Redner(in): Monika Grütters
Datum: 11. Dezember 2014
Untertitel: "Wo Staaten nicht oder nicht mehr in der Lage sind, ihre Kunstschätze zu schützen, steht die Staatengemeinschaft in der Verantwortung", erklärte Kulturstaatsministerin Grütters im Auswärtigen Amt in Berlin.
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Rede/2014/12/2014-12-12-gruetters-Raubgrabungen.html
Wo Staaten nicht oder nicht mehr in der Lage sind, ihre Kunstschätze zu schützen, steht die Staatengemeinschaft in der Verantwortung ", erklärte Kulturstaatsministerin Grütters im Auswärtigen Amt in Berlin.
Anrede,
Es ist ein zum Thema unserer Tagung passender Zufall, dass sie ausgerechnet am Geburtstag des ägyptischen Literaturnobelpreisträgers Nagib Mahfuz stattfindet, der heute 103 Jahre alt geworden wäre und sich sein Leben lang für Demokratie und Freiheit eingesetzt hat. Mahfuz begann seine literarische Karriere Ende der 1930er Jahre mit Romanen über die Pharaonenzeit: Er schilderte den Alltag in den Palästen, Tempeln und Hütten so anschaulich, als wäre er selbst als Priester oder Pyramidenarbeiter mit dabei gewesen. Damit hat er wie wohl kaum ein anderer Schriftsteller das Alte Ägypten und seine Kultur wieder auferstehen lassen.
Die materiellen Zeugnisse aus dieser Zeit gehören zum Kulturerbe der Menschheit, das heute in Folge von Kriegen und Krisen in vielen Ländern der Welt bedroht ist. In Ägypten ist vor allem das historische Erbe am Nil betroffen: Noch nie zuvor - so stand es kürzlich in der Tageszeitung DIE WELT - wurden so viele Objekte aus der Pharaonenzeit gestohlen und illegal gehandelt wie seit Beginn der Revolution im Frühjahr 2011. Manchmal ist es der Kampf ums nackte Überleben, der Menschen, die einst vom Tourismus gelebt haben, zu Plünderern macht. In vielen Fällen jedoch stecken organisierte und zum Teil international agierende Banden hinter dem Kunstraub - von den unzähligen Fällen ganz zu schweigen, in denen islamistische Terroristen kulturelle Stätten aus ideologischen Gründen zerstören wie derzeit vor allem in Syrien, aber auch im Irak. Wo Staaten nicht oder nicht mehr in der Lage sind, ihre Kunstschätze zu schützen, steht die Staatengemeinschaft in der Verantwortung.
Mit welchen Maßnahmen einerseits die Politik, andererseits aber auch Wissenschaft und Kultureinrichtungen auf die Bedrohung des kulturellen Erbes der Menschheit reagieren können und müssen, das ist die Frage, die heute und morgen im Mittelpunkt von Vorträgen und Diskussionen steht. Ich bin der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, dem Deutschen Archäologischen Institut und dem Deutschen Verband für Archäologie sehr dankbar, dass sie diese Tagung organisiert haben und dafür hochkarätige Experten aus dem In- und Ausland gewinnen konnten. Es freut mich, dass die finanzielle Unterstützung meines Hauses zum Erfolg dieser Tagung beitragen kann.
Auch ich darf Sie daher alle herzlich willkommen heißen und nutze diese Gelegenheit, um die zentralen Punkte des Kulturgutschutzgesetzes zu skizzieren, mit dem die Bundesregierung gegen den illegalen Handel mit Kulturgütern in Deutschland vorgehen will.
Deutschland hat sich bisher - da gibt es nichts zu beschönigen - nicht gerade als Pionier hervor getan hat, was gesetzliche Regelungen zum Schutz von Kulturgut betrifft. Die Unesco-Konvention zum Kulturgutschutz aus dem Jahr 1970 wurde hierzulande erst 2007 ratifiziert und im Kulturgüterrückgabegesetz umgesetzt - mit relativ laxen Regelungen, was die Einfuhr von Kulturgut angeht, die obendrein ganz offensichtlich wenig praktikabel sind. Denn obwohl es Beschlagnahmungen und berechtigte Rückgabeansprüche gegeben hat, ist bisher kein Objekt auf Grundlage dieses Gesetzes zurückgegeben worden. Zwar gab es in den letzten Jahren freiwillige Rückgaben und Rückgaben aufgrund strafrechtlicher Vorschriften, zum Beispiel vor kurzem an Ägypten. Doch das Gesetz, das eigentlich dafür geschaffen wurde, kam nicht zum Zug. Der Grund: Bisher mussten Antiken in Verzeichnisse der Herkunftsländer eingetragen sein, damit der Rückgabeanspruch in Deutschland greifen konnte. Eben dies hat sich in der Praxis nicht bewährt.
Ebenso wenig bewährt hat sich die bisherige Einfuhrregelung, wonach ausländische Staaten ihr Kulturgut in ein zusätzliches deutsches Verzeichnis eintragen lassen sollten, damit der deutsche Zoll diese Kulturgüter im Falle einer Einfuhr nach Deutschland beschlagnahmt.
Staaten, die in Kriege und Krisen involviert sind - und das sind nun mal leider viele Länder mit einem besonders umfangreichen Kulturerbe - , führen in der Regel keine umfassenden Verzeichnisse über ihr Kulturgut, sondern schützen qua Gesetz das gesamte archäologische Erbe, das strikten Handels- und Ausfuhrbestimmungen unterliegt. Hinzu kommt, dass all das, was illegal ausgegraben wurde, aus eben diesem Grund auf keiner staatlichen Liste auftauchen kann, selbst wenn es sie gäbe.
Deshalb werden wir nun mit der Gesetzesnovelle zum Kulturgutschutz, die ich in der ersten Jahreshälfte 2015 vorlegen werde, einen längst überfälligen Paradigmenwechsel einläuten: Wer in Zukunft Antiken nach Deutschland einführt, braucht für jedes Stück eine gültige Ausfuhrerlaubnis des jeweiligen Herkunftslandes, das bei Einfuhr vorzulegen ist. Das gilt auch für Touristen. Das sogenannte "Souvenir" aus dem Ägypten- oder Türkeiurlaub ist eben kein "Souvenir", sondern eine illegale Ausfuhr geschützten Kulturgutes, wenn es denn ein echtes Stück ist und keine billige Replik.
Auch beim Verkauf von Kulturgut soll in Zukunft anhand von klaren gesetzlichen Sorgfaltspflichten geprüft werden, ob das Objekt über einen hinreichenden Herkunftsnachweis verfügt. Damit wollen wir sicherstellen, dass der Antikenhandel sich künftig auf Objekte eindeutiger und legaler Herkunft beschränkt. Außerdem arbeiten wir an einer gesetzlichen Regelung, die die Rückgabe von unrechtmäßig ausgeführten Kulturgütern an die berechtigten Herkunftsstaaten vereinfacht.
Mit einem solchen klar abgesteckten, gesetzlichen Rahmen für die Ein- und Ausfuhr, den An- und Verkauf antiker Objekte, tragen wir sowohl den Ergebnissen des Berichts der Bundesregierung zum Kulturgutschutz vom April 2013 Rechnung, als auch geltenden EU-Vorgaben - genauer: der neuen EU-Richtlinie zur Rückgabe von Kulturgut vom Mai 2014, zu deren Umsetzung wir ohnehin EU-rechtlich verpflichtet sind. Auch ein neues Gesetz wird nicht alle Probleme lösen können, aber wir werden damit beim Schutz von Kulturgut ein gutes Stück vorankommen.
Ich bin mir bewusst, meine Damen und Herren, dass die geplanten Regelungen auf dem Kunstmarkt keine Euphorie auslösen, und ich habe auch durchaus Verständnis, dass so mancher Antikenhändler sich zu Unrecht dem Verdacht illegaler Machenschaften ausgesetzt sieht. Gerade deshalb bin ich allerdings der Meinung, dass strengere Regeln und mehr Transparenz auch im Sinne des deutschen Kunsthandels sind. Damit versichern wir die Integrität und Glaubwürdigkeit deutscher Kunsthändler und stärken so das Renommee des Kunsthandelsstandorts Deutschland - was wiederum den seriösen Kunsthändlern zugute kommt. Insofern sollte es in unserem gemeinsamen Interesse liegen, für Rechtssicherheit zu sorgen: für Regelungen, die zum einen die Einhaltung derjenigen ethischen Standards garantieren, denen jeder seriöse Kunsthändler sich ohnehin verpflichtet fühlt, und die zum anderen dazu führen, dass Händler mit unseriösen Geschäftspraktiken weitestgehend vom Markt verschwinden.
Ich lade den Kunsthandel herzlich ein, sich konstruktiv an der Diskussion über die Ausgestaltung der Gesetzesnovelle zu beteiligen. Dass es neue Regelungen geben wird, steht nicht zu Debatte. Allein der Verdacht, dass Deutschland sich als internationale Drehscheibe für Hehlerware eignet, ist mit unserem Selbstverständnis als Kulturnation nicht zu vereinbaren. Im Übrigen wäre es geradezu lächerlich, dass wir in Deutschland keine Kosten und Mühen scheuen, um jedes Ei, das auf den Tisch kommt, nach Herkunft und den Umständen seiner Entstehung zu kennzeichnen, uns im Umgang mit oft millionenschweren Kunst- und Kulturobjekten aber weiterhin völlige Intransparenz leisten.
Kulturgut verpflichtet - das gilt für alle, die mit Kulturgut zu tun haben: für Händler und Sammler, aber auch für Museen und andere Kultureinrichtungen. Sie sind gefordert, ihre Bestände sorgfältig auf Provenienz hin zu überprüfen, so wie auch im Umgang mit NS-Raubkunst. Um auf das Thema aufmerksam zu machen und unser aller Sorgfaltspflichten im Umgang mit Kulturgut insbesondere aus Krisenregionen zu unterstreichen, habe ich mit den Kultusministerinnen und -ministern der Länder einen Gemeinsamen Appell erarbeitet, der heute Nachmittag vom KMK-Plenum angenommen wird und noch einmal deutlich darauf hinweist, dass bereits jetzt die Ein- und Ausfuhr sowie der Handel mit Kulturgut aus Syrien und Irak nach EU-Recht in allen Mitgliedstaaten - und damit auch in Deutschland - verboten sind.
Die politischen Entwicklungen der letzten Zeit und die Berichte über den "Islamischen Staat" und den Antikenschmuggel haben zum Glück - wenn man in diesem Zusammenhang überhaupt von Glück reden kann - die Handlungsbereitschaft erhöht. Die gesetzliche Novellierung des Kulturgutschutzes war aufgrund der notwendigen EU-rechtlichen Anpassung schon lange vorher geplant, doch jetzt entsteht zunehmend auch ein breites öffentliches Bewusstsein für das Ausmaß der Bedrohung des kulturellen Erbes der Menschheit.
Ich bin deshalb zuversichtlich, meine Damen und Herren, dass wir im Austausch mit Experten und in enger Abstimmung mit den betroffenen Bundesministerien sowie anschließend in Bundestag und Bundesrat zu praktikablen gesetzlichen Regelungen für einen effektiven Schutz von Kulturgütern kommen werden. In diesem Sinne bin ich gespannt auf die Ergebnisse dieser Tagung und hoffe auf Rückenwind für das neue Kulturgutschutzgesetz!