Redner(in): Michael Naumann
Datum: 25.03.1999

Anrede: Meine Damen und Herren,
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/rede/70/11770/multi.htm


liebe Freunde vom Film,

Symbole können die Sache selbst nicht aufwiegen, aber sie können den Dingen, wenn sie stimmen, Gesicht und Aufmerksamkeit schenken.

In diesem Sinne heiße ich Sie also zu einer Veranstaltung willkommen, mit der wir der Verleihung des Deutschen Filmpreises erstmals ein Präludium voranschicken wollen. Die Nominierungen selbst sind bereits Auszeichnungen, die öffentliches Interesse verdienen. Das zeigen auch die Prämien, die mit den Nominierungen verbunden sind. Und das rechtfertigt allemal die Werbung, die wir heute abend für den deutschen Filmpreis 1999 machen, übrigens nicht nur der letzte Filmpreis dieses Jahrtausends, sondern, wenn ich es richtig sehe, wahrscheinlich der letzten 50.000 Jahre Diese Werbung machen wir hier in dem Bewußtsein, daß es mit dem deutschen Film inzwischen wieder aufwärts geht.

Erstmals wird dabei auch ein Publikumspreis vergeben. Das wird die Kritiker ärgern. Damit können die Kinogänger über den ihrer Meinung nach besten deutschen Film sowie über die besten Darstellerinnen und Darsteller, die sie am stärksten beeindruckt haben, entscheiden.

Die Preisverleihung unterstreicht die erfolgreiche Entwicklung, die der deutsche Film in den letzten Jahren auch im internationalen Vergleich genommen hat. Auf der diesjährigen Berlinale gewannen deutsche Filme wichtige Preise, mit denen nicht nur die glanzvollen schauspielerischen Leistungen von Juliane Köhler, Maria Schrader und Michael Gwisdek geehrt wurden, sondern natürlich auch die Filme selbst. Und im Angebot des Internationalen Forums des jungen Films stand das deutsche Kino in diesem Jahr in vorderster Reihe.

Dieser Erfolg hat viele Väter und Mütter und noch viele andere Anverwandte. Aber damit sind nicht nur die Macher und Produzenten der Filme gemeint, sondern auch die Filmförderer in Bund und Ländern. Sie sitzen in Düsseldorf und München, Potsdam und Hamburg, Berlin und Bonn, Stuttgart und Leipzig.

Sie haben eine gute Arbeit geleistet. Die Filme, die wir hier sehen, haben nicht nur in Deutschland große Chancen, sondern sie haben sich schon im Ausland bewährt. Bei der Gelegenheit muß ich sagen: Es hat mich schon erstaunt, im Nachspann zu "My name is Joe" die deutsche Filmförderung in ihrer ganzen Pracht zu entdecken - ein fabelhafter Film. Wir können es, und wir zeigen es ja auch. Das bisher Erreichte jedenfalls wäre ohne die Länder nicht möglich gewesen!

Kann also alles bleiben, wie es ist? Nun, die einzelnen Förderungen bewegen sich aufeinander zu und haben mittlerweile auch ein hohes Maß an Professionalität erreicht. Das gilt auch für die Filmförderung des Bundes, auf deren kulturelles Engagement keine anspruchsvolle Film-produktion, wie auch die Nominationen zeigen, verzichten mag.

Brauchen wir also nur noch auf den Zeitgeist und seinen Einfluß auf die Filmschaffenden zu blicken? Läuft alles gewissermaßen jetzt in den richtigen Bahnen? Nun, ich fürchte, diese Form der Beliebigkeit wäre ein schlechter Ratgeber für die Zukunft, denn wir wollen auch die künstlerische Entwicklung des deutschen Films - um einmal ein neues Wort aus Bonn zu benutzen - "verstetigen".

Wir wollen dem deutschen Film auch im Ausland, zumal in Europa, zu mehr Erfolg verhelfen. Die Statistiken sind eigentlich immer noch haarsträubend. Wir produzieren allesamt in Europa für uns selbst und schauen nicht mehr hin, was die anderen machen. Und dies hat nicht nur organisatorische und nicht nur, wenn Sie so wollen,"amerikanische" Ursachen. Das hat auch etwas zu tun mit der kulturellen Entwicklung Europas, mit der Zunahme von Strukturen jeglicher Art - ob das nun die europäische Administration ist oder die - man muß schon fast sagen - bedrückende Macht der weltweiten Kommunikation mit ihren unendlich vielen Daten, die zumindest theoretisch auf einen einströmen können. Das Resultat ist, daß sich das Filmpublikum auf sich selbst zurückzieht und von Europa herzlich wenig wissen will.

Diese Rückkehr zu sich selbst mag ihre Vorteile haben und ihre kulturellen Gründe, aber sie birgt auch Gefahren der Abkapselung, der Selbstprovinzialisierung und darüber hinaus auch kommerzielle Nachteile für den Film. Über 80 Prozent der Filmdebüts oder -premieren in diesem Jahr sind amerikanischer Provenienz. Das ist kein Urteil gegen den amerikanischen Film - den schätze ich genauso wie Sie - , aber man stellt sich ganz einfach die Frage: Wie ist es möglich, daß wir so wenig englische, französische, italienische, spanische und skandinavische Filme sehen? Sind diese Filmindustrien alle eingeschlafen? Natürlich nicht. Allerdings sehen sie auch unsere nicht.

Nun, darüber gilt es zu reden. Das von mir vorgeschlagene "Bündnis für Film", das ich lieber "Allianz für den Film" nennen möchte, ist jedenfalls darauf ausgerichtet, einige Korrekturen vorzunehmen. Dabei geht es nicht um eine Schmälerung der Länderkompetenz. Wir wollen vielmehr mit allen Beteiligten darüber reden, wie man den deutschen Film weiter nach vorne bringen kann.

Der Kulturauftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gegenüber dem Film ist dabei ebenso eine Debatte wert wie die Frage der von mir eben erwähnten besseren Außenvertretung des deutschen Films. Auch in Zeiten, in denen Quoten und Zuschauerzahlen die Maßstäbe erfolgreichen Filmschaffens zu sein scheinen, werden wir ohne einen gewissen Kunstwillen im Film nicht auskommen, wenn wir dem Film eine neue, bessere und sicherere Stellung verschaffen wollen.

Das setzt Erfindungsreichtum und Engagement von uns allen voraus, auch von den Politikern. Ich jedenfalls lade Sie herzlich dazu ein, sich an diesem zuweilen schwierigen Unterfangen zu beteiligen.

Zum Abschluß noch ein Wort zu der Plastik, die den Deutschen Filmpreis künftig symbolisieren soll. Der Preis hat eine neue Gestalt angenommen. Das etwas strenge Filmband in Gold und Silber vergangener Jahre hatte es immer schwerer, gegen andere Filmpreissymbole ästhetisch zu bestehen. Die in New York lebende Designkünstlerin Mechthild Schmidt - ist sie hier? ; sie ist nicht da, aber vielleicht ist sie ja dort drin! - hat sich deshalb zu einer Neuschöpfung inspirieren lassen und ein deutlich wiedererkennbares Zeichen geschaffen.

Oscar, Palme, Löwe, Bär, Bambi, Goldene Kamera - das alles sind einprägsame Ikonen unserer Zeit. Dazu gesellt sich nun, so hoffe ich, auch die neue Gestalt des Deutschen Filmpreises. Ich freue mich, Ihnen diese heute präsentieren zu dürfen und wünsche dem Deutschen Filmpreis, daß er nicht nur seinen festen Platz in den Regalen unserer herausragenden Kinokünstler behält, sondern auch echte Popularität als Wahrzeichen unserer eigenen Filmkultur erlangt. Ich danke Ihnen.