Redner(in): Monika Grütters
Datum: 21. März 2016

Untertitel: "Die zahlreichen Fördervereine deutscher Museen für bildende Kunst sind Ausdruck dieser Verbundenheit mit der Kunst und Kultur. Sie machen mit ihrer finanziellen wie persönlichen Unterstützung Sonderausstellungen möglich, erschließen mit Beiträgen zur kulturellen Bildung und Vermittlung neue Zielgruppen für die Museen und unterstützen nicht zuletzt beim Ankauf zur Ergänzung und Erweiterung der Sammlungen. Was für eine Bereicherung der Museumsarbeit, was für ein Gewinn für unsere Gesellschaft, was für ein Glück für die Kulturnation Deutschland!" lobte Monika Grütters in ihrer Rede.
Quelle (evtl. nicht mehr verfügbar): https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Rede/2016/03/2016-03-21-gruetters-fruehjahrstagung-des-bundesverbands-der-foerdervereine-deutscher-museen-f%C3%BCr-bildende-kunst.html


Die zahlreichen Fördervereine deutscher Museen für bildende Kunst sind Ausdruck dieser Verbundenheit mit der Kunst und Kultur. Sie machen mit ihrer finanziellen wie persönlichen Unterstützung Sonderausstellungen möglich, erschließen mit Beiträgen zur kulturellen Bildung und Vermittlung neue Zielgruppen für die Museen und unterstützen nicht zuletzt beim Ankauf zur Ergänzung und Erweiterung der Sammlungen. Was für eine Bereicherung der Museumsarbeit, was für ein Gewinn für unsere Gesellschaft, was für ein Glück für die Kulturnation Deutschland! " lobte Monika Grütters in ihrer Rede.

Anrede,

Als Kulturstaatsministerin komme ich landauf landab ja wirklich weit herum, aber leider nur selten bis an die deutsche Küste. 2014 kam ich nach einem Besuch des Deutschen Meeresmuseums und des Ozeaneums Stralsund mit einer Patenschaft für Olli, einen Humboldtpinguin, wieder nach Hause.

Das ist von Wilhelmshaven natürlich in zoologischer Hinsicht kaum zu toppen. Was aber die bildenden Künste betrifft, bin ich wieder einmal begeistert, welch kulturellen Reichtum es in allen Teilen Deutschlands auch abseits der Metropolen zu entdecken gibt - ein so dichtes Netz kultureller Erlebnisorte wie kaum irgendwo sonst auf der Welt.

Das verdanken wir nicht allein einer im Vergleich zu anderen Ländern großzügigen staatlichen Kulturfinanzierung, sondern auch der langen Tradition bürgerschaftlichen und privaten Engagements für Kunst und Kultur in unserem Land, die sich vielerorts - so wie hier in der Kunsthalle Wilhelmshaven - in den Kunst- und Kultureinrichtungen zeigt. Viele dieser Schmuckstücke sind getragen vom Bürgersinn kunstbegeisterter Mäzene, denen die Förderung der künstlerischen Avantgarde ebenso ein Herzensanliegen ist wie der Erhalt des kulturellen Erbes.

Die zahlreichen Fördervereine deutscher Museen für bildende Kunst sind Ausdruck dieser Verbundenheit mit der Kunst und Kultur. Sie machen mit ihrer finanziellen wie persönlichen Unterstützung Sonderausstellungen möglich, erschließen mit Beiträgen zur kulturellen Bildung und Vermittlung neue Zielgruppen für die Museen und unterstützen nicht zuletzt beim Ankauf zur Ergänzung und Erweiterung der Sammlungen. Was für eine Bereicherung der Museumsarbeit, was für ein Gewinn für unsere Gesellschaft, was für ein Glück für die Kulturnation Deutschland!

Da ist der Weg an die Küste wahrlich nicht zu weit, um Ihnen, meine Damen und Herren, den Partnern der Kulturpolitik, bei der Mitgliederversammlung Ihres Bundesverbands auch einmal von Herzen "Danke!" zu sagen für Ihr Engagement! Darüber hinaus will ich die Gelegenheit nutzen, Ihnen den Entwurf für die Novellierung des Kulturgutschutzgesetzes vorzustellen - und dabei hoffentlich auch einige Missverständnisse und Falschmeldungen auszuräumen, die in der leider vielfach von Unsachlichkeit und bisweilen auch Hysterie geprägten Debatte der vergangenen Monate durch die Medien gegangen sind.

Der Regierungsentwurf zur Novellierung des Kulturgutschutzgesetzes ist Teil einer historischen Entwicklung, beginnend mit der ersten gesetzlichen Regelung des Kulturgutschutzes - einer "Verordnung über die Ausfuhr von Kunstwerken" aus dem Jahr 1919. Sie war der bitteren Erfahrung von Plünderungen ungeheuren Ausmaßes im Ersten Weltkrieg in Deutschland und Europa sowie dem drohenden Ausverkauf deutschen Kulturbesitzes geschuldet.

Auf den Zweiten Weltkrieg, auf leidvolle Erfahrungen mit Raub- und Beutekunst, folgte das Kulturgutschutzgesetz von 1955, das national wertvolles Kulturgut durch die Eintragung in Verzeichnisse der Länder vor Abwanderung schützt und das wir heute, gut 60 Jahre später, novellieren wollen. Zwischenzeitlich - nämlich mit der UNESCO-Konvention zum Kulturgutschutz von 1970 - ist der Schutz des kulturellen Erbes der Menschheit auch international ein wichtiges Thema geworden. Ausgerechnet Deutschland hat die UNESCO-Konvention aber erst mit 37jähriger Verspätung ratifiziert - nämlich 2007. Die EU wiederum hat 1992 Bestimmungen für die Ausfuhr von Kulturgütern in Drittstaaten eingeführt. Als eines der letzten von 28 EU-Ländern zieht Deutschland nun endlich auch für den Binnenmarkt nach - also auch hier wieder mit deutlicher Verzögerung.

Trotz unserer eigenen - selbst verschuldeten - Erfahrungen mit dem Verlust von Kulturgut und trotz unserer - auch historisch begründeten - Verantwortung für den Schutz des kulturellen Erbes fristet der Kulturgutschutz bei uns seit Jahrzehnten ein Schattendasein, meine Damen und Herren. Deutschland hinkt der europäischen und internationalen Entwicklung weit hinterher.

Zwar haben sich viele Regelungen zum Kulturgutschutz bewährt: zum Beispiel, dass es für die Eintragung von national wertvollem Kulturgut einer fachkundigen Einschätzung durch Sachverständige unter anderem aus Museen, dem Kunsthandel und aus den Reihen der privaten Sammler bedarf. Andere Regelungen aber haben sich als unbrauchbar erwiesen. Die bisherigen Einfuhrregelungen zum Beispiel: Sie laufen de facto ins Leere und sind nicht geeignet, den illegalen Handel mit Antiken beispielsweise aus den Kriegs- und Krisengebieten im Nahen Osten zu unterbinden und gegen organisierte Kriminalität vorzugehen. Genau dazu sind wir aber völkerrechtlich verpflichtet.

Deshalb haben sich Union und SPD im Koalitionsvertrag für eine Novellierung des Kulturgutschutzes ausgesprochen: für ein Kulturgutschutzgesetz, das einer Kulturnation würdig ist, und zwar in zweierlei Hinsicht.

Erstens bei der Einfuhr: Deutschland muss endlich seinen Beitrag leisten zur Eindämmung des illegalen Handels mit Kulturgütern. Hier geht es um den Schutz des kulturellen Erbes der Menschheit.

Zweitens bei der Ausfuhr, beim Schutz unseres eigenen kulturellen Erbes: In den wenigen Ausnahmefällen, in denen Kulturgüter emblematisch sind für unsere Geschichte und Identität, muss es möglich sein, diese wenigen Stücke vor Abwanderung ins Ausland und vor Zerstörung zu schützen.

In diesen wenigen Fällen kann es zu Konflikten kommen zwischen dem legitimen privaten Eigeninteresse an einem möglichst hohen Verkaufspreis und dem öffentlichen Interesse an der Bewahrung des besonderen Werts eines Werkes für Deutschland. Wenn es in der Vergangenheit durch die Eintragung eines Werkes als "national wertvoll" wirklich zu finanziellen Problemen gekommen ist, haben wir mit Beteiligung meines Hauses, der Kulturstiftung der Länder und engagierter Stiftungen faire und angemessene Lösungen gefunden. Das ist uns in den vergangenen 60 Jahren ausnahmslos ohne nennenswerten Streit gelungen. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass uns das auch in Zukunft gelingen wird - zumal die neuen Regelungen im Regierungsentwurf sowohl Museen als auch private Eigentümer und Sammler in vielen Punkten deutlich besser stellen als die bisherigen Regelungen zum Kulturgutschutz.

Worin bestehen diese Verbesserungen? Ich will sie mal Punkt für Punkt benennen, weil sie in der Debatte bisher kaum wahrgenommen wurden und es mir wichtig ist, Vertrauen wieder zu gewinnen. Denn bei vielen Sammlern ist der Eindruck erweckt worden, sie könnten künftig nicht mehr frei über ihr Eigentum verfügen.

Erstens: Im aktuell geltenden Kulturgutschutzgesetz von 1955 gibt es keine Definition dafür, was "national wertvoll" ist. Anhaltspunkte dafür fanden sich bisher nur in einer Empfehlung der KMK. Der Regierungsentwurf präzisiert erstmals die Kriterien für Werke, die in ein Verzeichnis national wertvollen Kulturguts einzutragen sind. Das sorgt für mehr Rechtssicherheit, weil die Länder künftig noch stärker als bisher einheitliche Entscheidungsmaßstäbe bei der Entscheidung über die Eintragung anlegen müssen.

Zweitens: Der Regierungsentwurf sieht vor, dass die Eintragung als national wertvolles Kulturgut von der Zustimmung eines aus Vertretern von Museen, Archiven, Wissenschaft, Handel und Sammlern zusammengesetzten Sachverständigenausschusses abhängig ist. Bisher musste er nur angehört werden. Eigentümer von Kulturgütern werden damit viel stärker abgesichert als zuvor.

Drittens: Leihgaben an öffentliche Museen können - mit jederzeit widerruflicher Zustimmung der Leihgeber - vorübergehend unter deren Schutz gestellt werden. Falls sie gestohlen werden und auf illegalem Weg ins Ausland gelangen, bestehen deutlich verbesserte Rückführungsmöglichkeiten.

Rückgabeansprüche nach Diebstahl werden von 30 auf 75 Jahren erhöht. Auch das bedeutet Rechtssicherheit für Sammler. Herr Baselitz hat offenbar übersehen, dass das eine Regelung zu seinen Gunsten ist - zumal Werke lebender Künstler auch in ein Verzeichnis national wertvollen Kulturguts nur ausdrücklich mit ihrer Zustimmung eingetragen werden können.

Viertens: Im Gegensatz zum Gesetz von 1955 enthält die Novelle klare Verfahrensregeln: Sie schreibt beispielsweise ausdrücklich eine maximale Bearbeitungsfrist von zehn Arbeitstagen für eine Ausfuhrgenehmigung in den Binnenmarkt vor. Und für den seltenen Fall, dass ein Verfahren zur Eintragung in ein Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes tatsächlich eröffnet wird, ist dies im Regelfall innerhalb von sechs Monaten abzuschließen - ansonsten gilt es ohne Eintragung als beendet. Eine solche zeitliche Befristung gibt es bisher nicht. Wenn ein Verfahren ohne Eintragung beendet wurde, kann ein neues Verfahren künftig nur bei wesentlicher Änderung der Umstände eingeleitet werden.

Last but not least - fünftens: Sammler profitieren künftig beim Kauf eines Kunstwerks auch davon, dass der gewerbliche Kunsthandel - im Rahmen des Zumutbaren - die Herkunft prüft.

Darüber hinaus gibt es noch zwei Verbesserungen speziell für Museen:

Sie brauchen zum einen künftig im öffentlichen Leihverkehr auch ins Ausland keine Einzelgenehmigung mehr, sondern können eine für fünf Jahre gültige, so genannte "allgemeine offene Genehmigung" beantragen. Das reduziert den Verwaltungsaufwand und entlastet die Museen ganz massiv - genauso wie die Kulturbehörden der Länder.

Zum anderen sollen öffentliche oder überwiegend von der öffentlichen Hand getragene Häuser mit ihren Sammlungen pauschal als "national wertvoll" eingestuft werden. Das ermöglicht wie oben genannt einen neuen Rückgabeanspruch mit einer 75-jährigen Verjährungsfrist. Sollte Kulturgut aus Museen gestohlen werden und auf illegalem Weg ins Ausland gelangen, hat der Staat einen völkerrechtlichen bzw. einen EU-rechtlichen Rückgabeanspruch.

Angesichts dieser Verbesserungen ist die Unterstützung für die Gesetzesnovelle viel breiter als die - von einigen schrillen Stimmen geprägte - öffentliche Debatte es vermuten lässt. Neben Unterstützung aus dem Bundesverband der Fördervereine Deutscher Museen für bildende Künste habe ich auch die Zustimmung des Deutschen Museumsbunds, des Internationalen Museumsrats ( ICOM ) , des Berufsverbands Bildender Künstler, des Künstlerbunds, des gesamten Deutschen Kulturrats, der Kulturstiftung der Länder und zahlreicher Freundeskreise als Vertreter von Sammlern, Leihgebern und Eigentümern. Auch bei meiner USA-Reise Anfang März habe ich viel positive Resonanz zum Gesetzentwurf bekommen. Dort und im EU-Kulturministerrat ist man regelrecht erleichtert, dass Deutschland endlich in die Reihe angesehener Kulturgutschutz-Länder aufrückt. Zu den Unterstützern zählen darüber hinaus die 18 Staaten, deren Botschafter sich bei mir für den Gesetzentwurf bedankt haben, und nicht zuletzt die Kulturminister unserer 16 Bundesländer. Der Bundesrat hat die Zustimmung der Länder in seiner Stellungnahme im Dezember bekräftigt.

Diese breite Unterstützung beruht auf dem Konsens, dass Kunst nicht nur einen Preis, sondern auch einen Wert hat, dass Kunst also keine Ware und Geldanlage ist wie jede andere - eine Überzeugung, die auch das mäzenatische Wirken und das bürgerschaftliche Engagement in den Fördervereinen deutscher Museen für bildende Kunst trägt und die sich hoffentlich im parlamentarischen Verfahren durchsetzt. Ich kann nur davor warnen, sie leichtfertig zu relativieren oder vom Tisch zu wischen. Wir haben es doch in Nordrhein-Westfalen erlebt: Wo die Preise, die sich mit Kunst erzielen lassen, höher bewertet werden als ihr Wert, wird sie irgendwann zum dekorativen Luxus, den wir uns nur in guten Zeiten leisten und den wir in schlechten Zeiten zur Disposition stellen, um Haushaltslöcher zu stopfen oder Casinos zu bauen. Wenn wir eine solche "Kulturpolitik nach Kassenlage" ablehnen, wenn wir uns stattdessen weiterhin eine auskömmliche Kulturfinanzierung leisten wollen - dann aus dem Konsens heraus, dass Kunst von unschätzbarem Wert ist für eine humane Gesellschaft und für eine lebendige Demokratie, dass Kunst Spiegel unserer Geschichte und unserer Identität ist und Kräfte entfalten kann, die jene der Politik und des Geldes bisweilen übersteigen.

Ich freue mich, darüber mit Ihnen zu diskutieren und Ihre Sicht der Dinge zu hören, und ich bin zuversichtlich, dass wir uns - als Kunstliebhaber und Museumsfreunde, die wir alle sind - konstruktiv dazu verständigen können. Erfahrungsgemäß nimmt die bisher in der Kulturgutschutz-Debatte durchaus vorhandene Neigung, mit der Faust auf den Tisch zu schlagen, ja auch signifikant ab, wenn Kaffeetassen darauf stehen. In diesem Sinne: Auf eine gutes Diskussion!