Redner(in): Monika Grütters
Datum: 06. Februar 2015

Untertitel: "Mag die öffentliche Aufmerksamkeit sich auch auf andere richten, mag ein guter Film auch in erster Linie als Werk des Regisseurs, der Regisseurin gepriesen werden - einzig die Drehbuchautorinnen und Drehbuchautoren können von sich behaupten, Schöpfer des Stoffs zu sein, aus dem er entstanden ist." betonte Monika Grütters in ihrer Rede.
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Rede/2015/02/2015-02-06-gruetters-drehbuchpreis.html


Mag die öffentliche Aufmerksamkeit sich auch auf andere richten, mag ein guter Film auch in erster Linie als Werk des Regisseurs, der Regisseurin gepriesen werden - einzig die Drehbuchautorinnen und Drehbuchautoren können von sich behaupten, Schöpfer des Stoffs zu sein, aus dem er entstanden ist." betonte Monika Grütters in ihrer Rede.

Anrede,

Von allen Rollen, die im Zusammenhang mit einer Filmproduktion zu vergeben sind, scheint die des Drehbuchautors, der Drehbuchautorin auf den ersten Blick die undankbarste zu sein. Der französische Schriftsteller und Drehbuchautor Jean-Claude Carrière hat das Drehbuch in seinem Essayband "Der unsichtbare Film" mit einer Raupe verglichen, die eine Verwandlung zum Schmetterling durchläuft."Der Körper der Raupe", so Carrière,"enthält bereits alle Zellen, die Farbenpracht des Schmetterlings. ( … ) Aber sie fliegt noch nicht. ( … ) Wenn sie sich zu gegebener Zeit verwandelt hat, wenn sie ihre letzte Form angenommen hat ( … ) , bleibt von ihr nur eine vertrocknete Hülle, die vom Ast fällt und vom Wind davon getragen wird."

So wie die Raupe verschwunden ist, wenn der Schmetterling lebt, so gibt es auch das Drehbuch nicht mehr, wenn der Film existiert. Die roten Teppiche, die Blitzlichtgewitter, die jubelnden Fans bei den Filmpremieren - all das gilt anderen: den Schauspielern vor allem, dem Regisseur, aber in der Regel nicht Ihnen, den Drehbuchautorinnen und Drehbuchautoren. Wir erleben es ja gerade während der Berlinale.

Und doch muss es ein geradezu magischer Moment sein: das Fliegen des Schmetterlings mitzuerleben, die eigenen Worte zum Leben erweckt zu sehen. Mag die öffentliche Aufmerksamkeit sich auch auf andere richten, mag ein guter Film auch in erster Linie als Werk des Regisseurs, der Regisseurin gepriesen werden - einzig die Drehbuchautorinnen und Drehbuchautoren können von sich behaupten, Schöpfer des Stoffs zu sein, aus dem er entstanden ist. Das Gesamtkunstwerk Film lebt von ihrer Fantasie, von ihren Ideen, von ihrem erzählerischen Talent, von ihrem Gespür für Dialoge und Zwischentöne, von ihrer fesselnden Sprache, die andere in den Bann einer Geschichte zieht.

Das Drehbuch muss ja nicht nur eine Produzentin oder einen Produzenten überzeugen, sondern auch Förderinstitutionen und natürlich den passenden Regisseur, die passenden Schauspieler. Damit ist es gewissermaßen das Bewerbungsschreiben jedes Filmprojekts. Am Gelingen oder Misslingen eines Films hat das Drehbuch deshalb einen wesentlichen, wenn nicht gar den entscheidenden Anteil. Dass Deutschland dieses Jahr bei der Berlinale mit gleich vier Beiträgen im Wettbewerb vertreten ist, das ist auch der Tatsache geschuldet, dass wir hier dank unserer Filmhochschulen viele gut ausgebildete Autorinnen und Autoren haben.

Gründe genug, den roten Teppich zumindest einmal im Jahr exklusiv für die Drehbuchautorinnen und Drehbuchautoren auszurollen und die besten unverfilmten Drehbücher ins Rampenlicht zu holen! Dazu vergibt mein Haus den Deutschen Drehbuchpreis, die wichtigste und höchstdotierte Auszeichnung für Schöpferinnen und Schöpfer herausragender filmischer Stoffe.

Die besondere Herausforderung für die Jury besteht bei diesem Preis darin, dass sie ( um im Bild Jean-Claude Carrières zu bleiben ) nicht die Schönheit der Schmetterlinge beurteilt, sondern das Potential der Raupen - nicht den Film, sondern den Traum eines Films. Das ist eine Aufgabe, für die es viel Expertise braucht. Ein herzliches Dankeschön an die Jurymitglieder, die mit ihrer Sachkenntnis, ihrer Erfahrung und nicht zuletzt ihrer Zeit dazu beitragen, die verheißungsvollsten Raupen aufzuspüren!

Dass das immer wieder gelingt, zeigen die mittlerweile fertigen Filme, die aus den mit dem Deutschen Drehbuchpreis ausgezeichneten Stoffen entstanden sind: Das Drehbuch "Freistatt" von Nicole Armbruster und Marc Brummund zum Beispiel hat 2013 den Deutschen Drehbuchpreis gewonnen und feierte auf dem diesjährigen Filmfestival Max Ophüls Premiere, dem wichtigsten Festival für den jungen deutschsprachigen Film. Es wurde dort gerade mit dem Preis der Jugendjury und mit dem Publikumspreis ausgezeichnet.

Das 2014 nominierte Drehbuch "Vier Könige" von Esther Bernstorff wird voraussichtlich Ende dieses Jahres in die Kinos kommen, so wie wahrscheinlich auch das Filmprojekt von Thomas Stuber und Clemens Meyer, die ebenfalls 2014 für ihr Drehbuch "Herbert" nominiert waren.

Ich freue mich sehr über diese schönen Erfolge unserer Preisträger und Nominierten aus den Vorjahren - und ich hoffe, dass wir mit dem Deutschen Drehbuchpreis auch 2015 dazu beitragen können, dass gute Geschichten den Weg vom Papier auf die Leinwand finden!

Das ist nicht nur, aber auch eine Frage des Geldes: Deshalb stellen wir im Rahmen des Deutschen Drehbuchpreises neben den Prämien für die Nominierten in Höhe von 5.000 Euro und dem Preisgeld für den Gewinner in Höhe von 10.000 Euro zusätzlich Fördermittel in Höhe von 20.000 Euro für die Fortentwicklung des ausgezeichneten Drehbuchs zur Verfügung. Darüber hinaus vergeben wir im Rahmen der Drehbuchförderung jährlich weitere 360.000 Euro für die Entwicklung herausragender Drehbücher, die ausschließlich den Autorinnen und Autoren zugute kommen.

Geförderte Autorinnen und Autoren können sich darüber hinaus von unserer 2002 eingerichteten Autoren-Beratungsstelle, dem Drama Department, begleiten lassen; wir unterstützen also nicht nur finanziell, sondern beraten auch bei der Entwicklung der Projekte. Das bewährt sich seit vielen Jahren: Ein großer Teil der durch mein Haus geförderten Drehbücher kann auch tatsächlich realisiert werden.

Was Autorinnen und Autoren darüber hinaus aber vor allem brauchen, sind Rahmenbedingungen, die eine Existenz in diesem Beruf möglich machen und damit ihre künstlerische Freiheit sichern.

Dazu trägt zum Beispiel die Künstlersozialversicherung bei: Wer künstlerische Leistungen in Anspruch nimmt, der muss auch dazu beitragen, dass Künstlerinnen und Künstler von ihrer Arbeit nicht nur knapp überleben können, sondern angemessen bezahlt und sozial abgesichert werden. In diesem Sinne haben wir die Künstlersozialversicherung gleich zu Beginn der Legislaturperiode unter anderem durch bessere Prüfpflichten der Rentenversicherer stabilisiert.

Nicht minder wichtig ist ein geeigneter Rechtsrahmen, wenn es um die Erzielung von Einkünften aus künstlerischer Arbeit geht:

Dazu gehört insbesondere ein Urheberrecht, das dem Urheber einen fairen und angemessenen Anteil am Ertrag aus seiner kreativen Leistung sichert. Das ist eine Front, an der ich im Moment als Interessenvertreterin der Künstler und Kreativen besonders gefordert und aktiv bin.

Notwendig ist aber auch eine großzügige Filmförderung: Sie trägt der Tatsache Rechnung, dass Filme auch Kulturgüter sind, nicht nur Wirtschaftsgüter. Sie sorgt dafür, dass nicht nur diejenigen Projekte eine Chance haben, die dem Geschmack der breiten Masse entsprechen. Sie schenkt Künstlerinnen und Künstlern die Freiheit, nicht gefallen zu müssen. Diese Freiheit steht für mich auch bei der anstehenden Novelle des Filmförderungsgesetzes im Vordergrund. Auch bei dieser Novelle, da bin ich sicher, wird der Verband Deutscher Drehbuchautoren mit seinem engagierten Vorstand für eine angemessene Vertretung der Interessen der Drehbuchautorinnen und -autoren sorgen.

Das Drehbuch für den heutigen Abend, meine Damen und Herren, sieht vor, dass ich zum Schluss komme und der Spannungskurve erlaube, ihrem Höhepunkt - der Preisverleihung -zuzustreben. Ich gratuliere allen Nominierten herzlich, dass sie es in die Endauswahl geschafft haben - schon das ist ein Ritterschlag und hoffentlich auch ein Türöffner für die filmische Umsetzung.

Viel Erfolg Ihnen allen auch in Zukunft für Ihre kreative Arbeit! Ich bin sicher, wir werden wieder von Ihnen hören, auch wenn Sie alle Meisterinnen und Meister einer Schreibkunst sind, die sich- wie Jean-Claude Carriére es ausgedrückt hat - "mit geradezu obsessiver Beharrlichkeit daran erinnern [muss] , dass sie dazu bestimmt ist, zu verschwinden."

Bevor die guten Drehbücher verschwinden, widmen wir ihnen und ihren Schöpferinnen und Schöpfern zumindest heute die ihnen gebührende Aufmerksamkeit.

Ihnen allen einen schönen Abend!