Redner(in): Monika Grütters
Datum: 07. Oktober 2015

Untertitel: "Die Bilder erzählen von der Begeisterung für den französischen Impressionismus in Japan, von seinem Einfluss auf die japanische Kunst, aber auch von der Faszination, die japanische Bilderwelten umgekehrt auf europäische Künstler und die Entwicklung der modernen Kunst ausübten", so Monika Grütters in ihrer Rede.
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Rede/2015/10/2015-10-07-gruetters-japan-impressionismus.html


Die Bilder erzählen von der Begeisterung für den französischen Impressionismus in Japan, von seinem Einfluss auf die japanische Kunst, aber auch von der Faszination, die japanische Bilderwelten umgekehrt auf europäische Künstler und die Entwicklung der modernen Kunst ausübten ", so Monika Grütters in ihrer Rede.

Anrede,

kennen Sie das besondere Gefühl freudiger Überraschung, das sich einstellt, wenn man dort etwas Neues entdeckt, wo man glaubte, schon alles Wesentliche gehört und gesehen zu haben? Ein bisher unbekanntes Detail, eine ungewöhnliche Perspektive, eine unentdeckte Facette kann geradezu elektrisierend wirken, wenn man sich für ein Thema begeistert.

So wird es - das wage ich nach meinem Rundgang eben zu prognostizieren - den Liebhabern der französischen Impressionisten mit der Ausstellung "Japans Liebe zum Impressionismus" gehen.

Neu selbst für profunde Kenner sind allein schon die Exponate aus immerhin 34 japanischen Sammlungen: Wir dürfen uns auf Meisterwerke französischer Impressionisten freuen, die zum größten Teil noch nie in Europa zu sehen waren - darunter 17 Werke von Monet, zehn Werke von Renoir, neun von Cézanne, 8 von Rodin, je 5 von Manet und Courbet und vier von van Gogh. Hinzu kommen zwölf Werke japanischer Künstler, die unmittelbar vom französischen Impressionismus beeinflusst, aber in Europa weitgehend unbekannt sind.

Neu ist aber vor allem die besondere Perspektive dieser Ausstellung: Die Bilder erzählen von der Begeisterung für den französischen Impressionismus in Japan, von seinem Einfluss auf die japanische Kunst, aber auch von der Faszination, die japanische Bilderwelten umgekehrt auf europäische Künstler und die Entwicklung der modernen Kunst ausübten. Erleben und erspüren konnten wir diese Einflüsse bisher selten - nur nachlesen, zum Beispiel in einem Brief, den Vincent van Gogh 1888 an seinen Bruder Theo geschrieben hat und in dem er in leuchtenden Farben eine Szene im Hafen von Arles beschreibt: Heute Abend habe ich einen wunderbaren und sehr merkwürdigen Effekt gesehen. Einen großen, mit Kohle beladenen Lastkahn auf der Rhône, der am Kai vertäut war. Von oben gesehen war er ganz glänzend und feucht, denn es hatte einen tüchtigen Platzregen gegeben; das Wasser war von einem trüben Perlgrau und Weissgelb, der Himmel lila und im Westen mit orangen Streifen, die Stadt violett. Auf dem Kahn gingen und kamen kleine schmutzige blau-und-weiße Arbeiter und trugen die Ladung an Land ein reiner Hokusai."

Die Selbstverständlichkeit, mit der van Gogh sich hier auf Katsushika Hokusai, einen Meister des japanischen Holzschnitts bezieht, lässt erahnen, dass "Japans Liebe zum Impressionismus" wahrlich keine einseitige, unerwiderte Liebe war. Ganz im Gegenteil: Die Impressionisten waren fasziniert von den Techniken der Holzschnittkünstler, und die Ausstellung zeigt konkrete Objekte dieser Liebe - 21 japanischen Holzschnitte aus dem Besitz von Claude Monet!

Ukiyo-e, so heißen die flächigen, farbintensiven Holzschnitte auf japanisch, bedeutet übrigens "Bilder einer fließenden Welt". In der japanischen Dichtkunst stehen dafür ganz ähnlich ja auch die Haikus, die Poesie-Miniaturen, die in drei Zeilen ein Bild dieser fließenden Welt einfangen. Den flüchtigen Moment festhalten zu wollen, Augenblicke in der Subjektivität ihres sinnlichen Eindrucks wiederzugeben - in diesem Anspruch trafen sich europäische und japanische Künstler. Der Impressionismus ist eine Bildersprache, die diese so unterschiedlichen Kulturen verbindet.

Eben das, meine Damen und Herren, macht den besonderen Reiz dieser Ausstellung aus: die schöne Erfahrung, dass Kunst eine Sprache spricht, die in völlig unterschiedlichen Kulturen verstanden wird, dass Kunst im Fremden Inspiration und Bereicherung für das Eigene findet, dass Kunst auf diese Weise die Verbindung und die Verbundenheit zwischen Kulturen und Nationen festigt.

Ein herzliches Dankeschön den japanischen Sammlern, die ihre Schätze für diese Ausstellung zur Verfügung gestellt haben und einem breiten Publikum zugänglich machen! Auch Ihnen, lieber Herr Wolfs, und Ihnen, lieber Herr Prof. Miura, und Ihrem Team danke ich für die ebenso liebevoll wie kenntnisreich kuratierte Ausstellung, die nicht nur unser Bild vom Impressionismus um neue Facetten ergänzt, sondern darüber hinaus auch zur Pflege der guten deutsch-japanischen Kulturbeziehungen beiträgt.

Ich bin überzeugt: Es ist die Kunst, die oft die tragfähigsten Brücken baut - selbst dort, wo Politik und Diplomatie an ihre Grenzen stoßen. Angesichts der gefährlich schwelenden Krisen in Europa und der Welt mag das Bemühen um die Vertiefung der kulturellen Beziehungen und des gegenseitigen Verständnisses wie ein Tropfen auf dem heißen Stein erscheinen.

Doch Deutsche wie Japaner kennen das Sprichwort: "Senri no michi mo ippo kara." ( 千里の道も一歩から ) - "Eine Reise von tausend Meilen beginnt unter deinem Fuß."

Deshalb ist es mir ein Herzensanliegen, dass Deutschland mit anderen Ländern nicht nur wirtschaftlich eng zusammen arbeitet, sondern auch den kulturellen Austausch pflegt.

Dazu tragen gemeinsame Projekte wie diese Ausstellung bei. Dazu trägt die Arbeit von Kultureinrichtungen, etwa der Goethe-Institute in Tokyo, Osaka und Kyoto, bei. Dazu tragen die mehr als 60 deutsch-japanischen Städtepartnerschaften bei. Dazu tragen natürlich auch Besuche auf politischer Ebene bei:

Ich war im Sommer zum ersten Mal in Japan und habe auf meiner mehrtägigen Reise nicht nur Einblicke in die faszinierende Kunst und Kultur dieses Landes bekommen, sondern auch die berühmte japanische Kultur der Gastfreundschaft erleben dürfen.

Nicht zuletzt tragen auch Sie, meine Damen und Herren, mit Ihrem Interesse und Ihrer Aufgeschlossenheit für neuartige Kultur- und Kunsterfahrungen dazu bei, dass die Kunst ihre Kraft als Medium der Völkerverständigung entfalten kann. Ich wünsche Ihnen in diesem Sinne viel Freude mit der japanischen Perspektive auf die Meisterwerke des Impressionismus und uns allen einen interessanten, eindrucksvollen Rundgang durch die Ausstellung!