Redner(in): Monika Grütters
Datum: 10. Dezember 2014

Untertitel: In Ihrer Rede betonte Monika Grütters: "All die großen Filme denen Ken Adam mit seiner schier unerschöpflichen Fantasie eine ganz besondere Ästhetik und Strahlkraft verlieh, stehen beispielhaft für den Film als schützenswertes Kulturgut und für die Filmgeschichte als erhaltenswerter Spiegel der Entwicklung unserer Gesellschaft."
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Rede/2014/12/2014-12-10-gruetters-ken-adam.html


In Ihrer Rede betonte Monika Grütters: "All die großen Filme denen Ken Adam mit seiner schier unerschöpflichen Fantasie eine ganz besondere Ästhetik und Strahlkraft verlieh, stehen beispielhaft für den Film als schützenswertes Kulturgut und für die Filmgeschichte als erhaltenswerter Spiegel der Entwicklung unserer Gesellschaft."

Anrede,

Premieren der neuen James-Bond-Filme finden offenbar schon seit längerer Zeit ohne Sie statt, das haben Sie vor zwei Jahren einmal in einem Interview verraten. Zu beschwerlich sei das für einen Mann in Ihrem Alter, man müsse, ich zitiere,"viele Stunden in diesem verdammten Kino sitzen ( … ) [und] immer ewig auf die Queen warten." Der Agent im Dienste seiner Majestät, auch nicht bekannt für geduldiges Warten auf Frauen, würde Ihnen vermutlich beipflichten und Ihre Absenz so entspannt sehen wie neuerdings die Frage "gerührt oder geschüttelt?"

Umso mehr aber wissen wir es zu schätzen, lieber Ken Adam, dass Sie uns heute eine Ehre erweisen, die James Bond nicht mehr vergönnt ist!

Ich freue mich sehr, dass Sie und Ihre Ehefrau, Lady Letizia Adam, zur Eröffnung der Ausstellung Ihres künstlerischen Vermächtnisses nach Berlin gekommen sind. Besonders freut es mich, dass ich Ihnen heute einmal mehr persönlich sagen kann, wie dankbar wir sind, dass Sie Ihre wertvolle Sammlung 2012 der Kinemathek überlassen haben! Berlin ist mit diesem Einblick in Ihre visionären Räume und Welten, die wahrlich "bigger than life" ( Titel der Ausstellung ) sind, um ein kulturelles Highlight reicher, und nach einem ersten Rundgang kann ich sagen: Die Ausstellung, die wir heute eröffnen, hat gewissermaßen die "Lizenz zum Fesseln".

Fesseln wird Ken Adams Filmdesign nicht nur Fans des Agenten 007 mit der Lizenz zum Töten. Ich bin sicher: Kein Filmliebhaber wird sich der Faszination dieser Ausstellung entziehen können. Überwältigend sind die futuristischen Szenenbilder, denen man das Motto ihres Schöpfers - "Think big!" - in jedem Detail ansieht! Immer wieder faszinieren auch die Eindrücke der schöpferischen Kraft, mit der Ken Adams Kulissen und Dekors die Filme großer Regisseure wie Stanley Kubrick zu den Gesamtkunstwerken machen, als die sie uns bis heute im Gedächtnis geblieben sind.

Fesselnd in kunsthistorischer Hinsicht wiederum sind die Bezüge zum deutschen Expressionismus der 1920er Jahre, die sich in der Ausstellung wunderbar nachvollziehen lassen, ebenso wie die Einflüsse der Architekten der russischen Avantgarde und des Bauhauses - aber umgekehrt auch die stilbildende und inspirierende Kraft, mit der wiederum Ken Adam die Architektur- und Designvorstellungen einer nachfolgenden Künstlergeneration geprägt hat.

Die Ausstellung "Bigger Than Life" ist aber auch deshalb ein ganz besonderes Geschenk für Berlin, weil damit ein großer Künstler, der wie so viele andere Künstler mit seiner Familie in den 1930er Jahren vor der nationalsozialistischen Terrorherrschaft aus dieser Stadt fliehen musste, mit seinem künstlerischen und persönlichen Vermächtnis zurückkehrt in seine einstige deutsche Heimat. Hier in Berlin wurde Sir Ken Adam 1921 als Klaus Hugo Adam geboren, von hier aus emigrierte er 1934 mit seiner jüdischen Familie nach London. 1941 war er der erste und bis 1944 auch der einzige deutsche Jagdflieger bei der britischen Luftwaffe, der Royal Air Force. Er hat in dieser Zeit Tag für Tag sein Leben riskiert, war immer wieder dem Beschuss durch die Deutschen ausgesetzt und hat Kriegserfahrungen durchlitten, neben denen die waghalsigen Abenteuer der Filmhelden, die er mit seiner gestalterischen Kraft zum Mythos gemacht hat, geradezu verblassen.

Was wäre angesichts der sicherlich traumatischen Flucht- und Kriegserfahrungen verständlicher, als der deutschen Heimat für immer den Rücken zu kehren? Ken Adam hat Berlin nicht den Rücken gekehrt, im Gegenteil: Er hat sich unserer Stadt immer wieder zugewandt, sei es in seinem künstlerischen Schaffen - viele seiner Filmsets und Zeichnungen sind von seinem Berlinbild geprägt - , sei es in seinem persönlichen Engagement, beispielsweise als Mitglied der Berlinale Jury 1999, als Mitbegründer des Berlinale Talent Campus und als Ehrenmitglied der Deutschen Filmakademie.

2012 schließlich ging seine Sammlung nach Berlin, bestehend aus 4.000 Entwürfen zu seinen Filmen, aus Storyboards seiner Mitarbeiter, aus Motivfotos, Briefen, Fotoalben der Familie Adam und anderen persönlichen Dokumenten und Aufzeichnungen - eine große Geste, aus der viel Vertrauen in das heutige Berlin, in das heutige Deutschland spricht! Dafür bin ich - sind wir - Ihnen sehr dankbar! Nicht zuletzt diese Geste macht den Besuch dieser Ausstellung zu einem ergreifenden, zu einem im besten Sinne fesselnden Erlebnis.

Ein herzliches Dankeschön verdienen in diesem Zusammenhang auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stiftung Deutsche Kinemathek. Trotz der schwierigen Finanzlage leisten sie hervorragende Arbeit für den Erhalt und die öffentliche Sichtbarkeit unseres nationalen Filmerbes. Stellvertretend für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter danke ich dem engagierten Vorstand der Stiftung, namentlich Ihnen, lieber Herr Dr. Rother und lieber Herr Müllner! Dass Sir Ken Adam uns seinen wertvollsten Besitz anvertraut hat, das ist vor allem Ihr Verdienst und das der Stiftung Deutsche Kinemathek.

All die großen Filme, meine Damen und Herren, denen Ken Adam mit seiner schier unerschöpflichen Fantasie eine ganz besondere Ästhetik und Strahlkraft verlieh, stehen beispielhaft für den Film als schützenswertes Kulturgut und für die Filmgeschichte als erhaltenswerter Spiegel der Entwicklung unserer Gesellschaft. Der Film ist besonders intensiv, sinnlich und emotional und erreicht gerade dadurch die Herzen vieler Zuschauerinnen und Zuschauer. Auch deshalb ist und bleibt die Filmförderung eine starke Säule unserer Kulturförderung. Dazu gehört nicht zuletzt, dass wir das nationale Filmerbe für die Öffentlichkeit zugänglich machen und für zukünftige Generationen erhalten.

Diesem Ziel dienen die Digitalisierungsmaßnahmen meines Hauses. Dafür stehen auch 2015 eine Million Euro zur Verfügung. Für die Filmkunst gilt im Übrigen, was generell für die Rolle der Kultur in unserer Gesellschaft gilt: Sie ist avantgardistisch im besten Sinn, sie regt zum Nachdenken an und gehört damit zum kritischen Korrektiv gesellschaftlicher Entwicklungen. Wenn sie dann auch noch unterhaltsam ist, so wie die Filme, die Ken Adams Handschrift tragen, umso besser!

Die besten Geschichten allerdings schreibt immer noch das Leben selbst. So erzählt uns die Ausstellung letztlich auch die Lebensgeschichte eines großen Künstlers, der seine Berufung allen Widrigkeiten des Lebens zum Trotz gefunden hat. Diese Geschichte ist vielleicht die fesselndste, mit Sicherheit aber die bewegendste, die mit Ken Adams Unterstützung jemals erzählt wurde - und das ganz ohne aufwändige Kulissen und spektakuläre Effekte! Möge sie hier in Berlin das aufmerksame Publikum finden, das sie verdient!