Redner(in): Monika Grütters
Datum: 11. Februar 2016

Untertitel: "Es freut mich, dass wir gemeinsam Wege gefunden haben, um kreative und künstlerische Aspekte bei der wirtschaftlichen Filmförderung noch stärker zu berücksichtigen. Denn ich bin überzeugt: Langfristig zahlt es sich aus, nicht immer allein die Maximierung des Ertrags, sondern auch den Mut zum Experiment, mehr neue, gute Ideen zu fördern." betonte Monika Grütters in ihrer Rede.
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Rede/2016/02/2016-02-11-gruetters-produzentenallianz.html


Es freut mich, dass wir gemeinsam Wege gefunden haben, um kreative und künstlerische Aspekte bei der wirtschaftlichen Filmförderung noch stärker zu berücksichtigen. Denn ich bin überzeugt: Langfristig zahlt es sich aus, nicht immer allein die Maximierung des Ertrags, sondern auch den Mut zum Experiment, mehr neue, gute Ideen zu fördern." betonte Monika Grütters in ihrer Rede.

Anrede,

Zu den beliebtesten Themen auf Berlinale-Empfängen gehört die Frage, wie man die Festivalnächte gesundheitlich unbeschadet, geistig zurechnungsfähig und bis zum Schluss optisch einigermaßen ansprechend übersteht. Die einen schwören auf strikte Alkoholabstinenz, die anderen auf Champagner als Aufputschmittel, und von Dieter Kosslick wissen wir, dass er jeden einzelnen Berlinale-Morgen bei Wind und Wetter eine halbe Stunde durch den Tiergarten läuft - zumindest hat er das mal in einem Interview behauptet.

Worin auch immer Ihre persönliche Strategie für die kommenden Tage und Nächte besteht, lieber Herr Thies …

Den Berlinale-Empfang der Produzentenallianz haben Sie jedenfalls so früh im Programm positioniert, dass das Erscheinen ausgeschlafener Gäste im Vollbesitz ihrer körperlichen und geistigen Kräfte gesichert ist - in einem Zustand also, in dem man sich für DFFF-Einstiegsschwellen und den Punktebonus im Rahmen der Referenzfilmförderung also noch interessiert.

Unter anderem dazu hat es in den vergangenen Monaten einen engen und konstruktiven Austausch zwischen der Produzentenallianz und meinem Haus, aber auch mit dem Verband deutscher Filmproduzenten, der AG Dok und der gesamten Filmbranche gegeben. Und er hat sich, wie ich finde, gelohnt. Das gilt zunächst einmal finanziell: Es gibt in diesem Jahr mehr Geld für den Film denn je. 25 Millionen Euro mehr als im Vorjahr stehen 2016 an Mitteln für die Filmförderung durch den Bund zur Verfügung: Zu den 50 Millionen Euro im DFFF und den bisher rund 13 Millionen für die kulturelle Filmförderung kommen 15 Millionen zusätzlich für die kulturelle Filmförderung und zehn Millionen Euro im Programm des BMWi.

Und auch im produktionsstarken vergangenen Jahr haben wir es mit einem einmaligen Kraftakt geschafft, alle beantragten Projekte zu fördern, obwohl das DFFF-Förderbudget in Höhe von 50 Millionen Euro schon im Oktober komplett beantragt war. Letztlich wurden dann insgesamt 61,3 Millionen Euro bewilligt. Wir dürfen also hoffen, dass das überaus erfolgreiche deutsche Kinojahr 2015 mit der stolzen Zahl von über 139 Millionen Kinobesuchern, mit einem Rekordumsatz von rund 1,17 Milliarden Euro und mit einem deutschen Marktanteil von über 27 Prozent nicht das letzte Rekordjahr in einer Folge von Rekordjahren war.

Dabei zeigt sich übrigens einmal mehr, dass die deutschen Produzenten - und auch ihre ausländischen Koproduktionspartner - mit dem DFFF gut fahren. Im Gegensatz zu Ländern wie Frankreich, in denen Steuerrabattmodelle zu einer späten Auszahlung oft lange nach Produktionsende führen und im Übrigen ausschließlich für ausländische Produktionen gelten, schüttet der DFFF Barmittel unkompliziert, kalkulierbar und schnell aus - nämlich noch vor Drehbeginn: und das natürlich nicht nur für ausländische Produktionen! Gerade für kleine und mittlere Produzenten, die über kein nennenswertes Eigenkapital verfügen und die keine Zwischenfinanzierung gewinnen, ist das ein Riesenvorteil. Das soll so bleiben. Deshalb habe ich entschieden, die Einstiegsschwellen beim DFFF in 2016 nicht anzuheben.

Vor allem aber hat sich unser intensiver Dialog auch im Hinblick auf die laufende Novellierung des Filmförderungsgesetzes ( FFG ) bezahlt gemacht.

Mir waren dabei insbesondere folgende Punkte wichtig: erstens, ein hohes Niveau des Abgabeaufkommens ebenso wie Abgabegerechtigkeit zu sichern; zweitens, die bewährte Projektfilmförderung beizubehalten; drittens, die Drehbuchförderung zu verbessern; viertens, Kurzfilme mehr als bisher zu fördern; und fünftens, die Entscheidungsstrukturen effektiver zu gestalten und last but not least: den Frauenanteil in den FFA-Gremien zu erhöhen.

Lassen Sie mich kurz auf diese fünf Punkte eingehen. Zunächst zum Abgabeaufkommen: Insbesondere die öffentlich-rechtlichen Fernsehveranstalter werden künftig einen Abgabesatz von 3 Prozent bezahlen, aber auch die Abgaben der anderen Einzahler werden angepasst. An der Abgabepflicht der ausländischen VoD-Anbieter halten wir natürlich fest.

Im Zusammenhang mit der Projektfilmförderung will ich die Neuregelung zum Eigenanteil von fünf Prozent hervorheben: Mein Vorschlag sieht vor, dass der Eigenanteil nicht mehr durch Barmittel erbracht werden muss, dass also vor allem auch Lizenzerlöse berücksichtigt werden können.

Der dritte Punkt ist der Ausbau der Drehbuchförderung: In diesem Vorhaben hat mich der Runde Tisch FFG 2017 vor drei Monaten noch einmal bestärkt. Mit der neuen Drehbuchentwicklungsförderung will ich dafür sorgen, dass gute Stoffe auch tatsächlich bis zur Drehbuchreife gedeihen. Denn Drehbücher gelten zu Recht als "die DNA eines hohen deutschen Markanteils"

Ein vierter Punkt ist die Förderung des Kurzfilms, der sich als eigenständige Darstellungsform mit hohem künstlerischem Anspruch und einer ganz eigenen, ausdrucksstarken Bildersprache etabliert hat. Von seiner kompositionellen Raffinesse, von seiner anspruchsvollen Dramaturgie und seiner knappen, präzisen Erzählweise profitiert die Filmkunst insgesamt. Deshalb sieht die FFG-Novelle vor, dass die Kurzfilmförderung der FFA nicht mehr nur auf Formate von einer Minute bis 15 Minuten beschränkt ist. Künftig sollen auch Kurzfilme von unter einer Minute und bis zu 30 Minuten Fördermittel bekommen können. Es wäre doch schade, Innovationskraft und Experimentierfreude in ein zu starres Minutenkorsett zu zwängen!

Schließlich, meine Damen und Herren, noch zum fünften Punkt - zu meinem Anliegen, für mehr Geschlechtergerechtigkeit in der Filmbranche zu sorgen. Ich will mich nicht einfach damit abfinden, dass zwar unser höchstdotierter Filmpreis einen Frauennamen trägt, unsere hochdekorierten Filmemacher in aller Regel jedoch nicht! Natürlich hat eine Quote dort nichts verloren, wo allein künstlerische Klasse und Qualität entscheiden dürfen. Aber es ist das Mindeste, und es ist längst überfällig, dass wir den Frauenanteil in den FFA-Gremien erhöhen. Auch dazu haben wir die FFG-Novelle genutzt - und das ist nicht nur fair, sondern auch ökonomisch klug. Schließlich ist auch die Hälfte derjenigen weiblich, die später die Kinokassen klingeln lassen sollen. Künftig werden Förderkommissionen mit maximal fünf Personen entscheiden. Mindestens zwei Frauen werden an jeder Förderentscheidung beteiligt sein.

Der aktuelle Entwurf für das Filmförderungsgesetz, der jetzt mit diesen Punkten in die Ressortabstimmung geht, ist das Ergebnis mehrfacher Branchen-anhörungen und unzähliger Gespräche. Für den intensiven und sehr konstruktiven Austausch mit der Branche und natürlich auch mit der Produzentenallianz ein herzliches Dankeschön an alle Beteiligten!

Es freut mich, dass wir gemeinsam Wege gefunden haben, um kreative und künstlerische Aspekte bei der wirtschaftlichen Filmförderung noch stärker zu berücksichtigen. Denn ich bin überzeugt: Langfristig zahlt es sich aus, nicht immer allein die Maximierung des Ertrags, sondern auch den Mut zum Experiment, mehr neue, gute Ideen zu fördern. Auch das kommt beim Publikum an. Kunst und Kommerz - das muss kein Widerspruch sein!

Künstler, auch Filmkünstler, sind jedenfalls dann am besten, wenn sie nicht zwangsläufig gefallen müssen, wenn sie nicht vom Publikumsgeschmack und vom Profit her planen müssen, sondern originelle Ideen entfalten können. Wenn sie damit dann auch noch Publikumserfolge feiern, umso besser!

Deshalb habe ich hartnäckig, ja beinahe gebetsmühlenhaft um mehr Mittel für die kulturelle Filmförderung geworben, und dieses Werben blieb zum Glück nicht unerhört: Nach den Haushaltsverhandlungen des vergangenen Jahres durfte ich mich - durften wir alle uns - über 15 Millionen Euro freuen, die in 2016 zusätzlich für die kulturelle Filmförderung in meinem Kulturetat zur Verfügung stehen. Damit können wir ausgewählte Spiel- und Dokumentarfilmprojekte mit deutlich mehr Geld fördern als bisher.

Ziel ist, die künstlerische Freiheit zu stärken: Wir wollen unabhängiges Filme-machen ermöglichen, und zwar ohne künstlerische Kompromisse und ohne zwingende Regionaleffekte. Dazu wollen wir mit den zusätzlichen 15 Millionen Euro die möglichen Summen für die einzelnen geförderten Filmproduktionen deutlich erhöhen ( bis zu einer Million Euro pro Film ) , ebenso den zulässigen Anteil der Fördersumme am Gesamtbudget ( bisher bis zu 50 Prozent, zukünftig auch darüber hinaus ) . Außerdem soll eine Spezialisierung unseres bisherigen Juryverfahrens zu einer gezielteren Förderung herausragender kultureller Projekte führen. Dafür sollen eigene Jurys für die Bereiche Spiel- und Dokumentarfilm eingeführt werden, die häufiger im Jahr entscheiden. Die Jurys sollen außerdem ermuntert werden, für überzeugende Filmvorhaben mehr Geld einzusetzen. Darüber hinaus werden wir auch im Rahmen der kulturellen Filmförderung die Drehbuchförderung weiter ausbauen und für Dokumentar-filme erstmals eine Stoffentwicklungsförderung etablieren. Last but not least werden wir die Verleih- und Kinoförderung stärken und die Antragsvoraussetzungen dafür modifizieren, um dem künstlerisch anspruchsvollen deutschen Film mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen.

Mutige Filme brauchen eben nicht nur mutige Filmemacher, sondern auch mutige Filmförderer und mutige Förderentscheidungen. Dafür, meine Damen und Herren, haben wir mit der Novellierung des FFG die Voraussetzungen geschaffen. Unsere Maßnahmen im Rahmen der kulturellen Filmförderung sollen Sie, die Filmschaffenden, unabhängiger machen, um bei künstlerisch herausragenden Filmprojekten weniger Kompromisse eingehen zu müssen. Das ist mir ein Herzensanliegen, und deshalb werde ich mich selbstverständlich dafür stark machen, dass der Aufwuchs für die kulturelle Filmförderung dauerhaft fortgeschrieben wird - auf dass große Ideen großes Kino werden!

Ein "Recht auf Glück" - das diesjährige Berlinale-Motto - werden Sie, liebe Filmproduzentinnen und Filmproduzenten, in den geplanten gesetzlichen Neuregelungen zwar weiterhin vergeblich suchen. Aber mein Credo ist und bleibt, dass es die künstlerische Freiheit ist, die uns im Kino Mut, Sensibilität, Ausdrucksstärke, Experimentierfreude und damit cineastische Glückserlebnisse beschert. Und wenn daran dann auch noch mehr Frauen als bisher beteiligt sind, dann ist auch die Kulturstaatsministerin glücklich.

In diesem Sinne: auf die 66. Berlinale und auf ein hoffentlich wieder so ein erfolgreiches Jahr für den deutschen Film!