Redner(in): Monika Grütters
Datum: 23. April 2015

Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Rede/2015/04/2015-04-23-gruetters-grundschule-der-kuenste-udk.html


Was Sie hier machen, ist schon "ein starkes Stück" : Sie bringen die Kunst der größten Künstler an die buchstäblich kleinsten Leute: die Kinder. Sie laden sie alle in eine "Grundschule der Künste" ein - was für ein treffender Begriff! Sie haben die zugrundeliegende Idee ganz ernst genommen und keine Mühe gescheut, sie zu verwirklichen. Ihr Projekt, so leicht es auch daher kommen mag, hat in meinen Augen ein ganz erhebliches Gewicht, und zwar sowohl wegen seiner herausragenden künstlerischen Qualität, aber auch wegen seiner kulturpolitischen Signalwirkung. Deshalb habe ich die Einladung zu dieser Einweihungsfeier sehr gern angenommen.

Bildung ist auch heute und auch hier bei uns noch immer in hohem Maße von der sozialen Herkunft abhängig. Deshalb engagieren wir uns sehr für die kulturelle Bildung - ein Thema, das mir seit vielen Jahren sehr am Herzen liegt. Zum einen ist es mir wichtig, Kinder und Jugendliche neugierig zu machen auf Kunst und Kultur - sonst wird unser kulturelles Erbe am Ende ohne Erben dastehen. Darüber hinaus ist es wichtig, die ästhetische Urteilsfähigkeit zu schulen. Gerade in unserer schnelllebigen, globalisierten Welt ist das eine wertvolle Schule der Persönlichkeit und der individuellen Entwicklung.

Vor allem aber geht es in der Kulturellen Bildung immer auch darum, kulturelle Teilhabe zu ermöglichen. Das ist die gesellschaftliche Dimension, für die wir- die Politik - verantwortlich sind. Teilhabe am Kulturleben ist eine grundlegende Voraussetzung dafür, unser gesellschaftliches Zusammenleben mit zu gestalten. Deshalb versuchen wir alle gemeinsam auf vielfältige und phantasievolle Art, alle Menschen, die dauerhaft in unserem Land leben, in ihrer jeweils ganz eigenen Lebenswelt abholen mag diese auch noch so weit weg sein von öffentlich geförderten kulturellen Angeboten. Das ist einerseits sehr anspruchsvoll - aber es ist andererseits das Mindeste, was wir von der berühmten "Kulturnation" Deutschland erwarten können und sollen...

Sie selbst, lieber Herr Prof. Eliasson, haben es in einem Vortrag einmal so formuliert: "Zwischen Denken und Handeln liegt die Erfahrung. Und bei der Erfahrung geht es darum, verantwortlich Anteil an der Welt zu nehmen". In diesem Sinne haben Sie die Initiative ergriffen und einen Ort der Erfahrung geschaffen - einen Lernraum für Kinder, in dem diese unabhängig von ihrer sozialen und kulturellen Herkunft sinnliche und künstlerische Erfahrungen mit ihrer Umgebung machen können.

Die Aufgabe meines Ressorts ist es, beispielhafte Aktivitäten, die eben diesem Ziel verpflichtet sind, nach Kräften zu unterstützen. Das tun wir dann auch auf zweierlei Art und Weise.

Erstens: Wir schaffen Rahmenbedingungen für ein der Kunst günstiges Klima. Heute, am Welttag des Buches und des Urheberrechts, ist da besonders auf die Bedeutung eines modernen, der digitalen Welt angepassten Urheberrechts hin zu weisen. Wir müssen dafür sorgen, dass man auch im Zeitalter des Internets von geistiger Arbeit leben kann. Das geht nur, wenn Kreative angemessen an der Wertschöpfung aus ihrer intellektuellen oder künstlerischen Leistung beteiligt werden.

Zum zweiten haben wir unermüdlich für die eminent gesellschaftliche Bedeutung der Kunst zu werben. Das hört sich für Sie, die es täglich tun, vielleicht selbstverständlicher an als es ist. Für viele ist Kunst aber immer noch so etwas wie ein dekoratives Beiwerk - ein Luxus, den man sich leistet oder auch nicht. Deshalb erinnere ich immer wieder daran, dass wir die Kunstfreiheit nicht ohne Grund in den Verfassungsrang erhoben haben.

Unsere Demokratie ist auf den Trümmern des Totalitarismus gebaut - das sollten wir 70 Jahre nach der Befreiung von der Diktatur der Nationalsozialsten und 25 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung, mit der auch die kommunistische Diktatur auf deutschem Boden Geschichte wurde, nicht vergessen. Aus zwei deutschen Diktaturen haben wir eine Lehre gezogen, die da lautet: Die Freiheit der Kunst ist konstitutiv für eine Demokratie. Kreative und Intellektuelle sind das Korrektiv einer Gesellschaft. Wir brauchen experimentierfreudige Künstler und unbequeme Denker! Sie sind der Stachel im Fleisch unserer Gesellschaft, der verhindert, dass intellektuelle Trägheit, argumentative Phantasielosigkeit und politische Bequemlichkeit die Demokratie einschläfern. Sie sind es, die unsere Gesellschaft vor neuerlichen totalitären Anwandlungen zu schützen imstande sind. Und: Künstler sind dann gut und überzeugen, wenn sie nicht zwangsläufig gefallen müssen - wenn sie es dennoch tun, umso besser!

Eben darum bin ich so froh, meine Leidenschaft für die kulturelle Bildung und meine Freude am Schönen als Politikerin einsetzen zu können. Überzeugen werde ich mit meiner Werbung freilich nur dort, wo ich selbst auch überzeugt bin. Das ist hier der Fall. Was sich Olaf Eliasson, Judith Seng, Kristen Winderlich und Jan Blieske bei der Gestaltung von Studio, Atelier und Forschungswerkstatt im Einzelnen gedacht haben, werden Sie gleich noch ausführlicher hören.

Eines ist klar: Sie haben so ziemlich an alles gedacht. An die sinnlich-körperliche Erfahrbarkeit von Licht, Farbe, Material - wo sie freundlich, wo sie unfreundlich sind, wo sie der Fantasie Raum geben, wo sie sie begrenzen. Sie beschäftigen sich mit den "1000 Sprachen der Kinder" und haben dabei, wie ich auf Ihrer Website gesehen habe, auch an das Buch gedacht, auf das ich aus schon genanntem Anlass dem heutigen Welttag des Buches - noch einmal zurückkomme. Ganz konkret gestalten Sie diesen Sommer gemeinsam mit Kindern einen Museumsführer - ein Buch. Dass Sie Kindern die Gelegenheit geben, selbst an der Gestaltung eines Buches mit zu wirken, ist allein schon ein Grund zu feiern.

Für diese Ihre Arbeit, die jetzt kommt, kann ich Ihnen nur von Herzen den verdienten Erfolg wünschen. Sie leisten einen wichtigen Beitrag dazu, dass Kunst in Deutschland bei Groß und Klein mehr ist als ein Standortfaktor - dass sie vielmehr schon bei den Kleinen zu einem Modus unseres Zusammenlebens wird. Dafür wünsche ich Ihnen und uns allen viel Glück!