Redner(in): Angela Merkel
Datum: 03. Februar 2015

Untertitel: in Berlin
Anrede: Sehr geehrter Herr Professor Burger,sehr geehrte Frau Bundesministerin, liebe Frau Hendricks,sehr geehrter Herr Bundesminister, lieber Hermann Gröhe,liebe Kolleginnen und Kollegen aus dem Deutschen Bundestag,Herr Vizepräsident des Deutschen Bundestags
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Rede/2015/02/2015-02-03-merkel-robert-koch.html


Und vor allem Sie, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Robert Koch-Instituts und werte Gäste einige von Ihnen können unsere Veranstaltung auch am Bildschirm mitverfolgen; ich begrüße Sie genauso herzlich!

Ich freue mich, heute dabei zu sein, wenn wir dieses neue Gebäude mit seinen denkbar höchsten Standards eröffnen. Spitzenforschung braucht Spitzenbedingungen das war schon zu Robert Kochs Zeiten so. Viele seiner bahnbrechenden Erkenntnisse waren auch technischen Neuerungen zu verdanken. Und das ist auch heute so. Deshalb freue ich mich sehr, dass wir mit dem hochmodernen Laborgebäude des Robert Koch-Instituts nunmehr beste Voraussetzungen für weiteren Erkenntnisgewinn haben und dann auch Fortschritte als Ergebnis dieses Erkenntnisgewinns erzielen können.

Einen solchen Bau zu realisieren in dieser Größenordnung, mit diesen hohen Sicherheitsanforderungen mitten in Deutschlands größter Stadt, das ist eine Meisterleistung. Herr Professor Burger hat uns schon einen Einblick in die Höhen und Tiefen der Baugeschichte gegeben. Deshalb sage ich: Allen, die daran mitgewirkt haben, gebührt großer Respekt. Wir sagen ja im Deutschen auch: Ende gut, alles gut. Die Betriebsgenehmigung mag noch ausstehen, aber das Gebäude steht jetzt erst einmal fertig da.

Ich hatte zusammen mit den beiden Ministern bereits die Gelegenheit zu einem Rundgang. Der Gebäudekomplex ist sehr beeindruckend. Das gilt vor allen Dingen natürlich für das Hochsicherheitslabor. Hermetisch abgeschirmt, Zugang nur über ein aufwändiges Schleusensystem, eigene Luft- , Strom- und Wasserversorgung angesichts all dieser Sicherheitsvorkehrungen könnte man von einer Art Fort Knox des RKI sprechen. Darin wird zwar kein Gold gelagert, aber die Erkenntnisse, die hier künftig gewonnen werden, könnten Gold wert sein. Hier finden sich ausgezeichnete Voraussetzungen für die Forschung an hochpathogenen Krankheitserregern wie etwa Ebola-Viren. Nicht umsonst ist der Ebola-Sonderbeauftragte der Bundesregierung, Botschafter Lindner, heute auch hier.

Natürlich ist auch die beste Einrichtung nur so viel wert, wie sie tatsächlich genutzt wird. Deshalb freue ich mich mit dem Institut über eine personelle Verstärkung. Neben dem schon bekannten exzellenten Personal gibt es also noch zusätzliches Personal. Mit dem modernen S4 -Labor hat das RKI einen besonderen Trumpf in seiner Hand, um neue Wissenschaftler zu gewinnen, die sich auf die Arbeit mit gefährlichen Erregern spezialisiert haben. Ich denke, hier finden sie sehr attraktive Arbeitsbedingungen. Ich will allen ein Dankeschön sagen, die sich auf so eine Arbeit spezialisieren. Wenn man davon sozusagen von außen hört, wird einem gewahr, dass das nicht ganz ungefährlich ist. Umso wichtiger ist, dass wir sagen können: Hier gibt es wirklich exzellente Bedingungen für diese Arbeit.

Der Neubau insgesamt wird die anwendungsorientierte biomedizinische Forschung als eine der Kernaufgaben des Robert Koch-Instituts weiter voranbringen. Damit wird dem Institut eine noch wichtigere Rolle im Kampf gegen Infektionskrankheiten zukommen, als es sie heute ohnehin schon hat. Es ist schon davon gesprochen worden, dass der Betrag, der investiert werden musste, nicht ganz gering ist. Ich will das Geheimnis lüften: Die Investitionen von rund 170 Millionen Euro sind davon sind wir überzeugt gut angelegt.

Das Robert Koch-Institut ist eine zentrale Einrichtung des Bundes auf dem Gebiet der Krankheitsüberwachung und -prävention. Wenn neue Krankheiten auftreten oder Krankheiten sich sehr schnell ausbreiten, dann stellt sich ja sofort die Frage: Na, ihr werdet doch wohl alles verfügbar haben, was technisch und medizinisch machbar ist. Wenn man darauf antworten müsste "Wir sind gerade mitten im Bau" oder "Wir sind noch nicht so weit", dann wäre in solchen Momenten das Verständnis gering. Es gibt natürlich glücklicherweise auch lange Perioden, in denen nicht so viel nachgefragt wird. Aber wenn etwas vorfällt, dann will man schnell und unverzüglich absolut präzise Antworten haben.

Diese Einrichtung ist ein Frühwarnsystem für neue gesundheitliche Risiken. Sie ist eine Leitstelle, wenn Krankheiten ausbrechen und Gesundheitsbehörden Unterstützung brauchen. Sie ist eine Art Kompetenzzentrum zur Beratung auf Bundes- und Landesebene ebenso wie für Kliniken und Labore. Das Bundesinstitut genießt auch international einen hervorragenden Ruf. Es unterstützt personell und mit seiner Expertise auf europäischer und internationaler Ebene zum Beispiel das Europäische Zentrum für Krankheitskontrolle und Prävention, die Weltgesundheitsorganisation, die auch dringend auf neueste Erkenntnisse angewiesen ist, und zahlreiche Forschungskooperationen. Das heißt also: Wenn es darum geht, Infektionskrankheiten zu erkennen, zu verhüten und zu bekämpfen, dann ist das Robert Koch-Institut ein wichtiger Ansprechpartner eine national wie international hervorragende Adresse.

Lieber Herr Professor Burger, dass das so ist, ist auch Ihnen ganz persönlich zuzuschreiben. Dies ist keine Abschiedsrede, denn Ihre offizielle Verabschiedung steht noch aus. Aber die Gelegenheit, Ihnen herzlich danke zu sagen, möchte ich in diesem Rahmen doch gerne nutzen. Sie haben großen Anteil an den Erfolgen des Robert Koch-Instituts. Dass dieses Bauprojekt überhaupt realisiert wurde, hat viel mit Ihrem langjährigen Einsatz zu tun, aber auch mit dem Ihrer Vorgänger Sie haben schon darauf hingewiesen.

Natürlich lassen sich auch mit erweiterten Kapazitäten Forschungserfolge nicht einfach planen oder vorhersehen das liegt im Wesen der Forschung. Man kann aber sagen: Erfolge werden wahrscheinlicher, wenn man gut ausgerüstet ist. Wie wichtig lebenswichtig im wahrsten Sinne des Wortes biomedizinische Forschung ist, zeigt sich am besten im Vergleich mit der Vergangenheit. Viele Infektionskrankheiten, die früher auch hierzulande Alltag waren, haben inzwischen ihre Schrecken verloren Tuberkulose etwa, um ein Beispiel zu nennen, das besonders mit dem Namen Robert Koch verbunden ist. Verbesserte Hygiene, Impfungen oder Therapien haben viele lebensbedrohliche Krankheiten bei uns zu beherrschbaren Risiken gemacht. Aber wir müssen dafür Sorge tragen, dass das Wissen möglichst allen auf der Welt zugutekommt. Davon sind wir aber noch weit entfernt. Wir müssen auch dafür Sorge tragen, dass wir weiterhin wachsam bleiben. Denn manche Krankheiten, die sozusagen als nicht mehr existent angesehen wurden, können sich dann doch wieder in anderen Regionen der Welt ausbreiten.

Schätzungen zufolge sterben heute jährlich immer noch rund 1,5 Millionen Kinder weltweit an Krankheiten, die sich durch Impfung vermeiden lassen würden. Diese traurige Bilanz fordert uns zum Handeln heraus. In der vergangenen Woche war Berlin Gastgeber der Konferenz der globalen Impfallianz GAVI. Vertreter vieler Staaten waren angereist, um den Fonds für weltweite Impfprogramme wieder aufzufüllen. Das gesteckte Ziel, 7,5 Milliarden US-Dollar für die Periode von 2016 bis 2020 einzuwerben, wurde erreicht mit neuen Finanzierungsinstrumenten sind es sogar fast zehn Milliarden US-Dollar. Damit können wir in den nächsten Jahren viele Millionen Kinder impfen. Wir haben uns vorgenommen, mindestens 300 Millionen Kinder wieder impfen zu können und damit die Kindersterblichkeit deutlich zu senken. Die anwesenden Präsidenten aus Tansania und aus Mali, Herr Kikwete und Herr Keita, haben sehr eindringlich erzählt, was das für die Kinder in ihren Ländern im Einzelnen bedeutet. Das berührt so viele Einzelschicksale.

Die Konferenz war ein erfolgreicher Auftakt für unser gesundheitspolitisches Engagement im Rahmen der deutschen G7 -Präsidentschaft. Neben einem besseren Impfschutz für Kinder wollen wir uns auch dem Umgang mit antimikrobiellen Resistenzen widmen. Das Problem der Antibiotika-Resistenzen von Krankheitserregern hat sich in den vergangenen Jahren massiv erhöht. Das gilt nicht nur für Entwicklungsländer, sondern auch für Industrieländer. In Deutschland müssen viele Patienten die Erfahrung machen, dass sie an Erregern erkrankt sind, gegen die herkömmliche Antibiotika leider machtlos sind.

Es ist gut, dass wir hierzulande immerhin bereits Fortschritte mit Hilfe der Deutschen Antibiotika-Resistenzstrategie erzielt haben wiederum auch dank des Einsatzes des Robert Koch-Instituts. Wir konnten einige wichtige Maßnahmen auf den Weg bringen; zum Beispiel für eine verbesserte Krankenhaushygiene das bleibt allerdings auch in Zukunft noch eine Aufgabe und auch mit Blick auf den Antibiotika-Einsatz in der Tierhaltung auch dieses Thema bleibt auf der Tagesordnung. Auch in der Überwachung der Entwicklung des Antibiotika-Verbrauchs und der Antibiotika-Resistenzen haben wir wertvolle Erfahrungen gesammelt. Darauf wollen wir aufbauen und diese Erfahrungen auch international weitergeben.

Die Weltgesundheitsversammlung im Mai dieses Jahres wird aller Voraussicht nach den ersten globalen Aktionsplan zur Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen verabschieden; auch ich werde die Weltgesundheitsorganisation besuchen. Wir wollen dann Anfang Juni auf unserem G7 -Gipfel an die Erkenntnisse und Beschlüsse anknüpfen. Wir sollten die Chance nutzen, uns auf ein gemeinsames Vorgehen zu einigen, um wirklich konkrete Verbesserungen zu erreichen. Denn antimikrobielle Resistenzen anzugehen, ist eine Gemeinschaftsaufgabe. Viele Länder wären damit allein überfordert.

Das gilt ebenso mit Blick auf Krankheiten, die die Weltgesundheitsorganisation zu den vernachlässigten Tropenkrankheiten zählt. An ihnen leiden weltweit rund eine Milliarde Menschen, die weit überwiegend den ärmsten Bevölkerungsgruppen angehören. Wenn ich das richtig verstanden habe, bezeichnet man diese Krankheiten deshalb als "vernachlässigt", weil sie nicht hochansteckend sind und uns in den Industrieländern kaum erreichen. Aber eine Milliarde Menschen das ist doch eine dramatisch hohe Zahl.

Vergleichsweise hochentwickelte Länder hingegen können sich glücklich schätzen, dass für sie diese Krankheiten so gut wie kein Thema sind. Das hat aber zur Folge, dass Forschungsanreize fehlen und die Entwicklung von diagnostischen Tests, Therapien und Impfstoffen nicht allzu sehr vorangetrieben wird. Hierbei ist ein Umdenken wirklich dringend notwendig. Wir wollen uns diesem Thema widmen, ohne allerdings zu glauben, dieses Thema bereits in unserer G7 -Präsidentschaft ausreichend bearbeiten zu können.

Die Ebola-Epidemie in Westafrika hat uns vor Augen geführt, welche Folgen unkontrollierte Ausbrüche von Infektionskrankheiten haben können. Tausende haben sich infiziert und sind gestorben. Die menschlichen Leiden, die gesellschaftlichen Verwerfungen und die wirtschaftlichen Schäden sind unermesslich. Deshalb sind wir kurzfristig dazu aufgefordert, unsere Nothilfe in den betroffenen Ländern fortzusetzen. Deutschland tut das.

Ich möchte ausdrücklich auch allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Robert Koch-Instituts danken, die sich bereiterklärt haben, in Westafrika Blutproben zu analysieren und medizinisches Personal zu schulen. Ich danke auch allen, die dafür Sorge tragen, dass Deutschland auf die Herausforderungen, die Ebola mit sich bringt, gut vorbereitet ist. Wir haben mit den Zentren die notwendigen Vorkehrungen getroffen.

Langfristig müssen wir uns allerdings auch weltweit gegen den Ausbruch solcher Infektionskrankheiten besser wappnen. Deshalb wird es sehr wichtig sein, dass wir gemeinsam die Lehren aus dem, was wir im Zusammenhang mit Ebola erlebt haben, ziehen. Hierzu gibt es bereits Vorschläge. Jetzt geht es darum, diese Vorschläge zu bündeln und zu analysieren, um daraus realistische Optionen für konkrete Verbesserungen zu entwickeln. Deshalb habe ich mich gemeinsam mit der Ministerpräsidentin des Königreichs Norwegen und dem Präsidenten von Ghana an den Generalsekretär der Vereinten Nationen, Ban Ki-moon, gewandt. Ich glaube, er ist die richtige Adresse, wenn es darum geht, einen Bericht mit konkreten Verbesserungsvorschlägen in Auftrag zu geben.

Bei dieser Initiative kommt es mir besonders auf sechs Punkte an, die wir im Auge behalten sollten.

Erstens: Wir brauchen hinreichend viele Ärzte und medizinisches Personal, die jederzeit einsatzbereit und in Krisengebieten schnell einsatzfähig sind also sozusagen Weißhelme. Die Geschwindigkeit ist eine entscheidende Größe. Wir haben das schon am Beispiel Ebola gesehen. Ebola gehört zu den ansteckenden Krankheiten, aber nicht zu den höchstansteckenden Krankheiten. Es gibt also Krankheiten, bei denen die Ausbreitung im globalen Maßstab noch sehr viel schneller vonstattengehen könnte. Deshalb ist es wichtig, Vorsorge zu treffen.

Zweitens: Neben dem Personal müssen Ausstattung und Material Feldhospitäler, mobile Labore usw. möglichst rasch in die jeweils betroffene Region gelangen. Das heißt, wir brauchen eine leistungsfähige Logistik.

Drittens: Weil das alles Geld kostet, müssen wir einen Fonds einrichten, um finanzielle Hilfsmittel rasch abrufen zu können. Darauf hat insbesondere auch der Präsident der Weltbank beim G20 -Treffen hingewiesen.

Viertens: Es bedarf geeigneter organisatorischer Strukturen der Vereinten Nationen, damit sie ihrer Steuerungs- und Koordinierungsfunktion im Fall einer Epidemie gerecht werden können.

Fünftens: Die Gesundheitssysteme in besonders bedrohten Staaten sind zu stärken. Das ist eine dauerhafte Aufgabe. Es war zu sehen, dass insbesondere sehr fragile Gesundheitssysteme dazu beigetragen haben, dass drei Länder Westafrikas von Ebola sehr stark betroffen waren.

Sechstens: Wir brauchen mehr Anreize zur Erforschung und Produktion von Medikamenten und Impfstoffen gegen vernachlässigte Krankheiten. Hierbei richten sich natürlich auch Hoffnungen auf Deutschland im Allgemeinen und, wie immer, auf das Robert Koch-Institut im Besonderen.

Ob zur Prävention oder zur Reaktion mit dem neuen Hochsicherheitslabor sind wir für den Umgang mit hochpathogenen Krankheitserregern bestens gerüstet. Dabei erweist sich auch der Standort als Vorteil. Denn das ist auch von Professor Burger schon angesprochen worden das Hochsicherheitslabor befindet sich in unmittelbarer Nähe der Sonderisolierstation des Virchow-Klinikums. Insofern hält sich im Ernstfall, wenn jede Minute zählt, der Zeitverlust durch aufwändig gesicherte Transporte in Grenzen. Gerade bei hochansteckenden Krankheiten kommt es ja ich sagte es schon auf die Geschwindigkeit an.

Meine Damen und Herren, man muss kein Naturwissenschaftler sein, um am Beispiel des Robert Koch-Instituts zu sehen, welch großer Gewinn Spitzenforschung sein kann. Das, was Sie hier tun, dient dem Wohl aller. Dafür verdienen Sie nicht nur Dank und Anerkennung, sondern dafür haben Sie sich auch im wahrsten Sinne des Wortes dieses neue Gebäude verdient. Der Deutsche Bundestag hat Sie ja auch tatkräftig unterstützt.

Für Ihre überaus wertvolle und für viele wahrscheinlich auch sehr spannende Arbeit wünsche ich Ihnen weiterhin eine glückliche Hand und wenn Sie die haben, dann ist das zum Wohl von uns allen; dann geht es vielen Menschen besser. Danke dafür, dass ich heute hier dabei sein konnte. Viel Spaß an der Arbeit, viel Freude, gute Entdeckungen, gute internationale Kooperationen!

Herzlichen Dank!