Redner(in): Monika Grütters
Datum: 25. September 2014

Untertitel: Im Rahmen der Mitgliederversammlung des Deutschen Kulturrates, sprach Kulturstaatsministerin Monika Grütters unter anderem über den Kulturetat, geförderte Programme, Rabattverhandlungen mit Verlagen sowie über das Freihandelsabkommen.
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Rede/2014/09/2014-09-25-gruetters-dkr.html


Im Rahmen der Mitgliederversammlung des Deutschen Kulturrates, sprach Kulturstaatsministerin Monika Grütters unter anderem über den Kulturetat, geförderte Programme, Rabattverhandlungen mit Verlagen sowie über das Freihandelsabkommen.

Anrede,

Wie es sich für den Spitzenverband der Deutschen Bundeskulturverbände gehört, hat der Deutsche Kulturrat sich für seine Mitgliederversammlung ein wahrlich kulturgeschichtsträchtiges Datum ausgesucht: Vor 159 Jahren, am 25. September 1855, wurde in Dresden die Gemäldegalerie Alte Meister des Baumeisters Gottfried Semper eröffnet. Vor 120 Jahren, am 25. September 1894, wurde am Deutschen Theater Berlin Gerhart Hauptmanns berühmtes sozialkritisches Drama Die Weber uraufgeführt. Vor 112 Jahren, am 25. September 1902, wurde der berühmte Maler Mark Rothko geboren. Vor 108 Jahren, am 25. September 1906, kam der große Komponist Dmitri Schostakowitsch zur Welt.

Vor 102 Jahren, am 25. September 1912 verkündete der Börsenverein der Deutschen Buchhändler in Leipzig die Errichtung der Deutschen Bücherei, aus der die heutige Deutsche Nationalbibliothek hervorging. Und schließlich feiert heute auch noch ein Oscar-Preisträger seinen Geburtstag: Der amerikanische Schauspieler und Filmproduzent Michael Douglas wird 70 Jahre alt. Fast scheint es, als hätte der Vorstand bei der Wahl des Termins für die Mitgliederversammlung allergrößten Wert darauf gelegt, auch kulturhistorisch ein möglichst breites Themenspektrum abzudecken, meine Damen und Herren. Das nenne ich mal spartenübergreifendes, kulturpolitisches Engagement!

Herzlichen Dank für die Einladung, lieber Herr Höppner, die ich schon allein deshalb gerne angenommen habe, weil mein Haus - ebenfalls spartenübergreifend und sowohl auf politischer wie auch auf fachlicher Ebene - vertrauensvoll und partnerschaftlich mit dem Deutschen Kulturrat zusammen arbeitet. Wir schätzen es sehr, auf Ihre Expertise und Unterstützung zählen zu können. Das gilt beispielsweise für unser gemeinsames Herzensanliegen der kulturellen Bildung, aber auch für schwierige Rechtsfragen wie das Urheberrecht und natürlich für den Austausch zu den Planungen für ein transatlantisches Freihandelsabkommen.

Deshalb nutze ich gerne die Gelegenheit, Sie - anknüpfend an das gute und konstruktive Gespräch mit Vorstand und Geschäftsführung im Mai im Kanzleramt - über den Sachstand in aktuellen kulturpolitischen Fragen zu informieren und Ihre Fragen zu beantworten. Der Kulturetat 2015 ist sicher ein Thema, das Sie alle unabhängig von der Sektion, die Sie vertreten, interessiert - und aktuell ist es auch: Erst vor zwei Wochen wurde ja der Regierungsentwurf zum Bundeshaushalt 2015 in erster Lesung im Deutschen Bundestag beraten.

Wenn wir über den Kulturetat reden, meine Damen und Herren, dann reden wir immer auch darüber, was uns die kulturelle Freiheit und Vielfalt in unserer Gesellschaft wert ist. Deshalb bin ich - abgesehen davon, dass mehr Geld natürlich immer eine gute Sache ist - auch im Sinne der Bedeutung der Kultur wirklich froh, dass wir den Kulturhaushalt des Bundes trotz des notwendigen, strikten Sparkurses gegenüber dem zweiten Regierungsentwurf 2014 wieder leicht erhöhen konnten, nämlich um rund 27 Millionen bzw. ca. 2,2 Prozent auf rund 1,23 Milliarden Euro. Die Bundesregierung bekennt sich damit zu der besonderen Stellung der Kunst und Kultur in unserer Gesellschaft.

Wir tun das in dem Bewusstsein, dass Kulturfinanzierung keine Subvention für eine schützenswerte Nische unserer Gesellschaft ist, sondern eine Investition in die Zukunft. Dass darüber mittlerweile zumindest auf bundespolitischer Ebene weitgehend Konsens besteht, ist sicherlich unter anderem auch der beharrlichen Überzeugungsarbeit des Deutschen Kulturrats und seiner Mitgliedsverbände zu verdanken. Trotzdem erlebe ich bei meinen Reisen durch Deutschland - 30 Städte habe ich in den vergangenen Monaten deutschlandweit besucht - immer wieder, dass die Kulturetats der Länder und Kommunen hier und da doch zusammen gestrichen werden.

Es gibt Länder, die aufgrund des Engagements des Bundes die Mittel für ihre Länderprogramme, beispielsweise Nordrhein-Westfalen im Bereich des Denkmalschutzes, prompt nicht nur herunterfahren, sondern ganz streichen. So ist das nicht gemeint, und so darf es auch nicht sein. Wir müssen die Länder gelegentlich durchaus öffentlich stärker in die Pflicht nehmen. Auf Kulturhoheit pochen und sich bei der Finanzierung aus der Verantwortung stehlen - das geht so nicht! Die Kommunen wiederum tun ja eigentlich sehr viel für die Kultur, und doch erlebe ich auch hier, dass manche Kommunen beim Kulturetat den Rotstift ansetzen. Bei allem Verständnis für die finanziellen Nöte der Städte und Gemeinden - das kostet mittelfristig mehr, als es an Einsparungen bringt. Deshalb appelliere ich in jeder Stadt, in jeder Kommune, die ich besuche, an die Verantwortlichen in der Politik, nicht an der Kultur zu sparen, und hier bitte ich auch den Kulturrat und seine Mitgliedsverbände um Unterstützung.

Der Bund tut alles, was im Rahmen des Grundgesetzes, im Rahmen des Kulturföderalismus möglich ist, um die kulturelle Vielfalt vor Ort zu fördern. Da gibt es nicht nur herausragende Programme wie zum Beispiel den Kinoprogrammpreis, den Spielstättenprogrammpreis und das Programm zur Förderung der Digitalisierung von Kinos, damit sie als Kulturorte erhalten bleiben, sowie natürlich die Denkmalschutzprogramme. Wir entlasten die Kommunen auch materiell, zum Beispiel bis 2016 von den Pflichtleistungen für Kosten der Unterkunft und Grundsicherung im Alter, und zwar in Milliardenhöhe. Das schafft Investitionsfreiräume, die gut für freiwillige Leistungen und da zuvörderst für die Kultur genutzt werden können.

Von Mark Twain, meine Damen und Herren, stammt der schöne Satz: "Kultur ist das, was übrig bleibt, wenn der letzte Dollar ausgegeben ist." Kultur schafft Werte jenseits der Maßstäbe ökonomischer Verwertbarkeit, und das wird gerade in Zeiten ökonomischer Krisen immer wichtiger. Wo, wenn nicht in der Kultur, wird nach Antworten auf letzte Fragen gerungen, auf Fragen nach den Sinn stiftenden Kräften und Werten, die unsere Gesellschaft zusammen halten? Dies zu ermöglichen, ist Aufgabe einer Kulturpolitik, die sich der Freiheit der Kunst und Kultur verpflichtet fühlt. Diese Freiheit muss heute an vielen Fronten verteidigt werden.

Unverzichtbar zur Sicherung künstlerischer Freiheit ist zum Beispiel die Künstlersozialversicherung, eingeführt vor 31 Jahren. Seitdem gilt: Wer künstlerische Leistungen in Anspruch nimmt, der muss auch dafür Sorge tragen, dass Künstler von ihrer Arbeit nicht nur knapp überleben können, sondern angemessen bezahlt und sozial abgesichert werden. Ich bin froh, dass wir es noch vor der Sommerpause hinbekommen haben, ein Gesetz zu verabschieden, das die Künstlersozialkasse durch bessere Prüfpflichten der Deutschen Rentenversicherung stabilisiert.

Politisches Handeln ist aber auch und insbesondere dort gefragt, wo die Vielfalt unseres kulturellen Angebots unter die Räder zu kommen droht - zum Beispiel, weil Unternehmen wie Amazon ihre Marktmacht ausspielen. Deshalb habe ich mich mit den Autoren solidarisiert, die von Amazon unter Druck gesetzt worden sind. Natürlich sind Rabattverhandlungen mit den Verlagen wirtschaftlich legitim. Der Sündenfall besteht darin, dass man sich an den Autoren, an den Künstlern, die am Beginn der Kette stehen, rächt, wenn die Verlage auf die Rabattforderungen nicht eingehen. Das ist kulturpolitisch völlig inakzeptabel. Politisch ist unser Handlungsspielraum für Gegenmaßnahmen hier allerdings relativ überschaubar.

Wir können über kartellrechtsähnliche Regeln bei Google, Amazon usw. nachdenken. Und wir können die Garanten der Vielfalt auf dem deutschen Buchmarkt stärken. Genau dafür habe ich eine Million Euro bereitgestellt, um 2015 erstmals einen "Preis für unabhängige, inhabergeführte Buchhandlungen" zu vergeben. Damit werden wir deutschlandweit viele einzelne Buchhandlungen auszeichnen. Ich glaube, dass selbst kleine Summen analog zum Kinoprogrammpreis - große Wirkung entfalten können. Darüber hinaus trägt der Preis vor Ort auch zur Sensibilisierung der Verbraucher bei, und das ist wichtig, denn letztlich entscheidet das Kaufverhalten der Kunden.

Eine weitere Front, an der wir die Vielfalt und die Freiheit der Kultur verteidigen müssen, sehe ich in den Verhandlungen über das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Ich befürworte dieses Abkommen grundsätzlich. Dass es Chancen für deutsche Unternehmen bietet, dass es gleichzeitig gerade in diesen Zeiten außenpolitisch wichtig ist, liegt auf der Hand. Es geht nicht um das "Ob", wohl aber um das "Wie". Wir brauchen klare Garantien und rote Linien. Das habe ich auch in meinem Gespräch mit Kommissar de Gucht Anfang Juli deutlich gemacht.

Für mich ist entscheidend, dass - erstens - für die EU und Deutschland keine weiteren Verpflichtungen in das Abkommen aufgenommen werden, als ohnehin in WTO / GATS bereits gelten. Audiovisuelle Dienste müssen also aus dem Anwendungsbereich des Dienstleistungskapitels ( entsprechend bisheriger Freihandelsabkommen ) ausgenommen bleiben; für die übrigen kulturellen Dienstleistungen gilt die Beschränkung auf den GATS-Status quo. Die audiovisuelle Ausnahme muss auch für alle denkbaren zukünftigen technologischen Entwicklungen gelten und darf nicht durch die Konvergenz von TV und Internet geschwächt werden. Daneben ist noch die horizontale Ausnahmeklausel für die Beihilfen bei Dienstleistungen erforderlich, um unter anderem die Kultur- oder etwa die Filmförderung abzusichern.

Zweitens halte ich für eine umfassende Absicherung zusätzlich die Aufnahme einer Generalklausel für wichtig. Dadurch sollen Maßnahmen zum Schutz der kulturellen Vielfalt und der Meinungsvielfalt in allen Bereichen ( auch Telekommunikation oder Urheberrecht ) und durchgängig bei allen Kapiteln ( auch Investitionsschutz oder regulatorische Zusammenarbeit ) ausdrücklich für rechtmäßig erklärt werden. Notwendig ist eine verbindliche Verankerung dieser Generalklausel im Abkommenstext selbst.

Es stellt sich, drittens, auch die Frage nach künftiger Regulierung: Eine Reform, zum Beispiel der Buchpreisbindung, könnte unter Umständen von US-Unternehmen angefochten werden, und - dank des Investor-Staaten-Schiedsverfahrens - mit Schadenersatzforderung gegen Deutschland belegt werden. In Staaten mit stabilen Rechtssystemen darf dieses abgewogene rechtliche System nicht ausgehebelt werden. Deshalb lehne ich ein Investor-Staat-Schiedsverfahren ab, fordere aber zumindest eine vollständige Ausnahme für Audio-Vision und Kultur.

Ein vierter Punkt: Sie als Verbändevertreter sind nicht zuletzt wegen der Intransparenz der Verhandlungen höchst kritisch. Ich teile diese Bedenken und mahne mehr Transparenz in meinen Stellungnahmen auch immer wieder an. Mir geht es dabei auch und vor allem um Akzeptanz. Akzeptanz ist wichtig, weil wir für das Abkommen eine breite und stabile demokratische Grundlage brauchen. Am Ende muss ein einstimmiger Beschluss der EU-Mitgliedstaaten stehen, hinzu kommt noch die Ratifizierung durch das Europäische Parlament und auf nationaler Ebene durch Bundestag und Bundesrat. Dies ist die übereinstimmende Auffassung der Bundesregierung und aller EU-Mitgliedstaaten. Ohne Transparenz ist die dafür notwendige Akzeptanz nicht zu haben. Nur ein gemischtes Abkommen kann die breite demokratische Basis sicherstellen. Deshalb muss die Europäische Kommission das Transatlantische Freihandelsabkommen ( TTIP ) als gemischtes Abkommen verhandeln.

Zur Sicherung der künstlerischen Freiheit gehört auch ein modernes, an das digitale Zeitalter angepasstes Urheberrecht, das dem Urheber einen fairen und gerechten Anteil an der Wertschöpfung aus seiner kreativen Leistung sichert - und damit die Existenzgrundlage. Wir brauchen ausgewogene Lösungen, die den Belangen aller Interessenvertreter - Nutzern wie Urhebern und Verwertern - gerecht werden. Der Schutz geistigen Eigentums ist Kernfrage auch für die Entwicklung der Kreativwirtschaft, deren volkswirtschaftliche Bedeutung für Europa zahlreiche Studien eindrucksvoll belegen.

Mit Bundesminister Heiko Maas bin ich mir einig, dass im Urheberrecht in der vergangenen Legislaturperiode zu wenig passiert ist. Zentral - weil bis April 2016 fristgebunden - ist jetzt zunächst einmal die Umsetzung der EU-Wahrnehmungsrichtlinie. Das ist eine große Chance für die Kreativen. Je leichter sich Rechte grenzüberschreitend klären und Lizenzen einräumen lassen, desto größer ist der Vorteil nicht nur für die Nutzer sondern auch auf Seiten der Urheber. Derzeit läuft ein Anhörungsverfahren, das den Verwertungsgesellschaften Gelegenheit gibt, ihre Vorschläge und Petita einzubringen. Mir ist es wichtig, dass der kulturelle und soziale Auftrag der Verwertungsgesellschaften vollumfänglich erhalten bleibt, der ja in der EU-Richtlinie ausdrücklich anerkannt wird. Außerdem werbe ich dafür, das Gesetzgebungsverfahren dafür zu nutzen, eine Hinterlegungspflicht im Rahmen der Verhandlungen über die Höhe der gesetzlichen Pauschalvergütung bei der Privatkopie einzuführen. Dies wäre ein wichtiger Schritt, um die von vielen als langwierig und unbefriedigend empfundenen Verhandlungen zu vereinfachen. Für diese Überlegungen scheint auch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz durchaus offen zu sein.

Neben der Sicherung der Freiheit und Vielfalt der Kultur beschäftigt uns ein weiteres Thema besonders intensiv, nämlich die Provenienzforschung. Der "Fall Gurlitt" hat das Thema NS-Raubkunst ja in atemberaubender Weise ins öffentliche Bewusstsein gehoben. NS-Raubkunstfälle sind immer komplexe Einzelfälle mit zahlreichen historischen, moralischen und juristischen Herausforderungen. Deshalb begrüße ich es sehr, dass der Deutsche Kulturrat vor wenigen Wochen eine eigene ad-hoc-Arbeitsgruppe ins Leben gerufen hat, um sich vertieft mit diesen Fragen zu beschäftigen. Es ist wichtig, dass unser Land - Staat und Verwaltungen genauso wie Organisationen, Einrichtungen und Privatpersonen - keinen Zweifel daran lässt, welche immense Bedeutung für uns alle die rückhaltlose Aufarbeitung des nationalsozialistischen Kunstraubs hat - eine Aufarbeitung, die komplex ist, die Zeit braucht und bei der wir nie vergessen dürfen, dass mit der Provenienz eines entzogenen, geraubten, abgepressten Kunstwerks immer auch die Biographie eines verfolgten Menschen verbunden ist.

Die Bundesrepublik hat sich ungeachtet der Wiedergutmachungsleistungen der Nachkriegszeit auf der "Washingtoner Konferenz" 1998 dazu bereit erklärt, auch dann nach NS-Raubkunst zu suchen und für deren Restitution faire und gerechte Lösungen zu finden, wenn dies nach rein juristischen Maßstäben nicht mehr zwingend geboten wäre. Dieses Bekenntnis ist unsere Handlungsmaxime, und Sie alle kennen die Instrumente, die der Bund gemeinsam mit den Ländern und den kommunalen Spitzenverbänden dafür entwickelt hat: eine "Gemeinsame Erklärung", die inzwischen mehrfach modernisierte "Handreichung", die Koordinierungsstelle Magdeburg, eine Lostart-Datenbank, die "Beratende Kommission" unter Leitung von Jutta Limbach und nicht zuletzt, die Arbeitsstelle für Provenienzforschung in Berlin. Mit all diesen Maßnahmen haben wir in den letzten Jahren schon eine Menge erreicht.

Der "Fall Gurlitt" allerdings ließ die Schwächen der bisherigen Organisation offen zutage treten, insbesondere die Zersplitterung unserer Förderlandschaft und das Fehlen eines zentralen Ansprechpartners. Ich habe das zum Anlass genommen, im Frühjahr die Gründung eines "Deutschen Zentrums Kulturgutverluste" vorzuschlagen. Es freut mich sehr, dass wir es innerhalb kürzester Zeit geschafft haben, gemeinsam mit den Ländern die Aktivitäten zur Suche nach NS-Raubkunst zu bündeln. Schon ab 2015 soll das Zentrum in Magdeburg die Koordinierungsstelle und die Arbeitsstelle für Provenienzforschung unter einem Dach vereinen, deren Arbeit fortführen und ausbauen - sowohl finanziell als auch personell gestärkt. Das Zentrum wird, wie bisher die AfP, öffentliche Einrichtungen bei der Suche nach NS-Raubkunst finanziell unterstützen und beraten, künftig aber auch spezielle Angebote für Privatsammler und Privatmuseen entwickeln, die freiwillig den "Washingtoner Prinzipien" folgen. Es wird, wie bisher die Koordinierungsstelle, die unabhängige "Beratende Kommission" unterstützen, zugleich aber eine neue Unterstützung für freiberufliche Provenienzforscherinnen und -forscher entwickeln.

Besonders wichtige Akteure wie die "Taskforce Schwabinger Kunstfund" oder die "Forschungsstelle Entartete Kunst" werden eng an das Zentrum gebunden. Das Zentrum wird darüber hinaus internationale Kooperationen unterstützen und strebt eine enge Verzahnung mit der universitären und außeruniversitären Forschung an. Nicht zuletzt wird es eine ganze Reihe von Angeboten und Initiativen in den Bereichen Kommunikation und Vernetzung geben, um das Zentrum national wie international zum zentralen Ansprechpartner in Deutschland zu Fragen der Umsetzung der "Washingtoner Prinzipien" zu machen. Ihre Einrichtungen sind herzlich eingeladen, die Arbeit des Zentrums zu unterstützen und dessen Angebote reichlich wahrzunehmen!

Nach einer statistischen Untersuchung, die rund die Hälfte aller deutschen Museen umfasste, befinden sich in 60 Prozent dieser Museen Bestände, die auf das Vorhandensein von NS-Raubkunst untersucht werden müssten. Nur 10 Prozent der befragten Museen haben sich bisher mit Provenienzforschung beschäftigt. Deshalb halte ich auch eine weitere Erhöhung der Mittel für die dezentrale Suche nach NS-Raubkunst für unbedingt notwendig. Der Haushaltsentwurf 2015 sieht deshalb eine erneute Steigerung der Ausgaben für Provenienzrecherche vor, nämlich auf sechs Millionen Euro - und damit eine Verdreifachung gegenüber dem Haushaltsansatz bei meinem Amtsantritt.

Mit diesen Themen möchte ich es mit Blick auf die Uhr fürs erste bewenden lassen, meine Damen und Herren. Kulturpolitik ist ein weites Feld, deshalb werden Sie es mir sicher verzeihen, dass ich nicht alle Fragen ansprechen konnte, von denen ich ahne, dass sie Ihnen unter den Nägeln brennen. Dazu gibt es jetzt aber gleich noch Gelegenheit.

Von Joseph Beuys stammt ein schöner Satz, den man vielleicht nicht ganz wörtlich nehmen sollte, über den es sich aber nachzudenken lohnt: "Arbeite nur", so Joseph Beuys,"wenn Du das Gefühl hast, es löst eine Revolution aus." Diese etwas ungesund anmutende Arbeitseinstellung kann man durchaus auch als pointierte Beschreibung der Überzeugungen verstehen, die Künstler und Kreative, aber eben auch Kulturförderer und Kulturpolitiker motiviert. Es muss ja nicht immer gleich die Weltrevolution sein.

Die kleinen Revolutionen im Denken, im Wahrnehmen, im Empfinden, im Bewusstsein sind es, die jeder kleinen und großen gesellschaftlichen Veränderung vorausgehen, und in diesem Sinne tragen Kunst und Kultur immer den Keim des - im besten Sinne - Revolutionären in sich. Dass aus diesen Keimen etwas wachsen darf, dass es einen fruchtbaren Nährboden dafür gibt und ein wachstumsförderndes Klima - das macht eine vitale Demokratie aus. Dafür einzutreten, ist aller Anstrengung wert, und ich danke Ihnen allen und dem Deutschen Kulturrat dafür, dass er uns, den Kulturpolitikerinnen und -politikern, dabei ein so verlässlicher Partner ist! Auf eine weiterhin vertrauensvolle und konstruktive Zusammenarbeit!