Redner(in): Monika Grütters
Datum: 10. September 2015
Untertitel: "Wie sehr die Kulturnation Deutschland vom Engagement privater Sammler und Mäzene profitieren kann - vor allem, wenn sie ihre Schätze auch noch öffentlich ausstellen - das macht die exquisite, von Professor Peter-Klaus Schuster hervorragend kuratierte Ausstellung mit 400 Kunstwerken aus der Sammlung Würth anschaulich. Sie zeigt, was Kunstliebhaber wie Reinhold Würth aus einem hohen Ethos des Sammelns und Bewahrens heraus an Pionierarbeit insbesondere für die Rezeption zeitgenössischer Kunst leisten", so Monika Grütters in ihrer Rede.
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Rede/2015/09/2015-09-09-gruetters-wuerth.html
Wie sehr die Kulturnation Deutschland vom Engagement privater Sammler und Mäzene profitieren kann - vor allem, wenn sie ihre Schätze auch noch öffentlich ausstellen - das macht die exquisite, von Professor Peter-Klaus Schuster hervorragend kuratierte Ausstellung mit 400 Kunstwerken aus der Sammlung Würth anschaulich. Sie zeigt, was Kunstliebhaber wie Reinhold Würth aus einem hohen Ethos des Sammelns und Bewahrens heraus an Pionierarbeit insbesondere für die Rezeption zeitgenössischer Kunst leisten ", so Monika Grütters in ihrer Rede.
Anrede, Wir können alles - außer Hochdeutsch ", behauptet man selbstbewusst in Baden-Württemberg, und ja: - ganz offensichtlich hat das" Ländle "auch in der Kunst und Kultur nicht zu unterschätzende Könner und Kenner. Sie haben es jedenfalls geschafft, lieber Herr Professor Würth, dass Schwäbisch Hall und Künzelsau heute klingende Namen in den Ohren von Kunstliebhabern sind - wenn ich auch zum Glück noch niemanden bei einem Spaziergang auf der Museumsinsel habe sagen hören, was lange Zeit provokativ als Werbekampagne auf Berliner Bussen zu lesen war:" Nett hier. Aber waren Sie schon mal in Baden Württemberg? "
Ich, meine Damen und Herren, war natürlich schon in Baden-Württemberg und habe mir den Besuch in der Würth-Kunsthalle in Schwäbisch Hall selbstverständlich nicht entgehen lassen.
Was mich bei unserem Rundgang im Januar besonders beeindruckt hat, lieber Herr Würth, das war - neben den unglaublichen Kunstschätzen, die Sie seit den 1960er Jahren zusammen getragen haben - das Feuer der Sammelt, mit der Sie eine der international größten und bedeutendsten Kunstsammlungen aufgebaut haben. Wer die Kunst liebt, meine Damen und Herren, - und das ist ja das Faszinierende an privaten Sammlungen - hat meist eine ganz persönliche "Kunstgeschichte" zu erzählen: eine Kunstgeschichte, die nicht nach Epochen oder Strömungen geordnet ist, sondern gleichsam biographisch: nach eigenen Begegnungen mit den Werken der Künstlerinnen und Künstler, die einem etwas bedeuten, nach eigenem Erkenntnisinteresse, nach Fragen, die einen ganz persönlich bewegen. Eben das macht den Kunstliebhaber aus: im Zusammenhang mit einem Kunstwerk nicht zuallererst an seinen Preis zu denken, sondern vor allem an seinen Wert.
Dass Kunst einen Wert und einen Preis hat und dass die sorgfältige Unterscheidung zwischen beidem keinesfalls nur eine semantische Spitzfindigkeit ist, das ist zwar nicht neu, scheint mir aber in den vergangenen Wochen leider etwas in Vergessenheit geraten zu sein. Die aufgeregte Debatte um die Novellierung des Kulturgutschutzgesetzes zeigt: Wo die einen von Kunst reden, da denken die anderen an Geld. Das macht die Verständigung leider nicht einfacher. Es geht hier, um es kurz zu erläutern, um ein Gesetz, das zum einen endlich den illegalen Handel mit Antiken insbesondere aus den Kriegs- und Krisengebieten im Nahen Osten unterbinden soll.
Zum anderen muss der Staat die Möglichkeit haben, in wenigen, besonderen Ausnahmefällen national wertvolles Kulturgut mit einer herausragenden Bedeutung für die Region oder für unser Land zu beschützen und zu bewahren. Um das zu gewährleisten, brauchen auch wir Ausfuhrregeln. Bislang hängt Deutschland der europäischen Entwicklung weit hinterher: Seit 23 Jahren ist es gute und EU-weit - und damit auch für Deutschland! - verpflichtende Praxis, Ausfuhrgenehmigungen für bestimmte Kulturgüter ins außereuropäische Ausland einzuholen. In fast allen anderen EU-Ländern gilt dies längst - auch für den EU-Binnenmarkt. Deutschland führt das als eines der letzten EU-Länder jetzt auch endlich ein.
Konkret bedeutet das: Die EU-Vorgaben, denen Kunsthändler schon jetzt bei der Ausfuhr von Kulturgut nach New York oder Basel genügen müssen, gelten künftig auch für die Ausfuhr nach London oder Madrid. Dabei ist in unserer deutschen Regelung die gesamte zeitgenössische Kunst überhaupt nicht betroffen, und die Ausfuhrgenehmigung - das zeigen die Erfahrungen der vergangenen 23 Jahre - wird in fast allen Fällen und innerhalb weniger Tage erteilt.
Soweit zu den viel diskutierten Ausfuhrregelungen. Und dann zum Begriff "national wertvolles Kulturgut" und zur Eintragung von Kunstwerken in entsprechende Listen. Beim Schutz national wertvollen Kulturguts reden wir über gesetzliche Regelungen, die seit 60 Jahren, seit 1955 gelten und die allgemein akzeptiert sind. Vielen ist das in Vergessenheit geraten - wahrscheinlich, weil es seit 60 Jahren fast ausschließlich konfliktfrei funktioniert hat. Die Klärung dessen, was im Einzelfall als "national wertvoll" gilt, darüber befinden auch weiterhin Sachverständige, zu denen nach wie vor zum Beispiel Museen, der Kunsthandel und auch Sammler gehören.
Und wir reden auch nur über wenige, sehr wenige, besonders bedeutsame Kunstwerke, über Einzelstücke, die als national wertvoll einzuordnen sind, also über einen verschwindend kleinen Teil des riesigen Kunstmarktes. Denken Sie zum Beispiel an die Himmelsscheibe von Nebra, den Archaeopteryx oder Ihre berühmte "Schutzmantel-Madonna" des Renaissancemalers Hans Holbein, eines der bedeutendsten Altmeistergemälde der Welt, zu sehen hier in dieser wunderbaren Ausstellung. Sie stand bereits auf der Liste national wertvolles Kulturgut. Dank Ihres mäzenatischen Wirkens ist sie hier geblieben und auch noch in Ihrem Museum für uns alle zugänglich.
Die Voreigentümer, das Adelshaus Hessen, haben übrigens - anders als es in einzelnen Medien klang - mit einem Großteil des Verkaufserlöses das Stammkapital der Kulturstiftung des Hauses Hessen verstärkt, deren Ziel die Förderung von Kunst und Kultur, von Denkmalschutz und Denkmalpflege ist - ein Aspekt des Verkaufs, den ich deshalb hervorheben möchte, weil Deutschland ja nicht zuletzt auch solchem mäzenatischem Wirken, das sich nicht vorrangig wirtschaftlichen Interessen, sondern dem Wert der Kunst verpflichtet fühlt, seinen kulturellen Reichtum verdankt.
Eben deshalb sollten wir uns auch in der Debatte über das Kulturgutschutzgesetz immer wieder bewusst machen, dass Kunst eben keine Ware ist wie jede andere - und dass Kunst deshalb, nicht nur einen Preis, sondern auch und vor allem einen Wert hat. Als Kulturstaatsministerin jedenfalls stehe ich in der Verantwortung, den quantitativ zwar geringen, qualitativ aber umso bedeutenderen Teil unseres nationalen kulturellen Erbes, der für unsere kulturelle Identität emblematisch ist, vor Abwanderung ins Ausland zu schützen - so, wie es das Grundgesetz will und fordert.
Die Sache ist kompliziert; und vielleicht bleibt einiges auch schwierig. Aber unterschiedliche Auffassungen, auch mal konkurrierende Interessen müssen unter uns allen hier doch verhandelbar bleiben und lösbar sein. Nicht nur als Staatsministerin, auch und vor allem als Bürgerin Deutschlands ist mir der Schutz unseres gemeinsamen kulturellen Erbes wichtig, bin ich stolz auf die Leistungen der Künstler, dankbar für die Zeugnisse unserer Geschichte, die sie uns hinterlassen haben - und ja: Beim Anblick einer Beethoven-Handschrift bekomme ich eine Gänsehaut und eine Riemenschneider-Figur rührt mich zu Tränen. Auch Sie sind Bürger dieser Kulturnation, haben sich in besonderer Weise um sie verdient gemacht und gerade als Sammler ein enges Verhältnis zur Kunst gefunden. Als solche sind Sie ja nicht "organisiert" - es gibt keine "Standesorganisation Kunst-Sammler"; deshalb können wir nur sehr viele Einzelgespräche führen - einige von Ihnen sehe ich hier im Saal, mit denen wir uns in den vergangenen Wochen getroffen haben.
Ich wäre Ihnen, den vielen berühmten Kunstsammlern Deutschlands, sehr dankbar, wenn wir gemeinsam konzentriert noch einmal über die entsprechenden Passagen in der Gesetzesnovelle sprechen können. Von Pablo Picasso stammt eine Feststellung, die ich in diesem Zusammenhang gerne zitiere: "Ein Maler ist ein Mann, der malt, was er verkauft. Ein Künstler ist ein Mann, der das verkauft, was er malt." Diese Aussage deckt zwar die Bandbreite moderner und zeitgenössischer Kunst nicht annähernd ab, fasst aber augenzwinkernd und in schlichten Worten zusammen, dass Künstler nicht mit Malern und Werte nicht mit Preisen gleich gesetzt werden sollten. Auf diese feinen Unterschiede kommt es an, und ich kann nur davor warnen, sie zu verwischen.
Das gilt auch und ganz besonders für den Staat: Wir haben es doch in Nordrhein-Westfalen erlebt: Wo die Preise, die sich mit Kunst erzielen lassen, höher bewertet werden als ihr Wert, wird sie irgendwann zum dekorativen Luxus, den wir uns nur in guten Zeiten leisten und den wir in schlechten Zeiten zur Disposition stellen, um Haushaltslöcher zu stopfen oder Casinos zu bauen. Wenn wir eine solche "Kulturpolitik nach Kassenlage" ablehnen, wenn wir uns stattdessen weiterhin eine auskömmliche Kulturfinanzierung leisten wollen - dann aus der Überzeugung heraus, dass Kunst von unschätzbarem Wert ist für eine humane Gesellschaft und für eine lebendige Demokratie. Dafür werbe und kämpfe ich - und der diese Woche eingebrachte Haushaltsentwurf 2016 der Bundesregierung sieht für meinen Kulturetat ja auch wieder eine deutliche Erhöhung vor!
Wie sehr die Kulturnation Deutschland in diesem Sinne gerade auch vom Engagement privater Sammler und Mäzene profitieren kann - vor allem, wenn sie ihre Schätze auch noch öffentlich ausstellen - das macht die exquisite, von Professor Peter-Klaus Schuster hervorragend kuratierte Ausstellung mit 400 Kunstwerken aus der Sammlung Würth "Von Hockney bis Holbein" anschaulich. Sie zeigt, was Kunstliebhaber wie Reinhold Würth aus einem hohen Ethos des Sammelns und Bewahrens heraus an Pionierarbeit insbesondere für die Rezeption zeitgenössischer Kunst leisten.
Als "Investition für die Seele" haben Sie Ihr Engagement einmal bezeichnet, lieber Herr Professor Würth, und es ist großartig, dass Sie dabei nicht nur an Ihre eigene Seele denken, sondern alle einladen, es Ihnen nachzuempfinden - in vier Museen in Deutschland, in neun Kulturdependancen der Unternehmenssitze in Europa und nun, bis Januar 2016, auch hier im Martin-Gropius-Bau! Bleibt nur, Ihnen und uns zu wünschen, dass Sie Ihre Sehnsucht nach einem leuchtend-farbigen Werk von Gustav Klimt eines Tages auch noch stillen können!
Vielen Dank für Ihr großartiges Engagement für Kunst, Kultur und kulturelle Bildung und ein herzliches Willkommen Ihnen und Ihren Schätzen in Berlin!