen hat! Aber auch die 21 eingereichten Jahresprogramme der Verleiher wollten sehr gewissenhaft geprüft werden, um drei Preisträger auszuwählen. Ich danke auch der Jury des Verleiherpreises, die sich dieser Aufgabe unter dem Vorsitz von Frau Andrea Dittgen gestellt hat.
Nicht zuletzt verdienen auch unser heutiger Gastgeber Matthias Helwig und sein Team ein herzliches Dankeschön. Sie genießen ja nicht nur hier in Starnberg den Ruf, ein "Kinoverrückter" zu sein, lieber Herr Helwig. Dieses Kompliment ist hart erarbeitet, und zwar nicht nur mit drei ausgezeichneten Programmkinos, die Sie betreiben, sondern auch mit dem weit über die bayerische Landesgrenze hinaus bekannten Fünf- Seen- Filmfestival, das Sie ins Leben gerufen haben und leiten. 17.000 Zuschauer und ein Aufgebot international bekannter, deutscher Filmschaffender wie Tom Tykwer, Edgar Reitz oder Wim Wenders sind eine besonders eindrucksvolle Widerlegung der eingangs zitierten These, wonach in der Filmbranche Kunst ist, was keinen Erfolg hat.
Die ZEIT bescheinigte dem Festival kürzlich nicht nur die gelungene Verbindung von Filmkunst, Biergartengefühlen und Sommererlebnissen, sondern lobte überschwänglich auch die Filmparty des Festivals. Ich zitiere: "Sie findet auf einem Dampfer statt, der über den Starnberger See fährt, mit einer eigens aufgebauten Kinoleinwand auf Deck. Und wenn man, wie im vergangenen Jahr, mit einem Glas Weißwein im Liegestuhl sitzt, über das spiegelglatte Wasser auf die Alpen blickt und zum leisen Stampfen des Schiffes in einem wahrhaften Technicolor-Sonnenuntergang versinkt, ( … ) , dann fragt man sich einen Augenblick, warum man eigentlich nach Cannes fährt."
So genussvoll kann Filmkunst sein, meine Damen und Herren! Wir alle werden heute in den Genuss dieser legendären Dampferfahrt kommen. Freuen wir uns also auf einen ganz besonderen Abend mit einem Hauch von Cannes!