Redner(in): Monika Grütters
Datum: 15. Juni 2015

Untertitel: Die Studierenden dieser Akademie werden mit Erfahrungen grenzüberschreitenden Miteinanders in die Zivilgesellschaften ihrer Heimatländer zurückkehren, sagte Grütters in ihrem Grußwort. "Diese Vision kann auch als Beitrag der Bundesrepublik für den Friedensprozess im Nahen Osten verstanden werden."
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Rede/2015/06/2015-06-15-gruetters-barenboim-said-akademie.html


Die Studierenden dieser Akademie werden mit Erfahrungen grenzüberschreitenden Miteinanders in die Zivilgesellschaften ihrer Heimatländer zurückkehren, sagte Grütters in ihrem Grußwort."Diese Vision kann auch als Beitrag der Bundesrepublik für den Friedensprozess im Nahen Osten verstanden werden."

Anrede,

Gleich zwei herrliche Richtfeste, und so nah bei- und so nah nacheinander! Vergangenen Freitag das Richtfest für das Humboldt-Forum im Berliner Schloss, heute das Richtfest für die Barenboim-Said-Akademie.

Und: Nicht nur zeitlich und räumlich liegen diesen beiden Richtfeste dicht beieinander. In beiden Projekten geht es um die Weltkultur, geht es darum, dass wir im Herzen der deutschen Hauptstadt nicht uns selbst in den Mittelpunkt stellen, sondern dass die Welt in Berlin ein Zuhause findet. Dass Deutschland sich statt in reiner Selbstbezüglichkeit mit einem großartigen Blick nach außen als Partner in der Welt empfiehlt, das sagt viel aus über das Selbstverständnis der Kulturnation Deutschland zu Beginn des 21. Jahrhunderts.

In diesem Jahr haben wir in Deutschland schon vielfach des Sieges über die NS-Barbarei vor 70 Jahren gedacht. Nach dem unermesslichen menschlichen Leid und dem gewaltigen Schaden für unsere Kultur ist es so unglaublich wie beglückend, dass wir zugleich 50 Jahre deutsch-israelischer Beziehungen feiern können. Heute sind wir froh und dankbar, dass Juden aus aller Welt, unter ihnen viele Bürger des Staates Israel, gern bei uns in Deutschland sind und leben - besonders in Berlin - , dass sie wieder Gäste, Partner sein wollen, dass sie wieder integraler Teil unserer hiesigen Kultur geworden sind.

Sie, lieber Daniel Barenboim, haben Ihr 1999 gemeinsam mit Ihrem palästinensischen Freund Edward Said in Weimar gegründetes Orchester allein durch die Namensgebung - "West-östlicher Divan" - unter die Schirmherrschaft unseres Dichterfürsten Goethe gestellt. Wie er, so glauben auch Sie an die versöhnende und Völker verbindende Kraft der Kultur, insbesondere der Musik. Jeder höret gern den Schall an,

Der zum Ton sich rundet."

So steht es im "West-östlichen Divan", und Sie, lieber Daniel Barenboim, wissen besser als die meisten Menschen hier, was das heißt, wenn Sie selber sagen: "Musik steht im Zentrum dessen, was wir als menschlich bezeichnen". In diesem Glauben haben Sie es gewagt, Berlin als den Ort zu reklamieren, an dem Sie gegenseitige Achtsamkeit durch gemeinsames Musizieren für israelische und palästinensische Studierende erfahrbar machen.

Im "Kriegestunder" - wie es in Goethes "Divan" heißt - gehen die Friedensbemühungen auch der Besten leicht unter. Aber Sie, lieber Daniel Barenboim, lassen sich dadurch genau so wenig entmutigen wie wir. Denn auch Sie wissen, dass es die Kultur ist, die Brücken baut, wo Politik und Diplomatie an ihre Grenzen stoßen.

Die Studierenden der Barenboim-Said Akademie werden als Botschafter einer deutschen und europäischen Musik-Kultur in die Zivilgesellschaften ihrer Heimatländer zurückkehren. Sie werden Erfahrungen grenzüberschreitenden Miteinanders dorthin mitnehmen. Die Erfahrungen der Studierenden sind nicht mathematisch quantifizierbar, und sie werden in keiner Export-Statistik auftauchen. Doch sollten auch nur einige von ihnen die Musik und die Erfahrung gelebter Gemeinschaft in ihrer Heimat weitergeben, sind sie die vornehmste Bestätigung Ihrer großartigen Vision, lieber Daniel Barenboim!

Diese Vision und mit ihr die Barenboim-Said-Akademie hier in Berlin zu betreuen, das kann auch als Beitrag der Bundesrepublik für den Friedensprozess im Nahen Osten verstanden werden. Der schöne Konzertsaal der Akademie wird ein kleines Zentrum interkultureller Bildung und interkulturellen Dialogs sein: ein Ort weltoffener Inspiration. Die Baukunst, die Musik werden gewissermaßen einen Schall zum Ton runden.

Dafür möchte ich heute allen Beteiligten von Herzen danken! Die Bauarbeiter und Handwerker, die Planer und Projektsteuerer, die Sponsoren und die Initiatoren, der Gründer und der Direktor, und nicht zuletzt der Architekt, Frank Gehry, der den Entwurf pro bono gezeichnet hat - Sie alle haben ganz offensichtlich herausragende Arbeit geleistet. Als Bundesregierung sind wir mit 20 Millionen Euro an den mit 33,7 Millionen Euro veranschlagten Kosten für den Bau beteiligt. Wir freuen uns, dass die Stadt Berlin den Baugrund unentgeltlich zur Verfügung stellt. Wir freuen uns, dass engagierte Sponsoren diese Akademie ebenso wie das West-Eastern Divan Orchestra, aus dessen Arbeit die Idee dazu hervorgegangen ist, ausdauernd und großzügig unterstützen. Und wir freuen uns über Ihren langen Atem und Ihre schier unerschöpfliche Kraft, lieber Daniel Barenboim!

Beim Richtfest blicken wir erwartungsvoll voraus: nicht nur auf die Fertigstellung des großartig geplanten und großartig gemachten Bauprojekts, sondern ebenso auf die Zeit danach. Die Bundesregierung ist sich einig: auch am laufenden Betrieb der Akademie, die schon im Herbst 2016 ihre pädagogische Arbeit aufnimmt, werden wir uns beteiligen. Diese Akademie gehört in unsere deutsche Hauptstadt und wird ein einzigartiger Bestandteil unseres reichen Kulturlebens hier werden. Und so mag des Lebens Erzklang

Durch die Seele dröhnen! " ( Goethe, West-östlicher Divan )

Es ist der Klang der Welt, in dem wir über alle Kulturen und viele Konflikte hinweg erkennen: Uns Menschen - in aller Welt - verbindet viel mehr als uns trennt. Ich freue mich auf die Eröffnung der Barenboim-Said-Akademie im nächsten Jahr! Sie ist ein wegweisendes kulturelles Versöhnungsprojekt. Vielen Dank dafür!