Redner(in): Monika Grütters
Datum: 06. Juli 2015
Untertitel: "Was Deutschland und Japan verbindet, kann sich nicht nur sehen lassen wie in dieser Ausstellung. Es kann sich auch hören und erleben lassen - und zwar in der regen kulturellen Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Japan." sagte Monika Grütters in ihrer Rede.
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Rede/2015/07/2015-07-06-gruetters-ausstelllungseroeffnung-was-deutschland-und-japan-verbindet.html
Was Deutschland und Japan verbindet, kann sich nicht nur sehen lassen wie in dieser Ausstellung. Es kann sich auch hören und erleben lassen - und zwar in der regen kulturellen Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Japan." sagte Monika Grütters in ihrer Rede.
Vor vielen Jahrzehnten - die Aufnahme offizieller Beziehungen zwischen Deutschland und Japan lag noch keine 30 Jahre zurück - , schrieb ein junger Medizinstudent aus Japan über die deutsche Hauptstadt Berlin, ich zitiere: "Mit der vagen Erwartung von Erfolg und Ruhm ( ... ) stand ich plötzlich in der Mitte dieser neuen Metropole Europas. Welcher Glanz traf meine Augen, welche Farbenpracht verwirrte mein Herz!"
Diese Zeilen voll staunender Begeisterung stammen aus Mori Ogais Erzählung "Maihime" ( "Das Ballettmädchen" ) . Der unter den Dichtern wohl berühmteste Grenzgänger und Mittler zwischen deutscher und japanischer Kultur hat nicht nur der deutschen Lebenswelt des ausgehenden 19. Jahrhunderts ein literarisches Denkmal gesetzt. Er soll in den vier Jahren seines Deutschland-Aufenthalts nebenbei auch noch 4.000 Titel deutscher Autoren gelesen haben. Nicht wenige davon, darunter Goethes "Faust", hat er später ins Japanische übersetzt und damit neue Räume des Verständnisses und der Verständigung in den deutsch-japanischen Beziehungen erschlossen.
So hingebungsvoll wie Mori Ogai Ende des 19. Jahrhunderts in seiner Prosa, in seinem "Deutschlandtagebuch" und in seinen Übersetzungen den vielen Facetten einer für ihn fremden Kultur nachspürte, so feinsinnig widmet sich die Ausstellung "Was Deutschland und Japan verbindet" den vielfältigen Verbindungen zwischen unseren beiden Ländern. Selbst die poetische Kraft, die Mori Ogais Deutschlandbild so facettenreich schillern lässt, klingt in der Ausstellung hier und da an - so wie es der Titel "Fremde Gefährten" der Vorläufer-Ausstellung verspricht, die 2011/2012 in Mannheim zu sehen war.
Fremde Gefährten - ja, das sind unsere beiden Länder: einander seit langem vielfach verbunden als treue Weggefährten mit ähnlichen Werten und Interessen, einander aber doch - bedingt durch kulturelle Unterschiede - auf eine Weise fern, die die außergewöhnlich große wechselseitige Faszination und Anziehungskraft begründet.
Sie, lieber Herr Prof. Kurushima, haben keine Mühen gescheut, diese schöne Ausstellung hier in Sakura möglich zu machen. Es ist mir gleichermaßen Freude und Ehre, sie im Namen der deutschen Bundesregierung gemeinsam mit Herrn Vize-r Kiuchi und Ihnen zu eröffnen. Herzlichen Dank für Ihre Einladung und für Ihre Gastfreundschaft!
Was Deutschland und Japan verbindet, kann sich nicht nur sehen lassen wie in dieser Ausstellung. Es kann sich auch hören und erleben lassen - und zwar in der regen kulturellen Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Japan. In der Berliner Philharmonie beispielsweise sind immer wieder Japaner die Konzertmeister. Um die Raumakustik des neuen Konzertsaals in der Berliner Barenboim-Said Akademie kümmert sich ein renommierter japanischer Akustiker. Und was die deutsche Filmregisseurin Ulrike Ottinger in ihrem Oscar gekrönten und mit Bundesmitteln aus meinem Etat geförderten Film "Unter Schnee" über die mythische Schneelandschaft in der Region Echigo erzählt, drückt auf sehr poetische Weise die deutsche Wertschätzung für Japan aus. Mit diesem Film, mit Theateraufführungen, Konzerten und Ausstellungen haben wir vor vier Jahren 150 Jahre deutsch-japanische Beziehungen gefeiert.
Über das wechselseitige Interesse an der Kultur eint Deutschland und Japan das Bekenntnis zu den Prinzipien der Demokratie und der Sozialen Marktwirtschaft und zur globalen Verantwortung für ein friedliches Miteinander freier, offener Staaten und Gesellschaften. Vielleicht am engsten verbunden sind wir im Wissen darum, wie hart Demokratie erkämpft werden muss. Die schwierige Aufgabe, nach dem Kalten Krieg die Welt neu zu ordnen und demokratischen Werten zum Durchbruch zu verhelfen, hat Deutschland, die europäischen Industrienationen, Nordamerika und Japan eng zusammen geschweißt.
Solche Verbindungen können nur dann von Dauer sein, wenn sie auch im Alltag der Menschen Wurzeln schlagen - in Form gegenseitiger Wertschätzung und persönlicher Beziehungen. Dafür gibt es auf japanischer wie auch auf deutscher Seite viele Beispiele. Die traditionelle Liebe der Japaner zur deutschen Musik beispielsweise hat ihr Gegenstück in der Begeisterung der Deutschen für die prachtvolle Garten- , Porzellan- und Textilkultur der Japaner. Zur Pflege persönlicher Beziehungen tragen unter anderem mehr als 60 deutsch-japanische Städtepartnerschaften sowie der deutsch-japanische Jugendaustausch bei. In der Ausstellung gibt es viele weitere Facetten deutsch-japanischer Verbundenheit zu entdecken.
Für mich persönlich gehört dazu auch ein Roman, in dem eine Sammlung japanischer Netsuke-Figuren die Hauptrolle spielt und der just 2011, im 150. Jubiläumsjahr der deutsch-japanischen Beziehungen, monatelang auf deutschen Bestsellerlisten stand. Edmund de Waal erzählt in seinem Buch "Der Hase mit den Bernsteinaugen" von der ehemals reichen jüdischen Familie Ephrussi, der nach ihrer Vertreibung aus dem von den Nazis beherrschten Österreich vom ganzen früheren Besitz nur eine Sammlung sorgsam gehüteter Netsuke geblieben ist, deren abenteuerlichen Weg durch die Geschichte er rekonstruiert. Der Hase mit den Bernsteinaugen ist das Lieblingsstück des Erzählers. Er hat auch mich in seinen Bann gezogen und den Wunsch geweckt, das ferne Japan endlich zu bereisen und seine Kultur kennen zu lernen. Wie schön, dass die Feier der Freundschaft unserer Länder mir diesen Wunsch erfüllt hat!
Ich freue mich auf die Ausstellung, wünsche ihr viel Erfolg und hoffe, dass Sie ihre Besucherinnen und Besucher genauso fasziniert wie mich die Netsuke und der Hase mit den Bernsteinaugen! Auf eine weiterhin starke und vertrauensvolle deutsch-japanische Freundschaft!