Redner(in): Monika Grütters
Datum: 31. August 2016

Untertitel: Die "internationale tanzmesse nrw" ist einer der Höhepunkte des Tanzjahres 2016. Mit der Förderung für die besondere Kunst- und Ausdrucksform Tanz wolle der Bund nicht nur die Strukturen der freien Szene und deren Netzwerke stärken, sondern den zeitgenössischen Tanz in Deutschland sichtbarer machen, erklärte Kulturstaatsministerin Grütters zur Eröffnung der Messe.
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Rede/2016/08/2016-08-31-gruetters-tanzmesse.html


Die "internationale tanzmesse nrw" ist einer der Höhepunkte des Tanzjahres 2016. Mit der Förderung für die besondere Kunst- und Ausdrucksform Tanz wolle der Bund nicht nur die Strukturen der freien Szene und deren Netzwerke stärken, sondern den zeitgenössischen Tanz in Deutschland sichtbarer machen, erklärte Kulturstaatsministerin Grütters zur Eröffnung der Messe.

Was würden Sie tun, wenn Sie einmal die Gelegenheit hätten, einem Staatsoberhaupt oder einer Regierungschefin persönlich zu begegnen: einmal der Bundeskanzlerin die Hand schütteln - und dann: mit ihr tanzen?

Für eine Dame im stolzen Alter von 106 Jahren erfüllte sich im Februar der lang ersehnte Wunsch, US-Präsident Barack Obama zu treffen - und was tat die entzückte Seniorin vor Freude? Sie tanzte! - und steckte mit ihrer Energie den Präsidenten und die First Lady an. Das Video dieser rührenden Begegnung im Weißen Haus ging um die Welt - und die mittlerweile 107-Jährige wurde gewissermaßen zur Botschafterin für Tanz und Lebensfreude. Tanzen kann Emotionen ausdrücken, die nicht in Worte zu fassen sind, Tanzen macht glücklich und ist obendrein noch gesund!

Die "internationale tanzmesse nrw" ist einer der Höhepunkte des Tanzjahres 2016, und deshalb freue ich mich, die zahlreichen internationalen Gäste begrüßen zu dürfen, die aus Ländern aller Kontinente nach Deutschland gekommen sind. Wie schön, dass ich auch den Commercial Consul des US-Generalkonsulats Düsseldorf begrüßen kann, Mister Ken Walsh.

Vielleicht auch mit dem Gedanken, mehr Menschen in Deutschland zum Tanzen zu animieren, haben der Dachverband Tanz, die Tanzplattform Deutschland, der Tanzkongress und die Tanzmesse NRW das Jahr 2016 als "Tanzjahr Deutschland" ausgerufen, das ich als Schirmherrin gern unterstütze. Ob zeitgenössisch oder klassisch, HipHop oder Volkstanz: mit Tanz-Projekten und Workshops, Kongressen und Premieren will das Tanzjahr an 365 Tagen zeigen, wie vielfältig die Tanzkunst in Deutschland ist und welches enorme gesellschaftliche Potential der Tanz für Bildung, Kreativität, Gesundheit und Integration besitzt.

Dass die Tanzmesse in Düsseldorf stattfindet, verwundert nicht. Denn wenn ein Bundesland in diesem Tanzjahr die Bezeichnung Tanzland verdient, dann Nordrhein-Westfalen: In keinem anderen Bundesland gibt es eine größere Dichte professioneller Ensembles und freier Gruppen, eine so ausgeprägte Vernetzung der Szene mit Tanzbüros und Archiven. Sie alle werden durch die Tanzförderung Nordrhein-Westfalens kontinuierlich gestärkt. Eine besonders wichtige Plattform für Tänzerinnen, Tänzer und Choreografen sind die Tanz- und Produktionshäuser, wie PACT Zollverein und das "tanzhaus nrw", in dem wir heute zu Gast sein dürfen.

Was hier in Nordrhein-Westfalen für die Tanzszene geschaffen wurde, ist die vorbildliche Umsetzung dessen, was mit dem "Tanzplan Deutschland" intendiert war. Mit dem "Tanzplan Deutschland" hat sich der Bund erstmals strukturell im Bereich des zeitgenössischen Tanzes engagiert: Die Länder bekamen eine Anschubfinanzierung, um die eigene regionale Tanzszene nachhaltig zu entwickeln und zu stärken - an Rhein und Ruhr hat das bestens geklappt. Düsseldorf war übrigens mit dem Projekt "Take-off: Junger Tanz." vertreten, das Maßstäbe für die tänzerische und tanzpädagogische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen gesetzt hat.

Aber auch beim Bund hat der "Tanzplan Deutschland" eine Menge bewegt: So finanziert mein Haus seitdem die Geschäftsstelle des Dachverbandes Tanz, das Nationale Performance Netz, das Deutsche Tanzfilminstitut in Bremen, die Tanzplattform, den Tanzkongress, das Bundesjugendballett, die Initiative "Dance On" und das Pina Bausch Archiv. Neu ist seit diesem Jahr der Fonds "Tanzland" der Kulturstiftung des Bundes - hier stehen Mittel für Häuser bereit, die nicht über ein eigenes Ensemble verfügen und die mit der Förderung Kompanien zu Gastspielen einladen können. Aber auch feste Ensembles, die ihre Produktionen häufiger und vor größerem Publikum zeigen wollen, profitieren von der Förderung.

Ich freue mich, Ihnen heute außerdem auch mitteilen zu können, dass der Dachverband Tanz Deutschland DTD im Rahmen unserer "Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft" einmalig 100.000 Euro für ein vielversprechendes Projekt zur Förderung der professionellen Vernetzung und Vermarktung auf Messen, Festivals sowie auf internationalen Plattformen erhalten wird.

Dem Tanz zu einem größeren Publikum zu verhelfen, geht einher mit dem Anspruch an die zeitgenössische Tanzkunst, eine Kunstform zu sein, die von Zeitgenossen verstanden wird - die also "Kommunikation in der Gegenwart" ist, wie es der große Choreograf John Neumeier einmal formuliert hat.

Mit der Förderung für die besondere Kunst- und Ausdrucksform Tanz möchte der Bund genau das erreichen: nicht nur die Strukturen der freien Szene und deren Netzwerke stärken, sondern den zeitgenössischen Tanz in Deutschland sichtbarer machen, das heißt vor allem Zuversicht für und Vertrauen in zeitgenössische Ausdrucksformen vermitteln. Denn es lohnt sich, neugierig und offen zu sein - auch für etwas, das neu ist, das uns irritiert, das ungewohnt ist, das vielleicht provoziert, uns eventuell auch verunsichert.

Die choreografischen Handschriften in Deutschland sind außerordentlich vielfältig, die künstlerischen Themen des Tanzes vielseitig. Dabei geht es auch im zeitgenössischen Tanz immer um das, was wir aus der Literatur, aus dem Theater kennen - um die ganz großen Geschichten des Lebens nämlich.

Vor allem aber ist der Tanz eines - und das sehen wir heute wieder einmal ganz eindrücklich: Er ist so international, wie kaum eine andere Kunstsparte! Dass die Körpererfahrungen aus den unterschiedlichsten Regionen der Welt in einer modernen Kompanie zusammenfließen, ist einfach wunderbar!

Tanz schafft Verbindung, wo unterschiedliche Begriffe Schweigen oder Missverstehen provozieren. Tanz kann gemeinsame Erfahrungen bescheren, wo unterschiedliche Herkunft ab- und ausgrenzt. Tanz kann uns aber auch nötigen, die Perspektive zu wechseln und die Welt aus anderen Augen zu sehen. Ja, Tanzkultur öffnet Welten. Mich beeindruckt es immer wieder zu sehen, wie Tanz - wie Kunst ganz allgemein - Grenzen überwindet und Menschen integriert.

Pina Bausch hat einmal sehr emotional beschrieben, worin das Verbindende des Tanzes besteht, als sie in ihrer Rede zur Verleihung des Kyoto-Preises 2007 über die Arbeit auf der Bühne und die Möglichkeiten künstlerischer Annäherungen an große, letzte Fragen sprach: "Es ist so, als bekämen wir dadurch ein Wissen zurück, das wir zwar immer schon haben, das uns aber gar nicht bewusst und gegenwärtig ist. Es erinnert uns an etwas, das uns allen gemeinsam ist. Das gibt uns eine große Kraft."

Tänzerinnen und Tänzer sind in besonderer Weise dazu in der Lage, mit dem Instrument des Körpers und der Sprache des Tanzes das auszudrücken, was uns gemeinsam ist: Mit ihren Bewegungen erinnern sie uns an die menschliche Sehnsucht, in Bewegung umzusetzen, was uns bewegt. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen einen schönen Abend mit guten Gesprächen und inspirierenden Begegnungen, die bewegen und die Dinge in Bewegung bringen!